wirtschaft und weiterbildung 7-8/2016 - page 25

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
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Fragen statt sagen!
Schein fiel auf, dass sowohl Führungskräfte als auch
Berater viel zu oft „von oben herab“ sagen, was getan
werden muss, statt sich erst einmal durch Fragen umfas-
send schlau zu machen. „Humble Inquiry“ könnte man mit
„demütigem“ oder „bescheidenem“ Befragen übersetzen.
Der EHP Verlag hat sich letztlich für „vorurteilsloses Fra-
gen“ entschieden.
Diese Art der Neugier aus ehrlichem Interesse wird immer
wichtiger, weil die Mitarbeiter in einem Unternehmen oft
etwas Wichtiges wissen, es aber aus Unsicherheit weder
der Führungskraft noch dem Berater sagen. Wegen der
zunehmenden Komplexität in der heutigen Arbeitswelt sind
aber beide darauf angewiesen, umfassende und ehrliche
Informationen von der Basis zu bekommen.
Sehr tiefgründige Analysen
In seinem Buch „Humble Inquiry“, das gerade Anfang des
Jahres auf Deutsch erschienen ist, beschreibt Schein die
Grundlagen seiner Methode. Ein Verkaufsleiter, dem ein
Verkäufer von Schwierigkeiten mit einem Kunden berich-
tet, könnte zum Beispiel fragen: „Können Sie Einzelheiten
berichten?“, „Wann hat das mit den kritischen Bemer-
kungen des Kunden angefangen?“, „Was haben Sie schon
unternommen?“. Durch seine Fragen erreicht der Verkaufs-
leiter, dass der Status des Mitarbeiters angehoben wird,
weil ihm wichtige Informationen unterstellt werden. Lang-
sam zeigt der Mitarbeiter immer mehr Bereitschaft, Ängste
oder andere Gefühle anzusprechen. Bei Bedarf hält der Vor-
gesetzte das Gespräch mit Worten wie „Nur weiter …“, „Was
noch …?“, „Was geschah dann …?“ oder „Berichten Sie mir
mehr!“ in Gang. Irgendwann macht es Sinn, Fragen zum
Prozess zu stellen, der zwischen Vorgesetztem und Mitar-
beiter abläuft: „Haben Sie das Gefühl, dass alle Probleme
angesprochen wurden?“ oder „Ich frage mich, warum wir
nicht schon früher darüber sprachen.“
Das neueste Buch von Schein („Humble Consulting“)
erschien jetzt gerade in den USA und sagt Beratern, wie
sie „Humble Consulting“ anwenden und dadurch schneller
Problemlösungen initiieren können. Zwar kennt jeder Bera-
ter schon genug Fragetechniken, aber keiner analysiert die
Edgar-Schein-Spezial.
Edgar H. Schein (88)
war Professor für Organisationspsychologie
und Management am Massachusetts
Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Er
gilt als einer der „Erfinder“ der Organisations-
entwicklung. Außerdem war Schein auch
immer als Unternehmensberater aktiv.
Vor- und Nachteile verschiedener Fragearten so präzise wie
Schein und kann zu so vielen Fragevarianten anregen, mit
denen man seinem Gegenüber garantiert nicht auf die Ner-
ven geht (was als Gefahr immer im Raum steht). Es lohnt
sich, das Buch gründlich zu lesen. Wertvoll wird das Buch
auch durch die vielen Dialoge aus seinen Beratungsproto-
kollen, die Schein abdruckt und ausführlich kommentiert.
Veranstaltungstipp: Mit Edgar Schein zu Google
In den letzten Jahren führte Edgar Schein regelmäßig mit
Dr. Gerhard Fatzer (Trias) Veranstaltungen in der Schweiz
durch. Altersbedingt findet der nächste Workshop mit
Schein vom 10. bis 14. Oktober jetzt in Palo Alto (Kalifor-
nien) statt. Ziel des Workshops ist es, das vorurteilslose
Befragen auf drei Unternehmen anzuwenden – die Such-
maschine „Google“, das „Institute for the Future“ und die
Firma „Ideo Consulting“. Das Programm in Kurzform:
1. Erster Tag:
Edgar Schein führt in die Methoden „Humble
Inquiry“ und „Culture Analysis” ein.
2. Zweiter Tag:
Interviews mit Schlüsselpersonen von Goo-
gle durch die Gruppe und Edgar Schein.
3. Dritter Tag:
Interviews mit Schlüsselpersonen des „Insti-
tute for the Future“ und der „Ideo Company“.
4. Vierter Tag:
Auswertung der Gespräche, Analyse der Kul-
turunterschiede, Diskussion über die Methode des vor-
urteilslosen Befragens.
Voranmeldungen sind möglich unter der E-Mail-Adresse
eitere Informationen bei Dr. Gerhard
Fatzer, Trias Institut Zürich, Brunnenwisstr. 17, CH-8627
Grüningen, Telefon +41 79 672 49 13. Aktuelle Details fin-
den sich im Internet unter
Berater.
Edgar H. Schein:
Humble Consulting, Berrett-
Koehler Publishers, Oakland
(CA), 2016, 209 Seiten,
18,78 Euro, Sprache: Englisch
Einführung.
Edgar H. Schein:
Humble Inquiry, EHP – Edition
Humanistische Psychologie,
Bergisch Gladbach, Januar
2016, 186 Seiten, 37,99 Euro
1...,15,16,17,18,19,20,21,22,23,24 26,27,28,29,30,31,32,33,34,35,...68
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