PERSONALquarterly 2/2018 - page 19

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02/18 PERSONALquarterly
lenkbarkeit aus der Mitte des Großraumbüros weg an einen
ruhigen Einzelarbeitsplatz am Rand setzen)
2. Fähigkeiten-Trainings (z.B. soziales Kompetenztraining,
Konzentrationstraining)
In jedem Fall müssen solche Maßnahmen im Sinne des Person-
Role-Fit bzw. Person-Job-Fit (French, 1973) auf den Einzelfall
zugeschnitten und mit dem Betriebsarzt abgestimmt sein.
Sind Arbeitsängste behandelbar?
Aufbauend auf einer mehrjährigen grundlegenden Forschung
zur Diagnostik der Arbeitsängste und der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit von Betroffenen wurde in den Jahren 2012
bis 2014 erstmalig ein Behandlungskonzept für Arbeitsängste
evaluiert (Muschalla et al., 2014). In einer Rehaklinik wur­
de ein Gruppenprogramm für Menschen mit Arbeitsängsten
auf seine Effekte hin untersucht. Ziel war es, mittels vier ver­
haltenstherapeutischer Sitzungen die arbeitsbezogenen Be­
wältigungsfähigkeiten zu fördern. Es wurde geprüft, ob die
bewältigungsorientierte „Arbeits-Coping-Gruppe“ (vgl. Abb.
3) zu einer kürzeren Arbeitsunfähigkeitsdauer nach der drei­
wöchigen Rehabilitation führt als eine ablenkungsorientierte
„Freizeitgruppe“.
345 Patienten mit Arbeitsängsten wurden im Zufallsverfah­
ren auf die beiden Gruppenangebote verteilt.
Besonders Patienten mit alleinigen Arbeitsängsten (ohne
psychische Grunderkrankung) profitierten von der Arbeits-
Coping-Gruppe. Sie hatten eine kürzere Arbeitsunfähigkeits­
dauer nach der Rehabilitation (elf Wochen) im Vergleich zu
Teilnehmern der Freizeitgruppe (16 Wochen). Bei Patienten,
die Arbeitsängste und eine chronische psychische Grund­
erkrankung hatten (und die somit schwerer beeinträchtigt
waren), kam es nicht zu einer Verkürzung der Arbeitsunfä­
higkeitsdauer. Jedoch half die Arbeits-Coping-Gruppe, einem
Coping-Verlust entgegenzuwirken.
Die Ergebnisse unterstreichen, dass ein gezieltes und früh­
zeitiges Ansprechen von Arbeitsproblemen ein wichtiger
Schritt ist, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen (Nash-
Wright, 2011). Arbeitsängste dürfen nicht unentdeckt und un­
angesprochen bleiben, da sie sonst die Tendenz haben sich
auszuweiten. Es kommt dann nicht selten zu langandauernder
Arbeitsunfähigkeit und die Wahrscheinlichkeit der Rückkehr
an den Arbeitsplatz sinkt.
Zukünftige Forschung sollte überprüfen, ob dieses Grup­
penprogramm bspw. in größeren Unternehmen im Rahmen
der Angebote der Betrieblichen Gesundheitsförderung nützlich
sein kann. In manchen Betrieben existieren auch psychosoma­
tische Sprechstunden. Diese haben u.a. zum Ziel, gefährdete
Mitarbeiter frühzeitig zu beraten und Arbeitsunfähigkeiten zu
vermeiden (Rothermund/Gündel/Rottler/Hölzer/Mayer/Rie­
ger/Kilian, 2016).
8. Selbstbehauptungsfähigkeit
Fähigkeit, in sozialen Kontakten oder auch Konfliktsituationen ohne
beeinträchtigende Befangenheit bestehen und für seine Überzeugungen
einstehen zu können, ohne dabei soziale Normen zu verletzen.
9. Konversation und Kontaktfähigkeit zu Dritten
Fähigkeit, unmittelbare informelle soziale Kontakte mit anderen Kollegen,
Vorgesetzten, potenziellen Kunden o.Ä. aufnehmen zu können, Dazu gehört
auch Rücksichtnahme, Wertschätzung des Gegenübers, die Fähigkeit,
Gespräche zu beginnen und zu beenden und unverbindlich zu kommunizie­
ren (freundlicher Smalltalk).
10. Gruppenfähigkeit
Fähigkeit, sich in Gruppen einzufügen, die expliziten oder informellen
Regeln der Gruppe zu durchschauen und sich darauf einstellen zu können.
Dazu gehören Kleingruppen wie das Arbeitsteam oder Großgruppen wie
die Firma, eine politische Gruppierung oder die Kirche.
11. Fähigkeit zu dyadischen Beziehungen
Fähigkeit, vertrauensvolle Arbeitsbeziehungen zu einzelnen Arbeitspart­
nern aufzubauen und aufrechterhalten zu können.
12. Selbstpflege und Selbstversorgung
Fähigkeit, zur Selbstpflege und -versorgung, also die Fähigkeit, sich
zu pflegen, sich dem Anlass oder der Betriebskultur entsprechend
zu kleiden, sich adäquat zu ernähren, auf Erholung zu achten, die
gesundheitlichen Bedürfnisse seines Körpers wahrzunehmen und darauf
angemessen zu reagieren.
13. Mobilität und Verkehrsfähigkeit
Fähigkeit, sich zu bewegen, an verschiedene Arbeitsorte zu gelangen, sich
in verschiedene Situationen zu begeben und übliche Transportmittel wie
Auto, Bus oder Flugzeug zu benutzen.
Beeinträchtigungsstufen
Etwaige Fähigkeitsbeeinträchtigungen werden vom trainierten Untersucher auf
ihre Schwere hin eingestuft. Dabei gelten die folgenden Abstufungen:
0. Keine Beeinträchtigung: Der Proband entspricht den Normerwartungen.
1. Leichte Beeinträchtigung: Der Proband hat leichtere Schwierigkeiten, die
erforderlichen Aktivitäten auszuüben, es gibt aber keine wesentlichen
negativen Konsequenzen (z.B. Fehler) und die Beeinträchtigungen fallen
Personen im Umfeld (z.B. Kollegen, Vorgesetzten) nicht auf.
2. Mäßige Beeinträchtigung: Der Proband hat deutliche Probleme, die erfor­
derlichen Aktivitäten auszuüben, mit negativen Konsequenzen für ihn selbst
oder andere.
3. Erhebliche Beeinträchtigung: Der Proband kann Rollenerwartungen in
wesentlichen Teilen nicht mehr gerecht werden, er benötigt teilweise
Unterstützung von Dritten.
4. Volle Beeinträchtigung: Der Proband ist nicht in der Lage, die erforderlichen
Aktivitäten auszuüben, er muss entpflichtet werden. Die Aktivitäten werden
durch Dritte übernommen.
Quelle: modifiziert nach Linden et al., 2015
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