personalmagazin 2/2016 - page 63

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RECHT
_DIGITALISIERUNG
02/16 personalmagazin
E
ine deutlich zu erkennende Folge der Digitalisierung
von Arbeit ist, dass die Arbeitsbedingungen „Arbeits-
zeit und Arbeitsort“ ihre Begrenzung verlieren. Durch
den Einsatz von mobilen Kommunikationsmitteln wie
Smartphones oder Tablets ist die ständige Erreichbarkeit für
Kunden und Kollegen gewährleistet. Das Abspeichern von Infor-
mationen und Daten auf einer Computer-Cloud ermöglicht
den Zugriff zu jeder Zeit und von jedem Ort der Welt
auf intellektuelle Betriebsmittel. Ort und Zeit
als wesentliche Bedingungen der Arbeits-
leistung verlieren an Kontur, dadurch
verändern sich klassische Arbeitsfor-
men. Dieser Wandel erhöht die Her-
ausforderungen an Arbeitgeber, die
gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
So erschwert die ständige Er-
reichbarkeit von Arbeitnehmern
den Arbeitgebern, das Arbeits-
zeitgesetz einzuhalten und diese
Einhaltung zu überwachen. Die
Möglichkeit, den Arbeitsort ohne Pro-
duktivitätsverlust beliebig zu verlegen,
eröffnet zudem Fragen nach der Verant-
wortlichkeit der Arbeitgeber für die Arbeitssi-
cherheit und den Arbeitsschutz. Mit der Freigabe
des Arbeitsorts entgrenzt sich der Betrieb als räumlichen
Bestimmungspunkt der Betriebsverfassung, was zu Unschär-
fen bei der Bestimmung der Regelungsbefugnis und den Mit-
bestimmungsrechten des Betriebsrats führen kann.
Arbeitgeber begegnen dieser Entgrenzung von Arbeitsort
und -zeit mit unterschiedlichen Maßnahmen. Einige gewähren
tendenziell seltener Homeoffice-Arbeit und manche Unterneh-
men widerrufen die in der Vergangenheit gewährte Nutzung des
Homeoffice. Oder sie verpflichten zu Bürotagen. Hierbei spielen
zwei Argumente eine Rolle: einerseits die unternehmerisch wich-
tige innerbetriebliche Kommunikation und andererseits die Sor-
ge, dass das Homeoffice den Arbeitssicherheitsbestimmungen
nicht genügt und der Arbeitgeber dies nicht überprüfen kann.
Von
Manteo Eisenlohr
Andere Arbeitgeber stellen „nach Feierabend“ die Kommuni-
kationsnetzwerke ab, um die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer
außerhalb der Arbeitszeit zu unterbinden und so die Arbeitszeit
quasi mit technischen Mitteln zu beenden: E-Mails werden an
Smartphones oder Tablets einfach nicht weitergeleitet.
Derartige Maßnahmen können indes nicht alle Arbeitgeber er-
greifen, gerade wenn Arbeitnehmer global und über Zeitzonen
hinweg tätig werden müssen oder wenn vertragliche Ansprü-
che bestehen, von zu Hause aus zu arbeiten. Daher fordern
Arbeitgeberverbände, die Arbeitszeitregelungen
zu flexibilisieren und von der täglichen zur
ausschließlich wöchentlichen festgelegten
maximalen Arbeitszeit zu wechseln – um
persönliche und berufliche Interessen
besser zu vereinbaren.
Auf die Herausforderungen kön-
nen Arbeitgeber jedoch mit bereits
bestehenden rechtlichen Mitteln
reagieren. So schaffen Arbeitszeit-
konten im Zusammenhang mit Ver-
trauensarbeitszeit den Rahmen für
eine Flexibilisierung – trotz gesetz-
lich und vertraglich geltender Arbeits-
zeitregeln. Hier unterstützen digitale
Arbeitszeiterfassungssysteme, in denen
Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit dezentral und
nach Anfall erfassen können. Die regelmäßige und
automatisierte Überprüfung der digital erfassten Arbeits-
zeit schafft die Voraussetzung, rechtliche Vorgaben einzuhalten.
Unternehmen können interne Verfahrensregelungen anpassen
und digitale Kommunikationsformen nutzen, damit diese dem
Bedarf an Flexibilität entsprechen. Ergreifen Unternehmen der-
artige rechtliche Lösungen – auch gemeinsam mit dem Betriebs-
rat – können sie der Entgrenzung Schranken setzen.
KOLUMNE.
Die zeitliche und örtliche Entgrenzung schafft neue Herausforderungen für
HR. Sie können jedoch im bereits bestehenden rechtlichen Rahmen bewältigt werden.
Grenzenlos digital
DR. MANTEO EISENLOHR,
Rechtsanwalt und Part-
ner bei Greenberg Traurig Germany, LLP, kommentiert
an dieser Stelle monatlich aktuelle Entwicklungen in
der digitalen Arbeitswelt.
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