PERSONALquarterly 2/2018 - page 6

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 02/18
PERSONALquarterly:
An welchen gesundheitsbezogenen Projekten
haben Sie zuletzt gearbeitet und was war Ihre Rolle in dem
Projekt?
Sabine Sonnentag:
Ein wichtiges aktuelles gesundheitsbezo-
genes Projekt ist unser Forschungsprojekt Smartjob, das im
größeren Konsortium Smartact der Frage nachgeht, ob und
wie sogenannte „smarte“ Technologien (z.B. Smartphones) ge-
nutzt werden können, um Berufstätige darin zu unterstützen,
gesünder zu essen, ungesunde Snacks zu vermeiden und sich
mehr zu bewegen. Dieses Thema ist enorm wichtig, da unge-
sunde Ernährung und zu wenig Bewegung mit Krankheiten
in Zusammenhang stehen und wir davon ausgehen müssen,
dass bestimmte Arbeitsbedingungen zu ungesunder Ernäh-
rung und zu wenig Bewegung mit beitragen. In mehreren
Studien haben wir zeigen können, dass Organisationen sich
darin unterscheiden, wie sehr sie einen gesunden Lebensstil
unterstützen und dass eine solche Unterstützung auch mit
dem Gesundheitsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter zusammenhängt (Sonnentag/Pundt, 2016).
PERSONALquarterly:
Gibt es Trends in der Stress- und Wohlbefin-
densforschung (z.B. Burn-out)? Gibt es ein übergeordnetes The-
ma, das sich durch die Forschung und Debatten in den letzten
Jahrzehnten zieht?
Sabine Sonnentag:
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten hun-
dert Jahren enorm verändert. Während die Arbeitswelt in
den westlichen Ländern in der ersten Hälfte des zwanzigsten
Jahrhunderts noch stark industriell geprägt war, finden wir
heute beispielsweise viele Arbeitsplätze im Dienstleistungs-
bereich. Somit sind die sogenannten emotionalen Anforde-
rungen an die Berufstätigen stark gestiegen. Damit gehen
potenziell auch andere Beanspruchungsmuster einher, in der
Tendenz weniger Beanspruchungen im körperlichen Bereich,
teilweise aber deutlich höhere psychische Beanspruchungen.
„Burn-out“ ist ein viel diskutiertes Beanspruchungssymptom
in diesem Kontext. Die zunehmende Technisierung der Ar-
beitswelt (Stichwort „Digitalisierung“) hat die Arbeitsanfor-
derungen natürlich deutlich verändert – und wird es aller
Wahrscheinlichkeit nach auch weiter tun. Was dennoch wohl
das übergeordnete Thema ist, das sich durch die Forschung
Der Stellenwert der Gesundheit
in der Arbeitswelt
Das Interview mit
Prof. Dr. Sabine Sonnentag
führte
Prof. Dr. Judith Volmer
und Debatten in den letzten Jahrzehnten zieht: Wie hängen
Arbeitsbedingungen mit (psychischer) Gesundheit zusam-
men und können bzw. müssen wir von einem kausalen Zu-
sammenhang ausgehen?
PERSONALquarterly:
Was ist Burn-out? Gibt es Maßnahmen, um
Burn-out vorzubeugen?
Sabine Sonnentag:
Christina Maslach und andere Forscher ha-
ben Burn-out beschrieben als einen Zustand, der drei Kom-
ponenten umfasst: emotionale Erschöpfung, Zynismus in
Bezug auf die eigene Arbeit und das Gefühl, nicht mehr so
leistungsfähig zu sein. Wir wissen heute, dass bei bestimmten
Arbeitsbedingungen Burn-out vermehrt vorkommt, zum Bei-
spiel bei hoher Arbeitsbelastung und einem hohen Zeitdruck
sowie bei geringen Ressourcen wie einem fehlenden Hand-
lungsspielraum oder geringer sozialer Unterstützung. Aber
auch individuelle Herangehensweisen an die Arbeitssituation
scheinen eine Rolle zu spielen. Organisationen tun also gut
daran, Belastungen in Grenzen zu halten, aber vor allem auch
Ressourcen bereitzustellen, um Burn-out vorzubeugen.
PERSONALquarterly:
Welche Rolle spielen moderne Technologien
(z.B. Smartphones) im Kontext von Stresserleben und Wohlbefin-
den bei der Arbeit?
Sabine Sonnentag:
Das ist ein wichtiges und sehr aktuelles The-
ma. Wenn wir uns diese Technologien anschauen, müssen wir
unterscheiden zwischen Technologien, die ausschließlich bei
der Arbeit genutzt werden und solchen, die bei der Arbeit und
außerhalb der „eigentlichen“ Arbeit genutzt werden (können).
Gerade die zweite Option hat wahrscheinlich weitreichende
Konsequenzen für die Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Ar-
beit. Die klare Trennung verschwimmt. Gewiss kann ständige
Erreichbarkeit negative Konsequenzen für Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter haben; da brauchen wir somit klare Regeln,
was die Erreichbarkeit angeht. Meine persönliche Sicht ist
jedoch, dass derzeit teilweise zu sehr auf die negativen As-
pekte der Technologien fokussiert wird. Die kann es geben
und die gibt es, aber die positiven Möglichkeiten dürfen nicht
außer Acht gelassen werden. Unter günstigen Bedingungen
können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst bestimmen,
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