PERSONALquarterly 2/2018 - page 17

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02/18 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Psychische Erkrankungen sind Volkskrankheiten. In jedem Unternehmen
sind Mitarbeiter betroffen. Arbeit „macht“ nicht krank, jedoch haben Menschen mit psychi­
schen Erkrankungen oder Arbeitsängsten u.U. Schwierigkeiten mit Anforderungen. Welche
Arbeitsfähigkeitsbeeinträchtigungen werden beobachtbar?
Methodik:
Untersuchung der Arbeitsfähigkeit von Personen mit Arbeitsängsten
Praktische Implikationen:
Führungskräfte sollen keine psychischen Erkrankungen diag­
nostizieren. Sie können die Anforderungs-Fähigkeits-Passung prüfen und ggf. korrigieren,
wenn Mitarbeiter Leistungsprobleme zeigen.
Abb. 1:
Fähigkeitsdimensionen nach Mini-ICF-APP
und Beeinträchtigungsstufen
1. Anpassung an Regeln und Routinen
Fähigkeit, sich an Regeln zu halten, Termine verabredungsgemäß wahr­
zunehmen und sich in Organisationsabläufe einzufügen. Dies beinhaltet
bspw. die Erfüllung von täglichen Routineabläufen, Einhalten von Verabre­
dungen, pünktliches Erscheinen, Einhaltung von Verfahrensvorschriften.
2. Planung und Strukturierung von Aufgaben
Fähigkeit, den Tag und/oder anstehende Aufgaben zu planen und zu
strukturieren, d.h. angemessene Zeit für Aktivitäten (z.B. Korrespondenz,
Wochenplanung, Veranstaltungsorganisation, Produktionsablauf) aufzuwen­
den, die Reihenfolge der Arbeitsabläufe sinnvoll zu strukturieren, diese wie
geplant durchzuführen und zu beenden.
3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit
Fähigkeit, sich im Verhalten, Denken und Erleben wechselnden Situationen
anzupassen, d.h. je nach Situation und Anforderung unterschiedliche
Verhaltensweisen zu zeigen. Dies kann Veränderungen in den Arbeitsanfor­
derungen, kurzfristige Zeitveränderungen, räumliche Veränderungen, neue
Arbeitspartner oder auch die Übertragung neuer Aufgaben betreffen.
4. Kompetenz- und Wissensanwendung
Fähigkeit zur Anwendung fachlicher Kompetenzen, d.h. beruflich, ausbil­
dungsspezifisch oder aufgrund der Lebenserfahrung. Fähigkeit, Fach- und
Lebenswissen oder Kompetenzen gemäß den Rollenerwartungen einzuset­
zen und fachliche Anforderungen zu erfüllen.
5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit
Fähigkeit, kontextbezogen und nachvollziehbar Entscheidungen zu fällen
oder Urteile abzugeben. Fähigkeit, Sachverhalte aufzufassen, daraus die
angemessenen Schlussfolgerungen und Konsequenzen zu ziehen und dies in
erforderliche Entscheidungen umsetzen zu können.
6. Proaktivität und Spontanaktivitäten
Fähigkeit, außerhalb vorgegebener Pflichten eigeninitiativ Aktivitäten zu
initiieren. Bei der Arbeit ist Proaktivität gefragt, wenn es um Weiterentwick­
lung geht, z.B. selbst initiierte Projekte oder Arbeitsgruppen, Vorschläge für
Verbesserungen im Arbeitsablauf oder Ideen und Handlungsengagement für
das Betriebssportfest.
7. Widerstands- und Durchhaltefähigkeit
Fähigkeit, hinreichend ausdauernd und während der üblicherweise erwar­
teten Zeit an einer Tätigkeit oder Aufgabe zu bleiben und ein durchge­
hendes Leistungsniveau aufrechterhalten zu können.
suchungen von Psychosomatikpatienten wurden die verschie­
denen Arbeitsängste beschrieben (Muschalla/Linden, 2013;
Muschalla, 2015):
Situative Ängste und Vermeidungsverhalten:
Dies sind konkrete
Ängste vor einem bestimmten Ort, einer bestimmten Aufgabe
oder bestimmten Situationen („Stimuli“) bei der Arbeit. Im
Sinne einer phobischen Reaktion treten Anspannung, Angst
oder sogar Panik bei Annäherung und Beruhigung bei Abwen­
dung und Vermeidung dieser Situation auf. Alle möglichen
speziellen Arbeitssituationen können betroffen sein, wie etwa
ein Computerarbeitsplatz oder ein Baugerüst, spezielle Ar­
beitsaufgaben, -orte oder -umgebungen, wie Nachtschichten
oder ein Einzelarbeitsplatz mit erhöhten Anforderungen an die
Selbstverantwortung. Derartige Ängste sind oftmals „gelernt“
(z.B. Computerangst nach einem Fehler, Angst vor Arbeit auf
einem Gerüst nach Unfall).
Soziale Ängste am Arbeitsplatz:
Soziale Ängste beziehen sich
auf Kontakte mit Kollegen oder Vorgesetzten oder auch mit
Dritten wie Kunden oder Patienten. Sie kommen entweder im
Rahmen einer angeborenen sozialen Unsicherheit vor oder als
erworbene Unsicherheit bei mangelnder sozialer Kompetenz
und negativen Reaktionen anderer Menschen. Soziale Ängste
sind gekennzeichnet durch ein übermäßig unsicher, unbehol­
fen und schüchtern wirkendes oder aber auch aggressives Ver­
halten anderen gegenüber. Die Betroffenen haben Probleme,
sich in soziale Situationen bei der Arbeit einzubringen, ihre
Position zu behaupten oder sich den Bewertungen anderer
auszusetzen, z.B. in Konferenzen und Teamsitzungen, bei Vor­
trägen, aber auch in der Teeküche oder beim gemeinsamen
Mittagessen in der Kantine.
Gesundheits- und körperbezogene Ängste bei der Arbeit:
Darunter
werden alle Formen krankheits- und körperbezogener Befürch­
tungen zusammengefasst, das heißt eine verstärkte Besorgnis
um die eigene körperliche Unversehrtheit. Im Zusammenhang
mit der Arbeit gehört dazu bspw. die Überzeugung, dass die
Arbeit gesundheitsschädlich ist (z.B. der Druckertoner im Bü­
ro), die Arbeitsbedingungen (z.B. Geräuschkulisse im Büro an
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