wirtschaft und weiterbildung 7-8/2016 - page 35

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
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deshalb sein, die Kultur eines Unterneh-
mens verstehen zu wollen. Dafür muss
sie beobachtet werden.
Unternehmenskulturen zeigen sich in
den kulturellen Kommunikationsmus-
tern, den Spielregeln, die sich im Laufe
der Zeit hinter dem Rücken der Akteure
wie von selbst etabliert haben. Wie las-
sen sich diese Muster beobachten? Es
hat wohl noch niemand Kommunikation
beobachtet, genauso wenig, wie jemand
ein System gesehen hat, denn beobacht-
bar ist nur Verhalten. Kommunikation
kann aus Verhalten erschlossen werden,
am besten, wenn mehrere Personen in
Interaktion beobachtet werden. Dabei
sollte darauf geachtet werden, vor allem
auf die Spielzüge (Aktion, Reaktion) zu
schauen, nicht nur auf die Spieler und
ihre einzelnen Aktionen. Das erfordert
einige Übung.
Vor allem Beobachter, die zuvor bei-
spielsweise bei Auswahlverfahren (wie in
Assessment-Centern) eingesetzt wurden,
werden es eher schwer haben, von der
Verhaltensbeobachtung einer Person (und
akribischer Beschreibung dieses Verhal-
tens) den Blick auf die Spielzüge zwi-
schen Personen, die Interaktionen und
die über mehrere Spielzüge entstehen-
den Kommunikationsmuster zu richten.
Welche Auswirkungen hat das Verhal-
ten eines Spielers auf das Verhalten der
anderen Mitspieler? Wie reagiert dieser
Spieler wiederum darauf? Welche Reiz-
Reaktions-Schemata wiederholen sich in
gewisser Weise?
Der Soziologe Niklas Luhmann beschrieb
ein solches Vorgehen als „funktionale
Analyse“, bei der alle sich musterhaft
wiederholenden Praktiken auf ihren Bei-
trag zur Autopoiese eines Systems hin be-
obachtet werden. In Funktionen zu den-
ken ermöglicht den Beobachtern einen
wertschätzenden Blick auf das Gesche-
hen. Jedes zu beobachtende Muster gilt
dann als Lösung für ein Problem. Beob-
achtete Muster in einer funktionalen Rah-
mung an ein Unternehmen zurückzumel-
den, bietet auch gleich eine Interventions-
möglichkeit. Als problematisch bewertete
Muster können dann vielleicht anders be-
trachtet werden, was dann häufig schon
eine Veränderung nach sich zieht.
Doch wo beginnen, wenn Beobachtungs-
dimensionen erst mit der Beobachtung
entwickelt werden? Als drei Grundmus-
ter, die in Unternehmen beobachtet wer-
den können, sind Harmoniemuster, Split-
tingmuster und Chaosmuster zu nennen.
Diese drei Muster eignen sich sehr gut als
Einstieg in die Beobachtung von Unter-
nehmenskulturen. Von dort aus können
dann weitere Unterscheidungen getroffen
und spezifischere kulturelle Muster be-
obachtet werden. Alle drei Muster sind
per se weder gut noch schlecht für ein
Unternehmen. Sie sollten deshalb immer
auch im Hinblick auf ihre Funktionalität
beobachtet werden.
Durch das Harmoniemuster werden ge-
meinsame Sichtweisen, Konsens, Altruis-
mus und die Gleichheit aller Beteiligten
betont. Konflikte werden unter den Tep-
pich gekehrt, unterschiedliche Positionen
werden (durch Aufgabe persönlicher In-
teressen) geleugnet, Egoismus oder sogar
Streit sind verpönt. Gegenargumente sind
verboten, Konsens ist Pflicht. Personen in
durch Harmoniemuster geprägten Kon-
texten berichten häufig von Schuldgefüh-
len. Organisationen mit konsensgepräg-
ten Kulturen klagen über hohe Kranken-
stände. Konsensmuster finden sich häufig
Foto: Dusit / Shutterstock.com
Spielregeln.
Unternehmenskultur ist ein Spiel,
das nach mehr oder weniger undurchschaubaren
Regeln gespielt wird.
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