personalmagazin 2/2016 - page 66

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RECHT
_MINDESTLOHN
personalmagazin 02/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
FLORIAN BRANDL
ist
Rechtsanwalt, Partner und
Head of Global Immigration
Germany bei EY in Eschborn.
JAN WERNER
ist Rechts­
anwalt und Senior Associate
bei EY in Eschborn.
stigen Zulagen und Zuschläge, die eine
vertraglich nicht geschuldete Zusatzlei­
stung ausgleichen.
Mindestlohn: Anrechenbare Leistung
Üblicherweise anrechenbar sind das
Grundgehalt aus dem Heimatland sowie
Zahlungen, insbesondere Tagegeldzula­
gen, die garantiert, ohne Zweckbindung
und ohne Vorbehalt monatlich an den
Arbeitnehmer zur freien Verfügung aus­
gezahlt werden. Auf die Bezeichnung
(zum Beispiel „Mobility Allowance“)
kommt es dabei nicht an, sondern allein
auf die praktische Umsetzung. Soweit
Zulagen für Unterkunft, Verpflegung
und Reise nicht separat ausgewiesen
werden, kann allerdings ein entspre­
chender Abzug dieser Posten vom Ta­
gegeld erfolgen. Der Zoll möchte, soweit
existent, vorrangig gesetzliche Regelun­
gen des Heimatlands zur Zusammenset­
zung des Tagegelds anwenden. Wegen
des Aufwands wird dies praktisch kaum
relevant sein. In jedem Fall sind jedoch
die Mindestbeträge nach der Sozialver­
sicherungsentgeltverordnung (SvEV)
abzuziehen. Für 2016 also 223 Euro (Un­
terkunft) und 236 Euro (Verpflegung).
Nicht nachvollziehbar ist die Unter­
scheidung der Zollverwaltung in Ge­
samtgehalt ohne zusätzliches Tagegeld
und Arbeitsentgelt mit Tagegeld. Nur im
ersten Fall sollen immer die Mindestbe­
träge nach SvEV abgezogen werden. In
der zweiten Variante käme es primär
auf die tatsächlichen Ausgaben für Un­
terkunft und Verpflegung an. Nur wenn
diese nicht zu ermitteln sind, würde die
SvEV berücksichtigt. Das würde dazu
führen, dass bei hohen Kosten für Un­
terkunft und Verpflegung von dem Ta­
gegeld nur ein Minimalbetrag oder gar
nichts mehr angerechnet werden kann.
Die Anrechnung von Einmalzahlungen
(Weihnachtsgeld, tarifliche Einmalzah­
lungen: EuGH Isbir, C-522/12, 7.11.2013)
ist grundsätzlich möglich, allerdings nur
für den Fälligkeitszeitraum. Der Min­
destlohn muss spätestens am letzten
Bankarbeitstag des Monats in Frankfurt
amMain, der auf den Monat folgt, in dem
die Arbeitsleistung erbracht wurde, ge­
zahlt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
MiLoG). Für die Vergangenheit ist somit
eine Anrechnung höchstens bis zumMo­
nat vor der Zahlung möglich.
Kurzfristiger Aufenthalt
Der Mindestlohn gilt grundsätzlich vom
ersten Tag des Aufenthalts in Deutsch­
land. Ausnahmen sind in § 22 MiLoG
geregelt. Eine zeitliche Untergrenze hat
der Gesetzgeber aber nicht vorgesehen:
Sehr kurze Aufenthaltszeiten hat er
wohl schlichtweg übersehen.
Im Mai 2015 hat die EU-Kommission
deswegen ein Vertragsverletzungsver­
fahren gegen Deutschland eingeleitet:
DerMindestlohn für Lkw-Fahrer imTran­
sit sei „eine unverhältnismäßige Ein­
schränkung der Dienstleistungsfreiheit
und des freien Warenverkehrs“. Nach
der aktuellen Rechtslage besteht auch
für Geschäftsreisende eine Verpflich­
tung des ausländischen Arbeitgebers,
den deutschen Mindestlohn zu zahlen.
Die Zwecke des MiLoG (Existenzsiche­
rung und Entlastung der Sozialversiche­
rungssysteme) sind in den genannten
Konstellationen aber nicht relevant.
Hier bedarf es einer schnellen Reaktion
des Gesetzgebers, um Klarheit und eine
praktikable Anwendung zu schaffen. In
der Literatur wird zumBeispiel erwogen,
eine Grenze von acht Tagen am Stück an­
zuwenden, basierend auf § 6 Abs. 1 Satz
1 des Arbeitnehmerentsendegesetzes.
Unabhängig davon, ob der Gesetzge­
ber nachbessert: Hauptsächlich zustän­
dig für die Kontrolle des Mindestlohnes
ist der Zoll. Im Rahmen der Arbeitsge­
nehmigungsverfahren kann eine Über­
prüfung aber auch vorab durch die ZAV
erfolgen, nach § 15 MiLoG, § 2 Abs. 2
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.
Welche Leistungen sind auf den Mindestlohn anzurechnen? Die Antwort dieser Frage
eröffnet die Möglichkeit, im Vorfeld eine Entsendung entsprechend zu gestalten.
Es ist für Entsendungen zu empfehlen, Verpflegungs- und Unterkunftszulagen separat
von den Tagegeldzulagen auszuweisen. So ist sichergestellt, dass auch Tagegeldzulagen
voll angerechnet werden. Idealerweise sollte es eine Klarstellung geben, dass das Tage­
geld in einer bestimmten Höhe dem Ausgleich der Differenz zum Mindestlohn dient.
Entscheidend ist das Bruttogehalt. Soweit einzelne Zulagen als Nettolohnzusage ver­
einbart sind, empfiehlt es sich, vorab eine Bruttolohnberechnung durchzuführen, um
den Behörden die relevanten Beträge so genau wie möglich mitteilen zu können. Bei
Budgets sollte auch ein Mindestbetrag vereinbart werden, der auf jeden Fall gezahlt
werden wird – dieser kann dann beim Gehalt angerechnet werden.
Einmalzahlungen sollten dagegen vermieden werden. Eine rückwirkende Anrechnung
ist maximal für den Vormonat möglich. Darüber hinaus ist es strittig, ob Vorschusszah­
lungen anrechenbar sind. Dies wäre wohl zu bejahen, da die Zahlung ja tatsächlich vor
Fälligkeit erfolgt. Eine Anrechenbarkeit wäre aber nur möglich, wenn die Zahlung auch
unwiderruflich ist. Das wird oft fraglich sein, da sich der Arbeitgeber meist vorbehält,
den Vorschuss zumindest teilweise zurückzufordern, falls die Entsendung vorzeitig been­
det wird. Sollte ein Vorschuss notwendig sein, ist es empfehlenswert diesen minimal zu
halten und ansonsten Lohnbestandteile monatlich auszuzahlen.
So können Sie die Entsendung gestalten
EMPFEHLUNG
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