wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
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Der Chef als Held
Der ehemalige McKinsey-Berater La-
loux, ein Belgier, war entsetzt über das
Ausmaß an Frustration, das er bei vie-
len Angestellten beobachten musste. Er
entwickelte ein alternatives Konzept der
Unternehmensführung. Eine entschei-
dende Rolle spielt dabei die Person an der
Spitze, die für ein neues Zeitalter (Ken
Wilber) bereit sein muss. Die Abhängig-
keit einer Firma von einer starken Füh-
rungsfigur ist für Organisationsentwickler
natürlich ein Graus – aber für ein „Rein-
venting“ unabdingbar.
Der Autor liefert ansonsten keine ge-
schlossene Organisationstheorie, aber
Gestaltungselemente: 1. Ein Unterneh-
men wird in kleine, autonome Teams zer-
legt, die sich gegenseitig abstimmen. Das
Mittelmanagement verschwindet schnell.
2. Es gibt neue Formen der Führung
(selbstgesteuertes Anreizsystem/Vertrau-
ensvorschuss statt Kontrolle/gründliche
Suche nach neuen Mitarbeitern). 3. Die
Konfliktbearbeitung (Mediation) wird
zur Schlüsselkompetenz. 4. Unterneh-
men sind keine Profitmaschinen, sondern
Systeme, die ihren Beitrag zum Wohl der
Gesellschaft leisten. Spannend sind die
Berichte aus Unternehmen, in denen das
alles offenbar schon klappt.
Ein Netzwerk als Turbo
Von den Organisationsformen, die wir auf
dieser Doppelseite vorstellen, hat „Alt-
meister“ John P. Kotter, Jahrgang 1947,
die harmloseste entworfen. Um sich dem
Druck der Märkte besser anpassen zu
können, schlägt Kotter jedem Unterneh-
men vor, neben der bestehenden Orga-
nisation, die sich um das Tagesgeschäft
kümmert, auch noch eine agile Netz-
werkorganisation aufzubauen. Diese soll
die Marktveränderungen beobachten und
Gegenmaßnahmen vorschlagen. Die be-
stehende Hierarchie und ihre Macht wird
nicht infrage gestellt!
Kotter vertraut auf die bereits vorhan-
dene Change-Management-Kompetenz
der Beschäftigten, von denen mindestens
etwa zehn Prozent gleichzeitig auch im
Netzwerk mitarbeiten sollten. Im Gegen-
satz zu den „alten“ abteilungsübergrei-
fenden Teams muss das Netzwerk mehr
auf Dauer ausgerichtet sein, strategischer
denken, agiler zusammenarbeiten und
darf nur aus „echten“ Freiwilligen beste-
hen. Interessant ist, dass Kotter acht „Be-
schleuniger“ identifiziert, die den Aufbau
eines parallelen Netzwerks voranbringen.
So kann man aus diesem Buch auch sehr
viel über „Triebkräfte“ in Unternehmen
lernen.
Verborgenes beachten
In ihrer neuen Reihe „Management kom-
pakt“, die auf sechs Bücher angelegt ist,
durchleuchten die Professoren Kühl und
Muster verschiedene Managementhemen
„organisationstheoretisch“. Im ersten
Band „Organisationen gestalten“ geht es
nicht nur um die bekannten Strukturele-
mente von Organisationen, sondern auch
um brandneue Erkenntnisse der beiden
Organisationssoziologen: In jeder Or-
ganisation gibt es Dinge, die man sieht
(die keine blinden Flecken sind). Sie sind
bekannt und trotzdem darf man über sie
nicht sprechen, ohne abgestraft zu wer-
den. Diese Verborgenheit (Latenz) ist
der Organisation offenbar sehr wichtig.
Andererseits können Dinge, die unbe-
sprechbar bleiben, einen Change-Prozess
ins Leere laufen lassen. Kühl und Muster
haben nun herausgefunden, dass solche
Latenzen nur in Einzelgesprächen und in
„kleinen Gesprächskreisen“ thematisiert
und bearbeitet werden können - am be-
sten bevor ein Change-Projekte startet.
Bislang hofften Berater, dass in Kick-off-
Veranstaltungen Latenzen zur Sprache
kämen. Kühl und Muster lehren Soziolo-
gie an den Universitäten Bielefeld bezie-
hungsweise Potsdam. Sie arbeiten auch
als Berater bei Metaplan in Quickborn.
Frederic Laloux:
Reinventing Organizations: Ein
Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender
Formen der Zusammenarbeit,
Verlag Franz Vahlen, München 2015,
356 Seiten, 39,80 Euro
John P. Kotter:
Accelerate: Strategischen
Herausforderungen schnell, agil und
kreativ begegnen,
Verlag Franz Vahlen, München 2015,
155 Seiten, 24,90 Euro
Stefan Kühl, Judith Muster:
Organisationen gestalten: Eine kurze
organisationstheoretisch informierte
Handreichung,
Verlag Springer VS, Wiesbaden,
Juni 2016, 80 Seiten, 9,99 Euro
