training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2015
R
halb, weil ich davon ausgehe, dass ein ge-
meinsames Nachdenken und Analysieren
uns eine Situation sensibler wahrnehmen
lässt. Veränderungen können nicht kom-
plett linear geplant werden, sondern müs-
sen in zyklischen Schritten immer wieder
überprüft und angepasst werden.
Mit lmpulskontrolle dauerhaft
dranbleiben
Der Weg zum Ziel ist manchmal zäh und
hart. Impulskontrolle hilft. Sie beginnt
bereits täglich bei den kleinen Dingen,
mit denen Menschen sich selbst un-
terbrechen und ablenken lassen. Die
Schreibtischarbeit ist für Impulskontrolle
ein hervorragendes Trainingsfeld. Viele
Menschen stöhnen über die ständigen
Unterbrechungen im Arbeitsalltag, wofür
meist andere oder das Umfeld verant-
wortlich gemacht werden. Diese Unter-
brechungen gehören zum Teil dazu, da
wir in der Regel in gegenseitigen Abhän-
gigkeiten zusammenarbeiten. Entschei-
dend ist aber, dass wir so viel Disziplin
aufbringen, nach einer Unterbrechung
den Fokus wieder auf die Erledigung der
einen Aufgabe zu richten. Geben Sie sich
abschließend – wenn die Aufgabe erledigt
ist – bewusst die positive Bestätigung:
„Geschafft“.
Impulskontrolle als Resilienzfaktor ist
auch relevant, wenn Sie an die Abend-
gestaltung denken. Oft genug gibt es
Situationen, wo Feiern mıt Freunden,
Filme schauen oder Ausgehen durch-
aus prickelnder wären, als früh ins Bett
zu gehen. Wenn am nächsten Tag je-
doch eine wichtige Konferenz, Verhand-
lung oder Präsentation beim Vorstand
anstünde, dann hätte das Ausgeschla-
fensein und die körperliche Fitness si-
cherlich Vorrang für eine erfolgreiche
Zielerreichung. Impulskontrolle steht
in enger Verbindung mit der Fähigkeit,
Bedürfnisse aufzuschieben. Kennen Sie
das Marshmallow-Experiment von Wal-
ter Mischel? Vierjährige Kinder bekamen
ein Marshmallow vorgelegt. Wenn sie 15
Minuten abwarteten, ohne es zu essen,
bekamen sie ein weiteres dazu. Mischel
wies nach, dass Kinder, denen dieser Be-
dürfnisaufschub gelang, rund zehn Jahre
später im schulischen und sozialen Be-
reich deutlich kompetenter abschnitten.
Verhalten ist das Resultat aus andauern-
den Kräften und Gegenkräften, von An-
trieb und Hemmung. Wenn Sie Ihre Lust
beziehungsweise Unlust steuern können,
dann haben Sie bereits ein hohes Maß an
Resilienz erreicht.
Schwierige Phasen in unserem Leben bis
hin zu Krisen sind völlig normal und ge-
hören dazu. Den vielen Alltagsstressoren
und auch den kritischen Lebensereignis-
sen und Brüchen im Lebensverlauf – pri-
vat und beruflich – können wir nicht aus
dem Weg gehen, Sie können sich jedoch
immer fragen, was ganz konkret Ihre Vi-
sionen sind, die Sie verwirklichen wollen.
Gibt es so etwas wie eine Berufung für
Sie, sodass Sie hoch motiviert sind, den
Weg dorthin zu beschreiten? Vor drei Jah-
ren begann ich mit einem Geschäftsführer
im Coaching zu arbeiten. Ausgangspunkt
war, dass sein CEO ihm empfahl, Unter-
stützung zur Klärung einiger Konflikte zu
suchen.
Schnell stellte sich heraus, dass er mit
seinen beruflichen Aufgaben eigentlich
unzufrieden war und sich deshalb auch
nicht mehr mit vollem Herzen einbrachte.
