wirtschaft und weiterbildung 7-8/2016 - page 38

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
R
Ausrichtung oder den Berichtswegen hat
Auswirkungen auf die Art und Weise, wie
im Unternehmen miteinander umgegan-
gen wird, nach welchen Spielregeln Kom-
munikation gestaltet wird.
In einem Unternehmen der Automobil-
industrie sollte die Führungskultur ver-
ändert werden. Statt uns daran zu ver-
suchen, direkt auf die Kultur Einfluss zu
nehmen, schlugen wir als Ergebnis einer
eingehenden Betrachtung der Kommuni-
kationsmuster zwischen Topmanagement
und den anderen Führungsebenen vor,
die Kommunikationswege zu verändern.
Zuvor war es so gelaufen, dass sich die
Geschäftsführer einmal wöchentlich mit
den direkt an sie berichtenden Bereichs-
leitern getroffen hatten, um sich dort zu
strategischen und aktuellen Themen aus-
zutauschen.
Bei diesen Treffen war es immer wieder
zu Irritationen darüber gekommen, was
in dieser Runde zu entscheiden sei und
was nicht. Die Stimmung war jedes Mal
angespannt gewesen, die einzelnen Per-
sonen hatten sich in Einzelgesprächen
frustriert über die Situation geäußert, mit
unserer Moderation dann auch offen in
der gemeinsamen Runde. Die Lösung lag
darin, die Meetingstruktur anzupassen.
Es wurde zudem durch eine Umbenen-
nung der Meetings in »Runden« und »Sit-
zungen« deutlich gemacht, wo Entschei-
dungen zu treffen sind, nämlich nur in
den Sitzungen, die es nun auf jeder Hier-
archieebene separat geben sollte.
Formale Strukturen ändern?
Die Runden sollten hingegen lediglich
dem Austausch von Informationen über
verschiedene Hierarchieebenen hinweg
dienen. Das bisher wöchentliche Treffen
wurde in einen zweiwöchigen Turnus
überführt. Zuerst war eine deutliche Ver-
besserung der Beziehung zwischen den
Geschäftsführern zu beobachten, denen
der Schulterschluss durch die neue Struk-
tur erleichtert wurde. Die Bereichsleiter
waren ambivalent, einerseits froh über
die neu geschaffene Klarheit, andererseits
skeptisch ob der Entscheidungsfreude
der Geschäftsführer. Es ist keinesfalls be-
liebig, welche Änderungen an formalen
organisationalen Strukturen durchge-
führt werden. Die zu erwartenden Aus-
wirkungen auf die Unternehmenskultur
müssen gut bedacht werden. Es empfiehlt
sich, eine Interventionsstrategie zu ent-
wickeln, die dabei hilft, Hypothesen da-
rüber zu bilden, welche Interventionen
zu welchen Veränderungen führen könn-
ten beziehungsweise warum bestimmte
Einflussnahmeversuche auch scheitern
könnten.
Das Schalenmodell der Intervention
(Simon, Weber and Friends 2015) mit den
fünf Ebenen Interventionstheorie, Inter-
ventionsfokus, Interventionsprinzipien,
Interventionsarchitektur und Interventi-
onstechniken bietet eine gute Möglich-
keit, Interventionen zu durchdenken,
strategisch zu planen, durchzuführen
und in ihrer Wirksamkeit zu reflektieren.
Doch bei aller Strategie bleibt immer ein
großer Anteil an spontan durchzuführen-
den, situativ zu entscheidenden und zur
Anwendung zu bringenden Interventions-
techniken. Interventionen können noch
so gut geplant sein, es ist schon auch
eine Kunst, sie wirksam durchzuführen.
Umso wichtiger ist es, dass „Interven-
eure“ einerseits eine fundierte Theorie im
Gepäck haben und anderseits ein großes
Repertoire an möglichen Interventions-
methoden auf hohem Niveau anwenden
können.
So wird „systemisch“ klug
interveniert
Wer intervenieren will, sollte die sys-
temtheoretische Sicht auf Unternehmen
und auf die Unternehmenskultur kennen
(Unmöglichkeit direkter Einflussnahme,
Identitätsrelevanz, Selbstorganisation,
Autopoiese). Dieser Blick sollte einen ent-
scheidenden Unterschied machen zu an-
deren Modellen, etwa solchen, die Unter-
nehmenskultur als gestaltbaren Bereich
beschreiben. Folgende Schritte führen
ausgehend von der systemischen Theorie
am Ende zu möglichst nützlichen Inter-
ventionstechniken:
1. Fokus.
Der Interventionsfokus (wohin
geschaut wird, wenn Interventionen ent-
wickelt werden) sollte auf der formalen
Struktur des Unternehmens liegen und
Buchtipp.
Das Buch „Einführung in systemische Konzepte
der Unternehmenskultur“ liefert in kompakter Form die
Theorie und die Beispiele, um das Thema „Unternehmens-
kultur“ systemtheoretisch zu verstehen.
Es gelingt der Autorin auch, einleuchtend zu erklären,
warum das Gut „Unternehmenskultur“ nur indirekt zu
beeinflussen ist. Die Regeln, die in einer Kultur gelten, sind
oft sehr alt („Das macht man nicht“) und helfen, Komplexi-
tät zu reduzieren. Aber manchmal muss ein Kulturwandel
her. Neue Regeln sichern das Überleben – aber nur, wenn
die Mehrheit der Führungskräfte
sie vorlebt. Am Ende des Buchs
stehen „zehn Gebote des erfolg-
reichen Arbeitens mit Unterneh-
menskultur“, die den Lesern
wertvolle Denkanstöße für ihre
Praxis geben.
Christina Grubendorfer:
Einführung in systemische Kon-
zepte der Unternehmenskultur,
Carl-Auer Verlag, Heidelberg
2016, 124 Seiten, 14,95 Euro
Zauberformel „Kultur“
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