wirtschaft und weiterbildung 7-8/2016 - page 34

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
sich nicht daran hält, hat die Konsequen-
zen bis hin zum Rauswurf zu tragen. Es
spielt keine Rolle, wer die Mitspieler sind,
solange sie die Spielregeln befolgen kön-
nen. Dabei soll gleich mitgedacht sein,
dass es auch zu den Spielregeln gehö-
ren kann, das Spiel in einer besonderen
Qualität spielen zu können. Nicht jeder
Pimpf, der die Fußballregeln kennt, kann
in der Bundesliga mitspielen.
In Unternehmen wird über Zugangsbe-
schränkungen sichergestellt, dass nur be-
stimmte Mitspieler zum Spiel zugelassen
werden. Wenn sich neue Mitspieler fin-
den, so darf davon ausgegangen werden,
dass sie sich freiwillig dazu entschieden
haben, das Spiel mitzuspielen. Und sie
können auch jederzeit wieder aus dem
Spiel aussteigen (zumindest innerhalb
der Kündigungsfristen). Sie können aber
auch von den anderen Mitspielern raus-
geworfen werden, wenn sie sich nicht an
die Regeln halten. Für Unternehmen gilt
der Anspruch, dass Mitspieler sechs Mo-
nate Zeit haben, um ihre Spielkompetenz
zu beweisen, dafür gibt es die Probezeit.
Wer es schafft, innerhalb dieses Zeit-
raums im Spiel zu bleiben, der wird auf-
genommen und kann fortan nicht mehr
mir nichts, dir nichts gekündigt werden.
Die „Spiele“, die in einem Unternehmen
gespielt werden, folgen einer Eigenlogik,
die unabhängig von den Interessen der
einzelnen Spieler ist. Denn die Spielre-
geln sind oft schon viele Jahre zuvor ent-
standen.
So kann Unternehmenskultur als die
Menge von Spielregeln betrachtet wer-
den, die ein Spieler kennen und anzu-
wenden in der Lage sein muss, um das
Spiel mitspielen zu können. Dabei han-
delt es sich bei der Unternehmenskultur
um die Spielregeln, die nirgendwo nach-
zulesen sind, aber trotzdem als selbstver-
ständlich vorausgesetzt werden. Sie sind
nie von jemandem festgelegt worden und
treten erst dann ins Bewusstsein, wenn
sie verletzt werden. Verletzungen kultu-
reller Spielregeln sind mit heftigen emo-
tionalen Reaktionen der anderen Mitspie-
ler verbunden, die auf Nachfrage häufig
nicht erklären können, worauf genau sie
so stark reagieren. Mehr noch, ihre Af-
fekte interpretieren sie in einem bestimm-
ten Kontext als völlig normal.
So sagte zum Beispiel der Mitarbeiter
in einer IT-Abteilung über einen neuen
Kollegen: „Wenn der meint, dass er mit
so einer Art hier klarkommt, dann hat
er sich aber gewaltig geschnitten. Wie
der sich beim Chef einschleimt, das ist
ja nicht auszuhalten, von wegen interna-
tionale Erfahrung, überall einsetzbar, es
gibt keine Probleme, nur Herausforde-
rungen … Super, da muss der Chef jetzt
ja denken, wir sind faule Socken, wenn
wir nicht genau wie der bis um acht hier
rumhocken und wild auf der Tastatur
rumhacken. Aber der wird schon sehen,
wie beliebt er sich mit dieser Schleimtour
bei uns im Team macht.“
Unternehmenskultur „nur“
beobachten
Wer auch immer Einfluss auf ein Unter-
nehmen nehmen möchte, kann die Un-
ternehmenskultur nicht ungestraft igno-
rieren. Sie bestimmt entscheidend mit
darüber, welche Aktionen erfolgreich sein
und welche scheitern werden. Der erste
Schritt eines Veränderungsprojekts muss
Wer sich dem Thema „Unternehmenskul-
tur“ nähern möchte, macht es sich leich-
ter, wenn er die Spielemetapher nutzt:
Das Spiel ist das Unternehmen (das sozi-
ale System), die Spieler sind die Akteure
in einem Unternehmen (das können Mit-
arbeiter sein, Teams, Abteilungen oder
Bereiche), die Spielzüge sind die Aktio-
nen der Akteure, die Spielführer sind die
Führungskräfte und die Spielregeln ent-
sprechen den Kommunikationsmustern,
die sich innerhalb des Unternehmens ent-
wickelt haben. Das Spiel selbst ist durch
die Spielregeln definiert. Die Spielregeln
ordnen die Aktionen (Spielzüge) der Ak-
teure (Spieler) zeitlich und räumlich.
Die Spielregeln werden nicht
öffentlich gemacht
Spielregeln vermitteln, welche Verhal-
tensweisen in einem Unternehmen er-
wünscht sind und welche unterlassen
werden sollten. Sie bilden einen Deu-
tungsrahmen. Ein und dasselbe Verhal-
ten, zum Beispiel die Frage des neuen
Mitarbeiters der Marketingabteilung nach
den strategischen Zielen des Unterneh-
mens, kann in Unternehmenskultur A als
Zeichen für die strategische Kompetenz
der Person gedeutet werden, in Kultur B
als Frechheit („Strategie ist Chefsache,
was mischt der sich da ein?“) und in Kul-
tur C als Dummheit („Wenn er die strate-
gischen Ziele immer noch nicht verstan-
den hat, ist ihm nicht zu helfen.“).
Wer mitspielen möchte, muss die Spiel-
regeln kennen. Das Vertrackte ist: Diese
Spielregeln sind nirgendwo nachzulesen
und können nur auszugsweise bei den
Mitspielern erfragt werden. Doch wer
Unternehmenskultur
beobachten und verändern
ANALYSE.
„Wie tickt denn euer Laden so?“ Wer diese Frage den Beschäftigten einer
Firma stellt, erkundigt sich nach der Unternehmenskultur. Dieser Fachbeitrag zeigt, was zu
beobachten ist, wenn man eine Aussage über die Kultur in einer Organisation machen will
und welche Möglichkeiten es bei Bedarf gibt, diese Kultur zu verändern.
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