wirtschaft und weiterbildung 7-8/2016 - page 16

menschen
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
Fotos: Pichler
HR INNOVATION AWARD.
Die Macher der Messe „Zukunft
Personal“ haben den „HR Innovation Award“ ins Leben
gerufen. Vorsitzender der Jury ist Agilitäts- und Innovations-
Experte Prof. Dr. Stephan Fischer, Direktor am Institut
für Personalforschung der Hochschule Pforzheim. In
diesem Interview sprachen wir mit Fischer über den
deutlich spürbaren Innovationsbedarf des deutschen
Personalmanagements.
Mit der Digitalisierung kommt eine Welle der Veränderung auf
die Unternehmen zu. Viele Personaler sind der Ansicht, dass
sie besser erst einmal abwarten sollten. Halten Sie das für
richtig oder für fahrlässig?
Prof. Dr. Stephan Fischer:
Personaler üben oft eine Stabilitäts-
funktion in ihren Unternehmen aus, bilden Standardprozesse
wie Lohn und Gehalt sauber ab. Von den Fachabteilungen wer-
den sie dafür geschätzt. Innovation macht ja auch nur Spaß,
wenn die Basis stimmt. Manche ruhen sich aber auf der Basis
aus – und das reicht in digitalisierten Organisationen nicht
mehr. Wenn sich zum Beispiel eine Innovationskultur entwi-
ckeln soll, muss man Menschen dazu animieren, Dinge auszu-
probieren. Dabei müssen sie Fehler machen dürfen. Wenn ich
aber Anreizsysteme habe, bei denen Fehler unmittelbar bestraft
werden, zum Beispiel mit einer schlechteren Bezahlung, dann
passt das nicht zusammen. Dann kommen Leute, die zu Recht
sagen: „Kill HR“.
Nachdem lange Zeit „Change-Management“ als das A und O
der Personalarbeit galt, scheint es nun Agilität zu sein. Was ist
an dem Thema neu?
Fischer:
Agilität wird schon seit 50 Jahren kolportiert, hat nun
aber eine ganz neue Dynamik und Bedeutung. Beim Change-
Management dürfen Personaler die Transformation einer Or-
ganisation nicht behindern und sollten sie idealerweise unter-
stützen oder aktiv voranbringen. Was aber durch die Agilität
„Kritischer denken
und reflektierter
hinterfragen“
dazukommt, ist eine inhaltliche Qualität. Change-Management
ist eher die Kompetenz zur Förderung von Veränderung, wäh-
rend Agilität mit bestimmten Formen der Zusammenarbeit
einhergeht – zum Beispiel mit starker Kollaboration, Vernet-
zung, Empowerment und demokratischen Prinzipien für den
Führungsansatz. Mitarbeiter sollen abteilungsübergreifend
Netzwerke bilden und individuell die besten Lösungen finden,
unabhängig von Hierarchien.
Bisher kommt das Thema Demokratisierung meist von der
Geschäftsführung. Müssten Personaler diese Veränderung
radikaler vorantreiben?
Fischer:
Demokratisierung ist genauso ein Thema der Persona-
ler wie Empowering. Andererseits sind Demokratisierung und
Agilität bestimmte Muster, die je nach Herausforderungen für
eine Organisation geeignet sind oder nicht. Das Bundesver-
kehrsministerium muss nicht so agil sein wie ein IT-Hersteller.
Da kann man nicht jeder Organisation das Gleiche raten. Klas-
sische Führung kann manchmal noch erfolgreich sein, wenn
die Organisation wenig Innovation braucht.
Auch einzelne Instrumente der Personalarbeit stehen aktuell
infrage, wie beispielsweise das klassische Mitarbeiter-
gespräch. Inwiefern brauchen wir das noch?
Fischer:
Als Ritual gewährleisten Mitarbeitergespräche, dass
Mitarbeiter und Vorgesetzte anders miteinander sprechen, als
Dr. Stephan Fischer.
Der Pforzheimer Professor
warb auf der „Personal 2016
Süd“ für einen lebendigen
Austausch „agiler“ Firmen.
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