wirtschaft und weiterbildung 06/2015 - page 28

Zeit
Schock
Verneinung
Einsicht
„Tal der Tränen“
Akzeptanz
Ausprobieren
Erkennen
Integration
Wahrgenommene
eigene Kompetenz
personal- und organisationsentwicklung
28
wirtschaft + weiterbildung
06_2015
ropa oder mieten Sie den Camper und
fahren über das Wochenende nach Hol-
land? Vermutlich entscheiden Sie sich in-
tuitiv für die zweite, die überschaubare
Variante, um das Risiko eines verpatzen
Urlaubs in Grenzen zu halten – schließ-
lich weiß noch keiner, ob die Idee in der
Umsetzung noch stimmig ist.
In den meisten Veränderungsprozessen
begeben sich die beteiligten Protago-
nisten auf weitaus unbekannteres Ter-
rain, als das die Urlauber tun. Bei der
Veränderung der Führungskultur oder
der Einführung einer neuartigen techni-
schen Lösung ist beim Start des Vorha-
bens schließlich nicht immer jede Facette
der Umsetzung und des Zielzustands
vorhersagbar. Häufig fordert die Unter-
nehmensführung bei aller Ungewissheit
vom Veränderungsmanager unternehme-
risches Handeln auf Basis vermeintlich
tragfähiger Berechnungen und Prognosen
für den besten Weg mit dem günstigs-
ten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Solange
Zahlen, Daten, Fakten nicht vorliegen,
werden Entscheidungen vertagt. Das
Vorhaben stockt und die Frustration der
Beteiligten steigt. Die Führungskraft aus
einer Organisation mit Entscheidungs-
lähmung sucht im Coaching daher nach
überzeugenden Wegen, um von der Un-
ternehmensführung den Startschuss zu
bekommen – selbst wenn nicht alles ab-
gesichert ist.
Eine zentrale Frage, die die Entschei-
dungsfindung erleichtert, kann daher
sein: Welche Mittel bin ich bereit für die
nächste, überschaubare Etappe einzuset-
zen – ohne befürchten zu müssen, damit
Kopf und Kragen zu riskieren? Selbst
durch das Betreten eines etwaigen Irr-
wegs sollte dann nach diesem Prinzip des
„leistbaren Verlusts“ kein großer Schaden
entstehen. Über die zeitlichen oder finan-
ziellen Ressourcen hinaus klärt die Füh-
rungskraft dafür auch, mit welchen Kom-
petenzen mögliche Unterstützer einen
sinnvollen Beitrag leisten können, um im
Projekt weiterzukommen. Dieses Vorge-
hen zielt darauf ab, in kurzen Abständen
und möglichst ressourcenschonend grif-
fige und aufeinander aufbauende Teiler-
gebnisse zu produzieren, statt nach dem
perfekten Rundumschlag zu streben.
Die Erkenntnis vieler Führungskräfte
ist vergleichbar mit dem Beispiel des
Wohnmobils: Durch das Vorgehen in
kleinen Schritten können nicht nur die
Unternehmensführer nach einer Etappe
anhand der vorliegenden Teilergebnisse
weiterführende Entscheidungen treffen.
Auch andere Beteiligte gewinnen bei der
Umsetzung – teils unverhofft hilfreiche –
Erkenntnisse, die sie in die Planung der
nächsten Wegstrecke einbringen können.
Die Umsetzung kann so nach und nach
fein justiert werden. Der Coach leistet
sowohl bei der Erarbeitung dieses Ent-
scheidungsprozederes als auch bei der
Auswertung der gemachten Erfahrungen
einen wertvollen Beitrag: Er regt an, den
Blick auf zunächst nicht augenfällige Res-
sourcen auszuweiten. Außerdem setzt er
den Fokus auf gelungene Aspekte – ganz
nach dem Motto „Was gut geklappt hat,
davon sollten wir mehr machen“. So wird
die Führungskraft auch in ihrer unterneh-
merischen Haltung gestärkt.
Veränderungsdynamik nutzen
Eine weitere Problemstellung im Coa-
ching: Ein Wandel im Unternehmen löst
nicht bei jedem gleichermaßen Begeiste-
rungsstürme aus – egal, ob die Initiative
aus der Führungsebene kommt, oder ob
sie einer Keimzelle der Mitarbeiterschaft
entspringt. Die Beteiligten begeben sich
auf eine Berg- und Talfahrt der wahrge-
nommenen Kompetenz und der Gefühle
und Stimmungen.
Im Leadership-Coaching hat die Füh-
rungskraft die Möglichkeit, mit Abstand
auf das Tun der Belegschaft zu schauen:
Wer befindet sich gerade im Tal der Trä-
nen, wer ist schon auf dem Weg, das
Neue für sich umzusetzen und wo verlo-
cken liebgewonnene alte Gewohnheiten
zu einem Rückfall in alte Verhaltensmus-
ter? Das Modell der Veränderungskurve
(siehe Grafik oben) gibt dem Verände-
rungsmanager Orientierung, in welcher
Phase sich die Mitarbeiter aktuell be-
finden und bietet gleichzeitig die Ent-
lastung, dass es normal ist, wenn nicht
gleich alles auf Anhieb funktioniert. Die
R
Antoinette
Beckert
ist Management-
Executive-Coach,
Change-Manage-
rin und Ingenieurin. Seit 2003 unter-
stützt sie Fach- und Führungskräfte in
technologieorientierten Unternehmen
bei der Umsetzung von Veränderungs-
und Innovationsprozessen.
Tel. 0177 7979536
AUTORIN
Die charakteristischen Phasen eines
Veränderungsprozesses
Prozess.
Die Veränderungskurve nach Richard K. Streich macht den
typischen Verlauf der Veränderungsdynamik deutlich. Die eigene
Kompetenz steigt erst langsam wieder, wenn Akzeptanz einsetzt.
Quelle: Change-Management für Dummies, Wiley 2010
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...70
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