WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 5/2018 - page 13

wirtschaft + weiterbildung
05_2018
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unermüdliches Engagement, deren intellektuelle und kreative
Kompetenzen ...
Simon:
Was die Selektivität betrifft, kann im Prinzip über die
Psyche der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Ähnliches wie
über deren Körper gesagt werden. Sie werden nur begrenzt
und hoch spezifisch benötigt. Die Mitglieder der Organisation
müssen geistig und emotional in der Lage sein, ihren Job zu
erledigen. Und in der Hinsicht gibt es, je nach Aufgabe, rie-
sige Unterschiede. All diese individuellen, geistig-seelischen
Kompetenzen können nicht ungestraft weggedacht werden. Sie
bilden für die Organisation und ihr Überleben relevante Um-
welten, um in der systemtheoretischen Ter-
minologie zu bleiben. Es bedarf bestimmter
Fähigkeiten, um in einer bestimmten Abtei-
lung eines Unternehmens mitspielen zu kön-
nen. Was sich sonst noch alles Wunderbares
in der Psyche eines Mitarbeiters abspielt, ist
für die Organisation nicht von Interesse. Wer
im Controlling arbeitet, kann nebenbei ein begnadeter Frei-
zeitpianist sein, er wird deswegen nicht besser bezahlt. Und
solange ein Mitglied der Organisation seinen Job zur allgemei-
nen Zufriedenheit erledigt, interessiert es niemanden, ob er in
seiner Freizeit irgendwelchen ungewöhnlichen Lüsten frönt.
Wenn Sie von Spiel sprechen, dann meinen Sie ja nicht, dass
es unernst ist, wenn ich sie richtig verstanden habe ...
Simon:
Ja, es geht jeweils um eine Menge von Verhaltensre-
geln, die sich entweder selbstorganisiert entwickeln oder auch
zielorientiert beschlossen werden. Sie liefern den Beteiligten
die Grundlage für ihre jeweils individuellen Entscheidungen.
Über solche Spielregeln gelingt es, die Handlungen einer Un-
zahl von Individuen, die immer autonom über ihr Verhalten
entscheiden, zu koordinieren. Wenn ich sage, dass sie autonom
entscheiden, so ist damit gemeint, dass sie immer die Möglich-
keit hätten, anders zu entscheiden – auch wenn sie dafür einen
Preis zahlen müssten. Auch das ist ein Aspekt der Spielregeln
von Organisationen. Das eigentliche Wunder der Organisation
ist ja, dass es gelingt, hochkomplexe Prozesse durch Arbeits-
teilung und Kooperation zu realisieren. Mir scheint das der (!)
evolutionäre Fortschritt in der Geschichte der Menschheit, der
viel zu wenig gewürdigt wird.
Zurück zu den Spielregeln. Wie ist denn zu erklären, dass es
so unterschiedliche Formen – um noch einmal den Titel ihres
Buchs ins Spiel zu bringen – von sozialen Systemen gibt, wenn
„Das Wunder der Organisation ist, dass es gelingt,
hochkomplexe Prozesse durch Arbeitsteilung zu
realisieren – ein evolutionärer Fortschritt!“
R
Buchtipp.
Fritz B. Simon: „Formen“,
Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 1. März
2018, 317 Seiten, 54 Euro
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