wirtschaft und weiterbildung 06/2015 - page 27

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wirtschaft + weiterbildung
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terstützersystem zusätzlich zu aktivieren
gilt. „Wir haben im Coaching mehrfach
beleuchtet, wo bei zentralen Personen
welcher Leidensdruck war und welche
Interessen sich damit verbanden“, sagt
Marcel Meier, der als Teammanager bei
Portalsystems die Aufgabe hatte, die Wirt-
schaftlichkeit der IT-Projekte erheblich zu
steigern. „Da waren: Die Geschäftsfüh-
rung mit dem Ansinnen, die wirtschaft-
liche Stabilität parallel zum Unterneh-
menswachstum zu erhöhen. Die Perso-
nalentwicklung mit der Anforderung, den
Mitarbeitern eine nah an den operativen
Bedarfen ausgerichtete Weiterentwick-
lung zu ermöglichen. Den Vertrieb, der
eine höhere Kalkulationssicherheit in der
Angebotsphase brauchte.“
Der erste Schritt im Coaching ist die Sen-
sibilisierung der Führungskraft, dass ein
Unterstützersystem persönliche Stärkung
und Schubkraft für den Veränderungspro-
zess bringt. Im zweiten Schritt wird das
bestehende Kräfteverhältnis zwischen
den Protagonisten durchleuchtet. Dabei
wird analysiert, worin ein motivierender
Nutzen liegen könnte, wenn sie sich mit
ihren Stärken, Erfahrungen und Befug-
nissen einbringen. Erst danach werden
Vier-Augen- oder Teamgespräche mit
Vorgesetzten oder Kollegen so vorberei-
tet, dass auch kritische Themen, indivi-
duelle Befürchtungen und Wünsche an-
gesprochen werden können. „Ich bin mit
großer Klarheit in die Gespräche mit den
Kollegen gegangen, konnte Anforderun-
gen schneller auf den Punkt bringen und
Zusammenhänge erklären. Das hat jedem
geholfen einzuschätzen, wo welche hel-
fende Hand gebraucht wird“, sagt Meier.
Das Feld abstecken
Ein weiterer Veränderungsmanager, der
in einem Luftfahrtunternehmen die Ein-
führung einer neuen Software und damit
tiefgreifende Änderungen in der Orga-
nisation verantwortet, beschreibt sein
Anliegen im Coaching so: „Die Kollegen
und ich brauchen Orientierung, in wel-
chen Schritten das neue Steuerungssys-
tem entwickelt und eingeführt wird. Vor
allem, um die notwendigen Aktivitäten
neben dem Tagesgeschehen einbauen zu
können.“
Die Aufgabe des Veränderungsmanagers
ist, die geeignete Architektur für das
Change-Projekt zu finden. Diese dient als
Vorgehensskizze und bildet die Grund-
lage für die Steuerung und Kommunika-
tion im Unternehmen. Sie setzt den Rah-
men für eigenverantwortlich arbeitende
Teilteams. Die Kunst dabei ist, mit we-
sentlichen Eckpunkten Orientierung zu
geben und zugleich genügend Freiräume
zu lassen, um auf Unvorhergesehenes
reagieren zu können: Zu viel am Anfang
festzuzurren lähmt, und stellt bei ersten
Zeitüberschreitungen schnell das ganze
Vorhaben infrage. Zu wenig Eckpfeiler
schüren Unsicherheit: Wo soll es eigent-
lich hingehen? Welcher Einsatz wird von
mir erwartet? Das sind Fragen, die die
Betroffenen berechtigterweise stellen –
bevor sie etwas tun.
Um das geeignete Vorgehen mit ausge-
wählten Personen wie beispielsweise
dem Kernteam zu entwickeln, braucht
der Veränderungsmanager bereits ein gro-
bes inneres Bild der Architektur, das den
Einstieg in den gemeinsamen Klärungs-
und Planungsprozess mit betroffenen An-
spruchsgruppen ermöglicht. Im Coaching
bedeutet das ein Ausbalancieren von
zwei Aspekten:
• Die wesentlichen Eckpunkte des Verän-
derungsprozesses umreißen: Wer ist von
dem Projekt betroffen, wie einschneidend
werden die Veränderungen sein und wel-
cher Zeitdruck herrscht? Häufig klam-
mern Verantwortliche indirekt betroffene
Funktionsbereiche im Unternehmen zu-
nächst gedanklich aus oder unterschät-
zen den zeitlichen Aufwand für einzelne
Maßnahmen, sodass die Umsetzungsge-
schwindigkeit zu sportlich angesetzt ist.
Ist diese Falle enttarnt, ist das der erste
Schritt hin zu einer realistischen Ein-
schätzung.
• Typische Elemente einer Veränderungs-
architektur skizzieren: Wie agil, also an-
passungsfähig und beweglich, sollte das
Vorgehen sein? Welche unveränderba-
ren Randbedingungen sind im Blick zu
behalten? Welche kurzfristigen Erfolge
können erreicht werden, damit sie für die
Mitarbeiter schnell spürbar sind? Anhand
dieser Fragen skizziert die Führungskraft
den Umsetzungsweg. Zugleich verschafft
sie sich darüber Klarheit, in welcher
Weise sie das Team und andere zentrale
Personen in die Planung und Steuerung
einbeziehen sollte. Sie entscheidet bei-
spielsweise, das Kernteam bei kurzen
„Stand-ups“ planerisch zu beteiligen,
um eine hohe Akzeptanz im Vorgehen zu
erreichen: Etappenweise erzielte Erfolge
werden gewürdigt, Fehlschläge ausge-
wertet, neue Teilziele gemeinsam gesetzt.
Auch über Kurskorrekturen wird im Team
entschieden – und zwar auf Grundlage
der geteilten Erfahrungen.
Entscheidungen ermöglichen
Machen wir einmal ein Gedankenexperi-
ment, um eine weitere Problemstellung
im Coaching zu erläutern: Als bisher
überzeugter Hotel-Urlauber überlegen
Sie, mit Ihrer Familie auf das Wohnmo-
bil umzusteigen. Was tun Sie? Kaufen
Sie entweder einen Camper und starten
damit eine dreimonatige Tour durch Eu-
Change-Prozess.
Veränderungs-
manager müssen Mitarbeiter
durch den Wandel führen. Sie
selbst können sich von einem
Coach begleiten lassen.
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