wirtschaft + weiterbildung
11/12_2015
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Ich habe in einem früheren Beitrag über
die Arschloch-Theorie geschrieben (mehr
dazu lesen Sie in Ausgabe 02/2015),
der Beobachtung, dass Führungskräfte
auf dem Weg nach ganz oben nicht nur
einsam werden und beratungsresistent,
sondern sich auch häufig selbst über die
Regeln stellen.
Dieses Phänomen haben wir schon bei
einigen Unternehmensführern gesehen.
Passiert ist bisher aber wenig bis nichts.
Es wird sich daher zeigen, ob der Ab-
gasskandal von VW zu einem Umdenken
führt und Unternehmen Mechanismen
entwickeln wollen und können, um des-
potischen und pathologisch narziss-
tischen Menschen den Weg in die Top-
Etagen zu verbauen, bevor es zu spät ist.
Netzwerke und Seilschaften
entscheiden über Karrieren
Hier ist neben der Personalauswahl die
Personalentwicklung besonders gefragt.
Bei der Einstellung eines Managers ist es
einfach, über die Abprüfung seiner ethi-
schen und moralischen Einstellungen,
also in Summe seiner Persönlichkeits-
kompetenzen, diejenigen rauszufiltern,
die nicht über die nötige moralische Sta-
bilität verfügen – das ist übrigens eine
Aufgabe, bei der ich auch die Personalbe-
rater noch stärker als bisher in der Pflicht
sehe.
Bei Managern, die schon über Jahre im
Unternehmen sind, wird das Thema un-
gleich komplexer. Denn hier geben oft die
Netzwerke oder Seilschaften den Aus-
schlag für den Aufstieg – mit fatalen Fol-
gen, wenn an der Spitze ein charakterlich
ungeeigneter Führer steht. In dieser Kon-
stellation hat die Personalentwicklung so
gut wie keine Chance, eine Verbesserung
der Situation zu erreichen, denn der Fisch
stinkt bekanntlich zuerst am Kopf. Es
klingt hart, aber in diesen Konstellatio-
nen stehen selbst die besten HR-Manager
meist auf verlorenem Posten.
Anders sieht es aus, wenn die Unterneh-
mensleitung einen sauberen Besetzungs-
und Entwicklungsprozess ausdrücklich
unterstützt. In diesem Fall kann die Perso-
nalentwicklung über einen transparenten
Besetzungsprozess, die entsprechenden
eignungsdiagnostischen Instrumente und
vor allem über moderne Führungskräf-
teentwicklung auf dem Weg nach oben
einen wesentlichen Beitrag für die Füh-
rungshygiene des Unternehmens leisten.
Ethik und Moral als Teil der
Führungskräfteentwicklung
Ich habe in einem Führungstraining den
Lackmus-Test gemacht und den Mana-
gern fünf Fälle gegeben, die alle in Bezug
auf Werte, Moral und Ethik eindeutigen
Handlungsbedarf aufzeigten. Nur die
Hälfte der Manager erkannte jeweils, dass
hier etwas zum Himmel stank, die andere
Hälfte sah persönlich keinen Anlass zu
reagieren. Die Entwicklung der Kompe-
tenzen, die für ethisches und moralisches
Handeln wichtig sind, muss zurück in
die Curricula von Management und Lea-
dership. Einfach nur Compliance-Unter-
weisungen per Online-Test abzusichern
reicht ganz sicher nicht aus.
Noch an einer anderen Stelle ist der Fall
VW für die Personalentwicklung interes-
sant: Nach Medienberichten hat ein Tech-
niker schon früh auf den illegalen Einbau
jener Schadstoffregulierungssoftware
hingewiesen. Sein Ruf verhallte ungehört,
manche sagen, er hätte mit seinem Wis-
sen an die Öffentlichkeit gehen sollen.
Bis vor Kurzem habe ich über das sys-
tematische Anschwärzen, das wir neu-
deutsch „Whistleblowing“ nennen, noch
sehr negativ gedacht. Ich hielt es für mo-
ralisch fragwürdig, wenn sich Menschen
an Medien oder Öffentlichkeit wenden,
statt firmenintern für Aufklärung zu sor-
gen.
Mittlerweile hat sich mein Bild nach aus-
führlicher Beschäftigung mit dem Thema
geändert und ich sehe Whistleblowing als
logische Fortsetzung einer Kulturentwick-
lung, in der Personalabteilungen als Teil
des Problems gesehen werden, Betriebs-
räte nicht mehr das Vertrauen früherer
Belegschaften haben und Ombudsmän-
ner oder -frauen nicht stark genug gegen
unethisches Verhalten im Management
agieren können.
Wo das unmoralische System so stark
geworden ist, kann Whistleblowing zum
einzig möglichen Befreiungsschlag wer-
den. Mut und Zivilcourage sind die Eigen-
schaften, die der Whistleblower braucht.
Deshalb müssen auch diese Kompetenzen
von der Personalentwicklung in den Un-
ternehmen wieder stärker in den Blick ge-
nommen werden, denn auch dies könnte
die Unternehmens- und Führungskultur
auf lange Sicht nachhaltig verändern.
Wenn der tiefe Fall von VW also über-
haupt ein Gutes hat, dann die Chance zur
Erneuerung, nicht nur für den Automo-
bilkonzern, sondern zur Erneuerung der
Moral und der Kultur im Management.
Die Personalentwicklung kann hier einen
wesentlichen Beitrag leisten und sollte
ihre Instrumente auf dieses Feld stärker
ausrichten.
Oliver Maassen
Oliver Maassen
ist seit 2013
Geschäftsführer
der Pawlik Con-
sultants GmbH.
Zuvor war er unter anderem Bereichs-
vorstand und Personalchef der Uni
credit Bank. Er ist zudem Gründungs-
vorstand der Zukunftsallianz Arbeit
und Gesellschaft (ZAAG).
Pawlik Consultants
Zirkusweg 2, 20359 Hamburg
Tel. 040 532850-0
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