WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 5/2018 - page 19

wirtschaft + weiterbildung
05_2018
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Lob und Würdigung von Leistungen zu
sagen. Die meisten Vorgesetzten tun dies
sowieso aus sich heraus. Jedoch ist es
ausgesprochen problematisch, wenn Or­
ganisationsmitglieder glauben, ein Recht
(!) auf Anerkennung zu haben. Diese Er­
wartung macht deshalb so leicht unglück­
lich und demotiviert, weil Organisationen
eben keine „Wertschätzungsspendeauto­
maten“ sind.
Von Organisationsseite lässt sich nämlich
nüchtern sagen, dass die Wertschätzung
für den Mitarbeiter durch die Bezahlung
abgegolten ist. Wer als Mitarbeiter ver­
lässlich Wertschätzung möchte, muss
sie sich selbst geben („Das habe ich gut
gemacht!“). Darauf zu setzen, dass Vor­
gesetzte das tun („Mein Chef lobt mich
nie!“), macht unglücklich. Es ist psycho­
logisch sowieso als größeres Problem
zu werten, wenn äußere Wertschätzung
eine fehlende innere Selbstwertschätzung
ersetzen soll. Das funktioniert nie, weil
man dies letztlich innerlich nicht glaubt,
wenn man es selbst nicht auch so sieht.
Dazu gleich noch mehr.
3.
Stresserzeugende Erwartung
„Sicherheit“
Organisationen sollen für viele Menschen
auch Sicherheit garantieren: Ein sicherer
Arbeitsplatz, sichere Bezahlung, Sicher­
heit gegen Überforderung, und keine zu
starken Flexibilitäts- oder Mobilitätszu­
mutungen. Aus Mitarbeitersicht zunächst
sehr verständlich, aus der Sicht von Orga­
nisationen nicht leistbar. Organisationen
sind auf die Austauschbarkeit ihrer Rol­
lenträger angewiesen. Hier unterscheiden
sie sich von anderen sozialen Systemen,
etwa von Familien. Klar, in Familien
tauscht man nicht den Vater aus, wenn
dieser nicht kochen kann oder die Mutter,
weil diese die Glühbirne nicht wechselt.
Man behilft sich mit Tiefkühlkost und
dem Nachbarn. Der Mensch ist hier wich­
tiger als die Funktion. In einem Restau­
rant dagegen, wo der Koch nicht kochen
kann, werden die Gäste wegbleiben, auch
wenn der Koch unglaublich nett und
sympathisch ist. Die Funktion ist wich­
tiger als die Person. Darum können und
dürfen Organisationen keine Sicherheiten
versprechen beziehungsweise Mitarbeiter
tun gut daran, ihre Sicherheit in anderen
Kontexten zu suchen.
4.
Stresserzeugende Erwartung
„Gerechtigkeit“
Eine weitere dysfunktionale Erwartung an
Organisationen ist der Wunsch, es möge
gerecht zugehen. Wer dies erwartet, ist
chronisch gestresst, damit auch chronisch
unzufrieden und Burn-out-gefährdet. Ge­
rechtigkeit ist ein standpunktabhängiges
Phänomen. Was aus der einen Warte als
gerecht erscheint, ist aus der anderen un­
gerecht. Etwa wird gelegentlich auf ele­
gante Weise vergessen, dass dieselben
Menschen, die sich über die ungerechte
(weil zu niedrige Entlohnung) in der ei­
genen Firma beklagen, durchaus ohne
große innere Probleme beim Discounter
Jeans für 20 Euro kaufen, deren Preis
nur durch inhumane Verhältnisse in asi­
atischen Fabriken möglich ist. In Organi­
sationen spitzt sich das „Standpunktpro­
blem“ zu, weil sie ganz grundsätzlich um
polarisierende Interessen herum gebaut
sind.
Unterschiedliche Teilbereiche einer Or­
ganisation sind auch immer durch unter­
schiedliche Interessen definiert! So ist die
Jahresbudgetzuteilung für den Vertrieb
gerecht und stellt sich gleichzeitig für
die Produktion (zu Recht!) als ungerecht
dar! Die Kürzung bei den Stabsstellen ist
für diese ungerecht und für die Regionen
überfällig! Wer Gerechtigkeit in Organi­
sationen erwartet, erntet ständig Anlässe,
um sich aufzuregen und sich in seinen
Leistungen vernachlässigt oder behindert
zu sehen. Gleichheitserwartungen för­
dern den Burn-out.
5.
Stresserzeugende Erwartung
„Sinn“
Schlussendlich wird in der Arbeit in Or­
ganisationen von vielen Menschen Sinn
gesucht beziehungsweise es wird erwar­
tet, dass die Arbeit als sinnvoll erlebt
werden kann. Organisationen werden auf
diese Weise als Sinnermöglicher gesehen.
Doch wie soll das gehen? Organisationen
können nicht nur Arbeitsplätze schaffen,
die gängige Sinnvorstellungen bedienen:
Die Welt verbessern, Talente entwickeln,
Menschen helfen, Gutes bewirken, Neues
erfinden und vieles andere mehr.
Die Vorstellung, Arbeit könne Sinn stif­
ten, ist eine Erfindung der Neuzeit.
In früheren Zeiten diente Arbeit dem
Überleben, war Pflicht und pure Not­
wendigkeit. Erst die Entwicklung eines
hochdifferenzierten und auf Individuen
setzenden Wirtschaftssystems ließ die
Vorstellung aufkommen, dass es sinn­
volle Arbeit geben könne. Damit wurde
das innere seelische Erleben von Sinn auf
äußere Verhältnisse projiziert und damit
die Verantwortung ungünstig verlagert.
Nun war es nicht der Mensch, der etwas
Sinn zuschrieb und dafür Kompetenzen
brauchte, sondern es war die Art der Ar­
beit, die sinnvoll zu sein hatte. Wer also
nicht von sich erwartet, dass er dem,
was er tut, Sinn verleihen kann, sondern
von der Organisation erwartet, ihm eine
sinnvolle Arbeit zu geben, der macht
sich zum Opfer von Verhältnissen und
gibt seine Selbstverantwortung an ge­
sellschaftliche Rahmenbedingungen ab.
R
Hephaistos.
Im Jahr 1999 gründeten Karin Horn-Heine und Klaus Eidenschink
das Hephaistos Coaching-Zentrum München. Heute umfasst dessen Lehrteam
sieben Personen (von links): Klaus Eidenschink, Karin Horn-Heine, Susanne
Brugger, Lothar Wüst, Nicola Janssen, Ursula Most und Ulli Merkes.
Foto: Pichler
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