wirtschaft und weiterbildung 7-8/2016 - page 14

menschen
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
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LEBENSKLUGHEIT.
Die Kinderbuchautorin Astrid Frank
hat einen Roman über einen Mobbingfall an einer Schule
geschrieben. Das Buch rüttelt emotional auf und liefert
gleichzeitig eine psychologisch kluge Analyse der gruppen-
dynamischen Prozesse, die hinter den Mobbingattacken
stecken. Das „Jugendbuch“ bringt interessierten
Führungskräften und Personalern mehr als ein Schrank
voller theoretischer Fachbücher.
Anna, das Mobbingopfer, stirbt auf Seite 13. Die Einzelheiten
ihres Leidenswegs erfahren wir aus ihrem Tagebuch, das im
Mittelpunkt des Romans „Unsichtbare Wunden“ steht. Die
Tagebucheinträge offenbaren eine tiefe Verzweiflung und sor­
gen dafür, dass das Buch dem Leser sehr zu Herzen geht –
zumal von Anfang an klar ist, dass es kein Happy End geben
wird. Anna schreibt über ihre seelische Not Sätze wie diese:
„Manchmal wünschte ich, sie würden mich schlagen. Denn
wenn man geschlagen wird, gucken die Leute hin! Nur wegen
ein paar gemeiner Worte oder böser Blicke greift niemand
ein. Wenn sie mich schlagen würden, dann hätte ich sicht­
bare Wunden … Aber ich habe keine blauen Flecken, keine
blutenden Kratzer, keine Beulen oder Platzwunden. Meine
Wunden sind tiefer. Und niemand bekommt es mit.“ Anna
ist eigentlich ein ganz normales, beliebtes Mädchen. Aber zu
Beginn des siebten Schuljahrs, als ein neues Mädchen in die
Klasse kommt, wird Anna plötzlich Opfer eines fiesen Macht­
spiels ihrer Klassenkameraden.
Aktionen der Mobber bleiben unentdeckt
Während der Leser das Tagebuch liest und rückblickend den
gesamten Mobbingverlauf durchlebt, wird ihm in einem zwei­
ten Erzählstrang zusätzlich geschildert, wie die Menschen
nach Annas Tod versuchen, mit der „Sache“ klarzukommen.
Da gibt es zum Beispiel einen Vater, der leider überhaupt nichts
Mutti erklärt
Mobbing
mitbekommen hatte, und es gibt eine völlig überforderte Klas­
senlehrerin, die sich von der Klasse instrumentalisieren und
auf die Seite der „Täter“ ziehen ließ. Gerade anhand der Figur
der Klassenlehrerin können Führungskräfte und Personaler ler­
nen, was (dem Mobbing in der Schule vergleichbar) beim in­
nerbetrieblichen Mobbing schiefläuft. Das Hauptproblem von
Lehrern wie Führungskräften besteht nämlich darin, dass sie
die vielen kleinen Nadelstiche, mit denen gemobbt wird, nicht
wahrnehmen. Während die Täter ihre Aktion planvoll vorbe­
reiten können, bleibt den Opfern nur die spontane Reaktion.
Das erste Grundgesetz des Mobbings lautet: Selbstverständlich
sieht es jeder, wenn das gequälte Opfer ausrastet, aber nie­
mand sieht die Provokation der Täter. Jeder Chef sollte sich
also fragen, wie beherrscht er bei einem wiederholten Angriff
auf seine Würde reagieren würde, bevor er über jemanden ur­
teilt, von dem andere sagen, er sei „irgendwie komisch“ und
müsse gefälligst versetzt oder entlassen werden.
Astrid Frank, 1966 in Düsseldorf geboren, studierte Germani­
stik, Biologie und Pädagogik. Im Jahr 1999 erschien ihr ers­
tes Kinderbuch, dem bislang 26 weitere folgten. Vor allem
mit realistischen Pferderomanen hat sich Frank einen Namen
als Autorin gemacht. Dass sie nun ein Buch über Mobbing
schrieb, hängt damit zusammen, dass sie als Mutter eines ge­
mobbten Kindes sehr viele Erfahrungen mit dem Thema ma­
chen musste, die sie emotional und gleichzeitig analytisch ver­
arbeiten wollte. Seit 2015 hält Frank Vorträge in Schulen über
Mobbing.
Das Buch „Unsicht-
bare Wunden“ analysiert
Mobbing an Schulen. Die
Erkenntnisse lassen sich auf
das Business übertragen.
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