PERSONALquarterly 2/2018 - page 14

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PERSONALquarterly 02/18
SCHWERPUNKT
_GESUNDHEIT
erreichbar zu sein, als bei transaktionaler MBE-Führung. Die
motivierende Wirkung transformationaler Führung, Leistung
über die erwartete Leistung hinaus zu zeigen, scheint sich auch
auf den Feierabend auszudehnen. Es zeigte sich zudem, dass
unter transaktionaler CR-Führung eine höhere Bereitschaft be-
stand, erreichbar zu sein, als unter transaktionaler MBE-Füh-
rung. Rein deskriptiv lag die Bereitschaft, erreichbar zu sein,
bei transformationaler Führung höher als bei transaktionaler
CR-Führung, der Unterschied wurde jedoch nicht statistisch
signifikant. Während transformationale Führung nachweislich
ein leistungs- und gesundheitsförderliches Führungsverhalten
ist, zeigt sich mit der Bereitschaft der Beschäftigten, am Fei-
erabend erreichbar zu sein, eine potenziell kritische Facette
transformationaler Führung. Einige Studien weisen auf die
möglichen Gefahren transformationaler Führung wie zusätz-
liche Erschöpfung und geringere Work-Life-Balance bei hoher
Leistungserwartung transformationaler Führungskräfte hin
(z.B. Syrek & Antoni, 2014).
Die Boundary-Theorie (Kreiner, 2006) gibt wichtige Hinwei-
se, was aufseiten der Beschäftigten selbst getan werden kann,
um subjektiv passende Grenzen zwischen Arbeit und Privat-
leben zu ziehen. In Bezug auf Erreichbarkeit sind vor allem
Maßnahmen wie das Festlegen von zeitlichen Grenzen von
Arbeits- und Freizeit, räumlichen Grenzen, und das Klären
eigener Grenzen bzw. mit Kollegen und Führungskraft hilf-
reich. In Bezug auf die Rolle der Führungskraft untermauert
unsere Studie die Notwendigkeit, vonseiten der Führungskraft
ihre Erwartung an die Beschäftigten explizit zu klären (Krei-
ner, 2006). Denn auch eine Ansprache ohne jeden Hinweis auf
Erreichbarkeit scheint implizit Signale zu beinhalten, welche
Erreichbarkeit erwartet wird.
Grundsätzlich ist Erreichbarkeit in deutschen Arbeitsver-
hältnissen nicht gesetzlich geregelt, doch lässt sich Erreich-
barkeit über das Arbeitszeitgesetz und Arbeitsschutzgesetz
einordnen, wonach Erreichbarkeit wie Rufbereitschaft anzu-
sehen ist und keine Arbeitszeit darstellt. Die Arbeitsaufnah-
me, unabhängig von der Dauer, ist hingegen grundsätzlich
Arbeitszeit und unterbricht die Ruhezeit der Beschäftigten
(Carstensen, 2015). Eine Studie der Initiative Gesundheit
und Arbeit weist entsprechend nach, dass sich über 60% der
befragten Beschäftigten eine gesetzliche oder betriebliche
Regelung, die Erreichbarkeit während der Freizeit klärt,
wünschen. In verschiedenen anderen Ländern gibt es zum
Teil bereits strengere Regeln in Bezug auf die Erreichbar-
keit – in Frankreich wurde beispielsweise 2014 ein Gesetz
verabschiedet, wonach Beschäftigte Anrufe und E-Mails ihrer
Vorgesetzten nach 18 Uhr ignorieren dürfen und Vorgesetzte
angehalten werden, keinen Druck auf ihre Beschäftigten aus-
zuüben, nach Feierabend arbeiten zu müssen. In Verbindung
mit den Ergebnissen unserer Studie untermauert dies die
Implikation, dass insbesondere unter der als äußerst positiv
bewerteten transformationalen Führung Erwartungen in Be-
zug auf die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit geklärt
werden sollten.
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