Als Ziele für das Coaching legte er fest:
Besseres Verstehen seiner Person und
Wirkung, Ideen für einen besseren Um-
gang mit seinen Führungskräften entwi-
ckeln, Sinn der eigenen Aufgaben und
Selbstmotivation klären. Das Ergebnis
seiner ersten Selbstklärungen war, dass er
formulierte: „Ich gehe in den Lead.“ Das
war seine Formulierung, um seinen An-
spruch auf Führung zu formulieren, um
sich zu motivieren und aktiv seine beiden
ersten Ziele anzugehen.
Wir vereinbarten, dass er mit verschie-
denen Verhaltensweisen experimentieren
und deren Wirkung reflektieren sollte.
Zudem klärte er seine Lebensmotive.
Dies führte dazu, dass er wieder mit vol-
ler Energie sein Tagesgeschäft gestaltete.
Und parallel dazu fing er an, über einen
Headhunter nach einer neuen Firma zu
suchen, um mittelfristig eine neue Auf-
gabe zu bekommen. Wichtig waren die-
sem Geschäftsführer bei allem, was er tat,
der Erfolg und die guten Beziehungen. In
seiner bisherigen Firma erntete er schnell
wieder positive Rückmeldungen, aber die
Suche nach einem neuen passenden Un-
ternehmen gestaltete sich zäh. Erst nach
der ersten Absage wurde ihm klar, was
er wirklich wollte. Einerseits suchte er
inhaltliche (Weiter-)Entwicklung: Seine
Aufgabe sollte mindestens in einem As-
pekt wirklich anders und neu sein. Die
Branche, in der er arbeiten würde, sollte
für ihn ethisch akzeptabel sein. Zudem
wollte er die Verantwortung für mehr
Cash und für das globale Geschäft. Sein
Reporting Level sollte also klar steigen.
Andererseits war ihm seine soziale Pas-
sung ganz wichtig.
Dafür prüfte er bei weiteren Bewerbun-
gen genau, wie dort die Leute „ticken“,
wie sie im Tagesgeschäft Strategie und
Unternehmenswerte umsetzen. Er wollte
ein klares Bild vom Unternehmensalltag,
um sagen zu können: „Ich will genau
das.“ Basierend auf dieser Klärung fuhr
er zu weiteren Bewerbungsgesprächen
stets mit umfassendem Fragenkatalog.
Er stellte sich auf seine Gesprächspart-
ner ein und nahm jedes Gespräch ernst.
Ein Jahr später hatte er seinen neuen Job
mit mehr Verantwortung inklusive der
Option, zum Vorstand aufzusteigen. Was
aber das Wichtigste war: Er freute sich
außerordentlich auf das neue Produkt,
das er höchst spannend fand.
Führungskräfte führen
zuerst sich selbst
Egal ob in der Rolle als Geschäftsführer
oder als Teamleiter, es geht immer darum,
dass Sie das anstreben, was Sie wirklich
tun wollen. Das muss kein „weiter auf
der Karriereleiter“ sein, sondern kann
auch bedeuten, die Führungsrolle zu ver-
lassen. Klären Sie, was Ihnen wirklich
wichtig ist und was Sie glücklich macht.
Kleine oder große Krisen oder Schick-
salsschläge können jedem von uns wi-
derfahren. Wenn Sie in einer solchen Si-
tuation mit Willpower – also mit voller
Kraft – etwas angehen und durchhalten,
wenn Sie zudem an Ihre Selbstwirksam-
keit glauben und sich mit Waypower auf
den Weg machen, dann wird Sie so leicht
nichts mehr umwerfen. Als Führungs-
kraft führen Sie zuerst sich selbst. Wenn
Sie sich klar entscheiden, was Ihr Weg
ist, dann werden Sie auch die richtigen
Entscheidungen für die Führung Ihrer
Mitarbeiter treffen und so Ihre Resilienz
grundsätzlich stärken.
Jutta Heller