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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2015
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verlangt wird und können nicht, was von
ihnen verlangt wird. „Bad Slack“ entsteht
aus Koordinationsfehlern, aus Informa-
tionsdefiziten und uneffektiven Struk-
turen. „Good Slack“ unterstellt, dass die
Mitarbeiter über Umstellungsreserven
verfügen, die sie situationsgerecht zur
Erfüllung wechselnder Anforderungen
einsetzen. Würden Personen und Organi-
sationen keine überschüssige Qualifika-
tion aufbauen, wären Wettbewerbs- und
Beschäftigungsfähigkeit gleichermaßen
gefährdet. Es würde an Innovationsreser-
ven und an Umstellungsbefähigung feh-
len. Anpassungen an wechselnde Anfor-
derungen wären nicht oder nur verzögert
möglich. Die Arbeitswelt 4.0 realisiert mit
der Kombination von Information und
Qualifikation bedeutende Rationalisie-
rungsreserven. Allerdings ist diese Ver-
besserung der Wirtschaftlichkeit nur über
den Aufbau von „Good Slack“ möglich.
Systematische Entwicklungs-
beratung
Dabei handelt es sich um ein methodisch
teilstandardisiertes Personalentwick-
lungsinstrument zur zielgerichteten und
geplanten Analyse, Beratung und Unter-
stützung von Personen zur Verbesserung
der konkreten Handlungsbefähigung,
unter Berücksichtigung der persönlichen
Voraussetzungen und Ziele sowie realis-
tisch gegebener und zu erwartender Ent-
wicklungsmöglichkeiten.
Um in der fluiden Arbeitswelt 4.0 zu-
rechtzukommen, bedarf es der professio-
nellen Unterstützung in der persönlichen
und beruflichen Lebensplanung, der be-
ruflichen Entwicklung und der konkreten
Unterstützung zur Bewältigung der An-
forderungen am Arbeitsplatz. Die syste-
matische Entwicklungsberatung (SEB)
unterstützt Menschen in beruflichen
Entscheidungssituationen und begleitet
sie aktiv im beruflichen Arbeitsalltag. Die
SEB zielt auf:
• die Analyse der persönlichen Stärken
und Schwächen,
• die Analyse der organisatorischen Vo-
raussetzungen und der betrieblichen
Entwicklungsmöglichkeiten in dynami-
schen Organisationen,
• die Ableitung der individuellen Ent-
wicklungsplanung und
• die Berücksichtigung der persönlichen
und betrieblichen Rahmenbedingungen
für eine ausbalancierte berufliche und
persönliche Entwicklung.
Die SEB ist Grundlage für eine gezielte in-
dividualisierte Personalentwicklung und
leistet einen Beitrag zur Sicherung der
Fach- und Führungskräfte in Unterneh-
men und öffentlichen Verwaltungen.
Die Entwicklungsanalyse bildet die Basis
der SEB und ermöglicht eine zielgenaue,
systematische und interessengesteuerte
Beratungsleistung. Mit der Entwicklungs-
dokumentation werden Erfolg und Fort-
schritt und weiterer Entwicklungsbedarf
beschrieben. Mitarbeiter stärken ihre
Selbstwahrnehmung und ihre Selbstre-
gulationsbefähigung. Die SEB folgt als
Hilfe zur Selbsthilfe einem subsidiären
Beratungsverständnis, wonach Hilfe nur
gegeben werden darf, wenn diese nachge-
fragt wird. Kontextbezogen bedeutet dies,
dass ein Mitarbeiter dazu befähigt wer-
den soll, Entscheidungen zu treffen, diese
umzusetzen und bei Bedarf sein Verhal-
ten an neuen Anforderungen auszurich-
ten. Insgesamt kommt der individuellen
Förderung eine große Verantwortung für
die Erfüllung der organisatorischen An-
forderungen und der persönlichen Ziele
der Beschäftigten zu.
Organisationsentwicklung
unter neuen Voraussetzungen
Die Arbeitswelt 4.0 kann als Orchestrie-
rung der Informationen, Befähigungen
und Beziehungen beschrieben werden.
Das ist Aufgabe der Organisationsent-
wicklung. Sie wird verstanden als die
systemübergreifende integrierte Planung,
Steuerung und Nutzung von Strukturen,
Prozessen, Potenzialen und Beziehungen
zur Erzeugung vorher geplanter Leistun-
gen.
Für die Etablierung der Arbeitswelt 4.0 in
Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung
sind die erforderlichen Strukturen zu be-
stimmen und aufzubauen. Kennzeichen
der Aufbauorganisation in der Arbeits-
welt 4.0 sind dezentrale Aufgabenerledi-
gung, Aufgabensteuerung und Ad-hoc-
Variation der Verantwortung, Ausführung
und Qualitätssicherung.
Die Arbeitswelt 4.0 verlangt die von
Henry Mintzberg vorgeschlagene „Adho-
kratie“. Die These, wonach interner und
externer Druck durch Komplexität, Dyna-
mik und Unsicherheit hierarchische Or-
ganisationen in eher organische Ad-hoc-
Organisationen verändern, wird sich mit
der Implementierung in der Arbeitswelt
4.0 weiter bestätigen. Das ganzheitliche
systemische Geflecht der Beziehungen
bringt es mit sich, dass Veränderungen an
einer Stelle des Systems stets Auswirkun-
gen auf andere Elemente des Systems und
auf das Gesamtsystem haben. Variabilität
und Kontingenz der Strukturen, Prozesse,
Personen, Beziehungen nehmen zu.
Lernen und Arbeiten in
„Communities of Practice“
„Communities of Practice“ (CoP) sind
Lern- und Arbeitsgemeinschaften, deren
Charakteristika darin bestehen, dass sie
miteinander arbeiten, füreinander ein-
stehen, gemeinsam lernen, emotional
und intellektuell miteinander verbunden
sind, ihre Aktivitäten als Gemeinschaft
ausführen, gesamtschuldnerisch verant-
worten und die Erträge als Gemeinschaft
erzielen, wie Etienne Wenger in seinem
Aufsatz „Communities of practice and
social learning systems: The career of a
concept“ (siehe Literaturempfehlungen
auf Seite 28) beschreibt.
Vielleicht trifft das Beispiel einer Fall-
schirmspringergruppe, die gemeinsam
Formationssprünge absolviert, den Kern
der CoP am besten. Sie springen gemein-
sam, sind aufeinander angewiesen, ver-
antworten das Gelingen und das Wohler-
gehen der Mitglieder solidarisch, sind al-
Buchtipp.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus
dem Buch „Personalentwicklung 2016.
Themen, Trends, Best Practices“, das
gerade erschienen ist (Haufe Lexware
GmbH, Herausgeber: Karlheinz
Schwuchow, Joachim Gutmann).