titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
06_2015
lautete, dass zentrale Entscheidungen
im Unternehmen von allen Mitarbeitern
gemeinsam gefällt, dass Vorgesetzte von
ihren Mitarbeitern selbst gewählt und
bei mangelhafter Leistung von den Mit-
arbeitern auch wieder abgesetzt werden
sollten.
Demokratisierung als Effizi-
enzsteigerungsmechanismus
Beim „demokratischen Unternehmen“
handelt es sich um eine alte Idee. Der
Grundgedanke der Genossenschaften
war, dass ein Unternehmen, wenn es
schon nicht im Besitz der Nutzer seiner
Leistungen war, dann doch wenigstens
im Besitz seiner Mitarbeiter sein sollte.
Die Idee der selbst verwalteten Betriebe,
die im Zuge der Studentenrevolten in den
späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren
an Popularität gewonnen hatte, basierte
darauf, dass der Besitz von Kapital und
das Einbringen von Arbeitskraft bei
den gleichen Personen zusammenfallen
sollten.
Mit dieser Vorstellung, ein Gegenmodell
zum Kapitalismus zu etablieren, haben
die meisten Unternehmen, die sich heut-
zutage für ihre demokratischen Prin-
zipien preisen oder preisen lassen, jedoch
wenig zu tun. Im Gegenteil – der von
Beratern, Managern und Unternehmern
geführte Demokratisierungsdiskurs ist
ein Indiz für den von den Soziologen Luc
Boltanksi und Ève Chiapello konstatierten
„neuen Geist des Kapitalismus“. Vom Vo-
kabular her erinnern die Reden von Vor-
standsvorsitzenden an die Rhetorik der
revolutionären Befreiungsbewegungen
des vorigen Jahrhunderts. Viele als mo-
dern geltende Instrumente der Personal-
entwicklung sind in der Studentenbewe-
gung entwickelt worden und die Ästhetik
so mancher Kampagne zur Mitarbeiter-
motivation hätte auch von einer marxisti-
schen Partei stammen können. Allen Ab-
gesängen zum Trotz hat der Kapitalismus
eine beachtliche Fähigkeit entwickelt, die
gegen ihn gerichtete Kritik aufzugreifen
und ins Produktive zu wenden. Dabei
gilt: „Die neue Organisationsform muss
sich rechnen“.
Der Grundgedanke der Vertreter einer
demokratischen Unternehmung ist fol-
gender: Mitarbeiter sollten nicht mehr
ausschließlich über finanzielle Anreize
motiviert werden, sondern stattdessen
sollten sie über demokratische Einbin-
dung dazu gebracht werden, sich ver-
stärkt mit „ihrem“ Unternehmen und
mit „ihren“ Produkten zu identifizieren.
Gerade die sogenannten demokratischen
Vorreiterunternehmen verkünden, dass
Geld allein nicht motiviere, sondern dass
ein gutes Arbeitsklima und eine Identi-
fikation der Mitarbeiter mit den Prozes-
sen wichtig seien. Mitarbeiter sollten
begreifen, dass es richtig Spaß machen
könne, in Selbstorganisation Software zu
programmieren, Qualitätswaagen herzu-
stellen oder Fertigbackmischungen zu
verkaufen.
Die Identifikation der Mitarbeiter mit
Märkten, Produkten und Prozessen solle
die Innovationsfähigkeit steigern. Es
herrscht die Überzeugung, dass Mitarbei-
ter, die sich mit Produkten und Prozessen
identifizierten, ein Eigeninteresse hätten,
diese so zu gestalten, dass sie möglichst
effizient und innovativ seien. Organisa-
tionswandel zum Besseren stelle sich, so
die Hoffnung, automatisch ein, wenn nur
die Identifikation der Mitarbeiter ausrei-
chend stark sei. Mit visionärer Begeiste-
rung wird im Management die Geschichte
04.
Wie können Manager die
Dienstleister oder Coachs ihrer
Mitarbeiter sein?
05.
Welche Mittel haben die
Eigentümer, um sich im Not-
fall gegen alle
durchzusetzen?
06.
Was können wir von
basisdemokratischen Gruppen
aus der Politik lernen?
R
Die Vorstellung, dass Unternehmen
nach den Prinzipien einer Demokratie
organisiert sein sollten, wird regelmäßig
alle zehn bis fünfzehn Jahre ins Spiel
gebracht. Bereits Ende der 1970er-Jahre
propagierte der US-amerikanische Zu-
kunftsforscher Alvin Toffler das Konzept
der „flexiblen Firma“, das eine stärkere
Beteiligung der Mitarbeiter forderte. Dann
verkündeten Managementberater Anfang
der 1990er-Jahre im Rahmen der Lean-
Management- und Business-Process-Re-
engineering-Wellen die „Zerstörung der
Hierarchie“ in den Unternehmen. Zum
Ende des vorigen Jahrhunderts schließ-
lich propagierten die Internet-Start-ups
im Rahmen der New Economy demo-
kratische Organisationsformen als ihr
Erfolgsgeheimnis, bis das Zusammen-
brechen des Risikokapitalmarktes die
so euphorischen Unternehmensgründer
verstummen ließ. Jetzt werden ähnliche
Organisationskonzepte unter Begriffen
wie „demokratisches Unternehmen“,
„holokratische Organisation“ oder „agile
Unternehmung“ wieder in die Diskussion
gebracht.
Die Forderung nach einer Demokratisie-
rung von Unternehmen hat eine spontane
Plausibilität. Schon der Soziologe Ulrich
Beck klagte, dass in modernen Staaten le-
diglich eine „halbe Demokratie“ existiere.
Es seien zwar weite Teile der Gesellschaft
„enthierarchisiert“ worden, aber die Or-
ganisationen in der Wirtschaft seien de-
mokratiefreie, hierarchisch strukturierte
Gebilde geblieben. Es sei, so Beck, er-
klärungsbedürftig, dass zwar die Bürger
eines Staates ihre Regierung wählen dürf-
ten, die Mitarbeiter eines Unternehmens
aber mit den von oben bestimmten Vor-
gesetzen vorliebnehmen sollten. Die For-
derung angesichts des Demokratiedefizits