WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 5/2018 - page 21

wirtschaft + weiterbildung
05_2018
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Ordnung. Ist man aber erstmal mit dem
identifiziert, was man tut, statt mit dem,
was man ist, steht ab diesem Zeitpunkt
bei allem, was man tut, immer zu viel auf
dem Spiel. Einige Beispiele:
• Passiert ein Fehler, dann geht es nicht
mehr um die Frage „Habe ich einen
Fehler gemacht?“, sondern es geht um
die Frage „Bin ich ein Versager?“
• Hat man sich geirrt, dann geht es nicht
mehr um die Frage „War mein Ziel,
meine Einschätzung falsch?“, sondern
es geht um die Frage „Bin ich falsch?“
• Hat man nicht getroffen, was der an­
dere wollte, geht es nicht mehr um die
Frage „Erfülle ich mit meinem Tun die
Erwartungen?“, sondern es geht um die
Frage „Bin ich eine Enttäuschung?“
Ist die Kopplung von „Sein“ und „Tun“
erst mal vollzogen, wird das Leben nicht
mehr bestimmt von der Frage „Wer bin
ich?“ und „Was tut mir gut?“, sondern
von der Frage „Wie bin ich richtig?“ und
„Was muss ich tun?“. Es erschließt sich
von selbst, dass der Alltag damit einer­
seits weniger befriedigend wird und ande­
rerseits anstrengend und mühsam (Burn-
out). Gleichzeitig wird es aber schwierig
bis unmöglich, von diesen Verhaltens­
weisen zu lassen, da in dem Moment ja
die unangenehmen Empfindungen – „Ich
bin nicht okay“ –, die man mit diesen
Verhaltensweisen in Schach hält, wieder
ins Bewusstsein und ins Erleben zu kom­
men drohen. Im Kontext Organisation
werden diese Mechanismen ungünstiger
Selbstregulation über das Verhalten nun
besonders drastisch wirksam. Ist es doch
so, dass unter den gegenwärtigen hoch­
komplexen und hyperdynamischen Be­
dingungen, die in vielen Organisationen
vorherrschen, Überlebensstrategien, die
über Leistung den Selbstwert versuchen
zu erhalten, besonders schnell in die
Krise kommen.
In stabileren Zeiten, in denen die Orga­
nisationen mehr von Bürokratie als von
Dynamik, mehr von Genauigkeit als von
Schnelligkeit, mehr von Regeln als von
Ausnahmen geprägt waren, war das an­
ders. Aber wie ist es jetzt? Schauen wir
uns fünf besonders wichtige und häufige
Kompensationsstrategien, die mit Leis­
tung arbeiten, genauer an und untersu­
chen das Zusammenwirken mit den ge­
genwärtigen Arbeitsverhältnissen.
2.
Kompensationsstrategie: „Ich bin
o. k., wenn ich perfekt bin.“
Menschen, die diese Strategie wählen,
versuchen ihr Gefühl „Ich bin nicht gut
genug“ zu mildern, indem sie keine Feh­
ler machen. Wer Fehler macht, droht
mit Kritik überzogen zu werden, darum
muss dies unter allen Umständen vermie­
den werden. Kritik löst innerlich Scham
aus, sodass verständlich ist, dass sie so
schlecht toleriert werden kann. Es liegt
dann auf der Hand, dass solche Men­
schen meist nicht mit ihrer Arbeit fertig
werden, unverhältnismäßig viel Auf­
wand in die letzten Kleinigkeiten stecken,
schlecht delegieren können und andere
nie gut genug sind, um ihnen etwas zu
überlassen. Spontaneität oder das Bedürf­
nis, Dinge im eigenen Stil zu tun (und
nicht standardisiert als Perfektion) blei­
ben so auf der Strecke.
Im Hinblick auf Burn-out lässt sich recht
simpel konstatieren: In einer Organisati­
onswelt, die immer komplizierter, kom­
plexer und damit unsicherer und unwahr­
scheinlicher wird, in der die Ergebnisse
veraltet sind, wenn sie fertig sind – in
einer solchen Welt lässt sich nichts mehr
„perfekt“ machen. Dadurch sind Men­
schen, die auf diese Strategie setzen, um
sich vor Selbstdefiziten zu schützen, viel
Klaus
Eidenschink
ist
Executive
Coach, Konflikt-
moderator und
Organisationsberater. Der Senior
Coach im Deutschen Bundesverband
Coaching e. V. (DBVC) ist auch Grün-
der und Co-Leiter von „Hephaistos
Coaching-Zentrum München“, das
sich als Aus- und Fortbildungsstätte
für Trainer und Berater einen Namen
gemacht hat.
Eidenschink & Partner, Spezialisten
für Verständigung und Wandel
Jahnstraße 1
D-82152 Krailling
Tel. 49 89 85662246
AUTOR
mehr im Stress, als es früher der Fall war.
Wo ständige Innovation, Projektarbeit,
kontinuierliche Umstellung der Arbeits­
kontexte eine langsame und gewissen­
hafte Arbeit kaum mehr möglich machen,
wird der Zwang zur Gründlichkeit zum
Verhängnis. Menschen im „Perfekt-Stil“
passen nicht mehr gut zur neuen Arbeits­
welt.
3.
Kompensationsstrategie: „Ich bin
o. k., wenn ich stark bin.“
Manche Menschen lernen früh, dass sie
niemanden brauchen dürfen. Abhängig
zu sein, bedeutet Schmerz, ins Leere lau­
fen, dem anderen eine Last sein, ihn zu
überfordern oder ihm weh zu tun. Unab­
hängigkeit, Stärke und mit allem allein
zurechtkommen können, ist dann eine
recht naheliegende Lösung. Beseelt mit
einem solchen Muster, neigt man dazu,
sich keine oder zu spät Hilfe zu holen,
auch Informationen holt man zu wenig
ein. Im Team zu arbeiten wird nicht
leichter, da man auf autonome Nischen
angewiesen ist, oder man sucht die Füh­
rungsrolle, da die innere Einsamkeit hier
nicht so auffällt. Denn sich auf andere
Menschen einlassen, ihnen vertrauen,
dass sie es gut mit einem meinen, in lie­
bevollen Kontakt zu gehen, sich geborgen
zu fühlen und sich trösten lassen – all das
ist schwer.
Dadurch entsteht eine spürbare Distanz
zu anderen. Diese haben das Gefühl, an
solche Menschen „nicht ranzukommen“,
sie bekommen schnell Angst, weil sie den
„Starken“ nicht lesen können. Man weiß
nicht, was los ist und versucht es dann
vielleicht mit der Brechstange: Überzo­
gene, scharfe Kritik, Rebellion, „Verhun­
gern-lassen“. Wenn das nichts hilft, fol­
gen Anpassung und Resignation. In der
gegenwärtigen Welt überhäufen Organi­
sationen ihre Führungskräfte mit Feed­
back. 360-Grad-Feedbacks, Assessments,
Audits, Ziel- und Mitarbeitergespräche –
all das macht die Kompensationsstrategie
„Sei stark“ immer schwerer und erfolgs­
ärmer. Wenn Authentizität zunehmend
erfolgsentscheidend wird, wird es immer
schwieriger, das unnahbare „Cowgirl“
oder der coole „Cowboy“ zu bleiben
und auch der Karriereerfolg wird ohne
„Soft Skills“ zunehmend unwahrschein­
licher. Der Zusammenbruch des Starken
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