PERSONALquarterly 2/2018 - page 18

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PERSONALquarterly 02/18
SCHWERPUNKT
_GESUNDHEIT
einer Hauptstraße) krank machen, oder dass sich durch die
Arbeit bestehende eigene Krankheiten weiter verschlechtern
(z.B. dass ein Rückenleiden durch die Arbeit verstärkt wird).
Die Betroffenen beobachten ihren Körper verstärkt auf Symp­
tome, wie bspw. beschleunigten Herzschlag oder leichte Miss­
empfindungen in verschiedenen Körperteilen. Die Folge kann
ein unangemessenes Schonverhalten sein, eine fehlerhafte Ar­
beitsweise oder das Vermeiden bestimmter Arbeitsaufgaben
oder Arbeitsorte.
Versagensangst:
Hiermit sind Ängste gemeint, unzureichend
qualifiziert oder schnell überfordert zu sein, nicht genügend
Wissen oder Fähigkeiten für die Aufgabenerledigung zu haben
und daher Fehler zu begehen. Dazu gehören auch Verände­
rungsängste, wie die Angst vor der Übernahme neuer Aufga­
ben oder dem Erwerb neuer Fertigkeiten, die bei strukturellen,
personalen oder technischen Veränderungen im Betrieb not­
wendig sind. Menschen mit solchen Ängsten reagieren auf
Anforderungen oft mit Anspannung, können fahrig wirken
oder hilflos.
Sorgenängste:
Hier handelt es sich um ein konstantes
Denkmuster mit Tendenz zu generalisierten Befürchtungen
und ständiger Besorgtheit um alltägliche Kleinigkeiten. Dies
äußert sich durch eine ständige sorgenvolle Beschäftigung mit
Arbeitsproblemen, auch in der Freizeit, bis hin zur Einschrän­
kung anderer alltäglicher Verrichtungen. Die Betroffenen se­
hen überall Gefahren und potenzielle Probleme, die sie durch
besonderen Einsatz abwenden möchten. Dazu gehören Sorgen,
am Computer etwas falsch machen zu können, bestimmte Auf­
gaben nicht korrekt zu erledigen, oder auch Existenzängste
durch den Verlust des Arbeitsplatzes. Menschen mit ausge­
prägten Sorgenängsten wirken häufig übermäßig gewissenhaft
und sind über die aktuellen offiziellen Vorgänge im Betrieb
genauestens informiert. Sie werden daher auch von Kollegen
angesprochen, um Arbeiten zu kontrollieren oder Auskünf­
te zu geben. Die Familie reagiert häufig verärgert, weil die
Betroffenen zu Hause nicht abschalten können, da sie noch
über unabgeschlossene Arbeitssachen nachdenken oder sich
nicht trauen, in Urlaub zu fahren oder im Krankheitsfall eine
Arbeitsunfähigkeit attestieren zu lassen. Das Gefühl der Un­
gewissheit, das sie während ihrer Abwesenheit von der Arbeit
aushalten müssten, ist zu stark.
Arbeitsplatzphobie:
Ein Sonderfall ist die Arbeitsplatzphobie.
Das Syndrom wurde erstmals von Janet Haines und Kolle­
gen (2002) wissenschaftlich beschrieben. Die Definition von
Phobien der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 1992) an­
wendend, liegt eine Arbeitsplatzphobie dann vor, wenn die
Annäherung oder allein der Gedanke an den Arbeitsplatz zu
einer körperlichen und gedanklichen Angstreaktion und einem
Vermeidungsverhalten bezüglich der Arbeitsstelle führen. In
der Konsequenz kommt es regelhaft zur (Langzeit-)Arbeits­
unfähigkeit, die wiederum eine Verstärkungswirkung auf die
Angst selbst hat. Häufig kommt es auch zu einer Ausweitung
des Vermeidungsverhaltens, wie z.B. die Vermeidung der Stra­
ße, in welcher der Betrieb liegt, Vermeidung von Ereignissen,
bei denen man Kollegen begegnen könnte, oder sogar Angst,
wenn nur das Gespräch auf die Arbeit kommt.
Welche Fähigkeitsbeeinträchtigungen bei Arbeitsängsten
es gibt
Mitarbeiter mit Arbeitsängsten können in unterschiedlicher
Weise in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sein. In einer
klinischen Untersuchung wurden Menschen mit Arbeitsängs­
ten in einem diagnostischen Interview befragt, welche Anfor­
derungen in ihrer Arbeit ihnen Schwierigkeiten bereiten (vgl.
Muschalla/Fay/Jöbges/Linden/Ayhan/Flöge/Heidrich, 2014).
Hierbei wurde ein international evaluiertes und in der Ar­
beitsfähigkeitsbeurteilung etabliertes diagnostisches Fremd­
beurteilungsinstrument genutzt, das Mini-ICF-APP (Linden/
Baron/Muschalla/Ostholt-Corsten, 2015). Anhand eines halb­
strukturierten Interviews werden die Probanden nach ihren
konkreten Arbeitsanforderungen und Beeinträchtigungen in
13 psychologisch bedeutsamen Fähigkeitsbereichen gefragt
(vgl. Abb. 1):
Abbildung 2 zeigt die prozentualen Anteile von Menschen
mit Arbeitsängsten (53% Frauen, Altersdurchschnitt 50 (+/- 28
Jahre), die mäßige oder stärkere Beeinträchtigungen in arbeits­
relevanten Fähigkeiten haben.
Die Daten zeigen, dass von Arbeitsängsten Betroffene be­
sonders häufig (>50%) in der Durchhaltefähigkeit, Flexibilität,
Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit und in der Selbstbehaup­
tungsfähigkeit auffällig beeinträchtigt sind. Diese Fähigkeits­
bereiche können demnach in der betrieblichen Prävention, im
Eingliederungsmanagement (§ 84 SGB IX) und in der Betriebs­
medizin regelmäßig eine Rolle spielen.
Außerdem wird erkennbar, dass bestimmte Arbeitsängste
häufiger mit bestimmten Beeinträchtigungen einhergehen:
Menschen mit Arbeitsplatzphobie haben in fast allen Fähig­
keitsdimensionen am häufigsten starke Beeinträchtigungen.
Menschen mit sozialen Ängsten sind besonders häufig in der
Selbstbehauptung beeinträchtigt. Menschen mit Sorgenangst
haben häufig Probleme im Entscheiden und Urteilen. Men­
schen mit Versagensangst haben häufig Probleme in der Wi­
derstands- und Durchhaltefähigkeit.
Lösungsansätze können sich eröffnen durch:
1. Arbeitsplatzanpassungen (z.B. Mitarbeiter mit sozialer
Angst von Verkaufs- und Vortragsaktivitäten entpflichten
und stattdessen in der Buchhaltung und im E-Mail-Service
einsetzen; Mitarbeiter mit Gesundheitsangst und hoher Ab
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