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02/18 PERSONALquarterly
blick die Ziele des Unternehmens für die kommenden Monate
vermittelte. Die Personen hatten die Aufgabe, sich in die Situ-
ation zu versetzen, soeben die Jahresansprache ihrer neuen
Führungskraft gesehen zu haben. Die transformationale Füh-
rungskraft betonte Begeisterung und Zuversicht für die Ziele
(vgl. Abb. 1). Im Fokus der transaktionalen CR-Führungskraft
stand der Zusammenhang zwischen Zielerreichung und Be-
lohnung. Bei der transaktionalen MBE-Führungskraft ging es
vorwiegend um Kontrolle der Zielerreichung und Unterstüt-
zung im Notfall. Zwischen den drei Gruppen bestand kein
Unterschied darin, wie sie sich in die Situation hineinversetzt
haben. Die Erwartung, außerhalb der Arbeit erreichbar sein
zu müssen, wurde in Anlehnung an Dettmers et al. (2016) mit
vier Items (z.B. „Von mir wird erwartet, dass ich am Abend
noch für berufliche Dinge erreichbar sein werde“) erfasst,
die Bereitschaft, erreichbar zu sein, mit einem Item („Ich
wäre bereit, nach Feierabend für berufliche Angelegenhei-
ten verfügbar zu sein“). Die fünf Antwortmöglichkeiten lagen
zwischen nie und sehr oft. Der Manipulationscheck zeigte,
dass die transformationale Führungskraft als hauptsächlich
transformational (auf einer Skala von 1 = nie bis 6 = (fast)
immer: M = 5.05, SD = 0.57), die transaktionale CR als haupt-
sächlich transaktional (M = 4.40, SD = 0.89) und die trans-
aktionale MBE als hauptsächlich MBE (M = 5.22, SD = 0.95)
eingeschätzt wurden.
Einfluss des Führungsverhaltens auf Erreichbarkeits
erwartung und -bereitschaft
Die Personen, die die Ansprache der transformationalen Füh-
rungskraft gesehen hatten, berichteten von der Erwartung,
unter dieser Führungskraft „gelegentlich“ erreichbar sein zu
müssen (M = 2.93, SD = 0.98). Diese Erwartung lag bei denjeni-
gen, die die Ansprache der transaktionalen CR-Führungskraft
gesehen hatten, dagegen höher – zwischen gelegentlich und
oft (M = 3.52, SD = 0.89). Bei den Personen, die die Ansprache
der MBE-Führung sahen, lag die Erwartung ähnlich wie bei der
transformationalen bei gelegentlich (M = 2.95, SD = 1.07). Der
Unterschied in der Erwartungshaltung der Beschäftigten ist sig
nifikant (F (125,2) = 4.45, p < .05), der Effekt ist mittelgroß (
η
²
= .05)
1
. Post-hoc-Tests (Tuckey) zeigten, dass die Unterschiede
zwischen transaktionaler CR-Führung und den anderen bei-
den Führungsverhalten signifikant waren (p < .05), während
sich transformationale und transaktionale MBE-Führung nicht
voneinander unterschieden (p = .99). Damit wird unsere An-
nahme bestätigt, dass unter transaktionaler CR-Führung die
Erwartung, erreichbar sein zu müssen, stärker ausgeprägt ist,
als unter transformationaler und MBE-Führung.
Die Bereitschaft, außerhalb der Arbeit für berufsbezogene
Angelegenheiten erreichbar zu sein, war bei Personen, die die
Ansprache der transformationalen Führungskraft gesehen
hatten, mittelmäßig stark ausgeprägt (M = 2.47, SD = 0.92).
Bei Personen, die die Ansprache der transaktionalen CR-Füh-
rungskraft gesehen hatten, lag diese Bereitschaft im niedrigen
Niveau (M = 2.17, SD = 0.82), noch niedriger bei transaktio-
naler MBE-Führung (M = 1.96, SD = 0.89). Die Unterschiede
zwischen den Führungsverhalten sind auch hier signifikant
(F(125,2) = 3.89, p < .05), der Effekt von
η
² = .06 ist mittelgroß.
Mehrfachvergleiche zeigen, dass sich transformationale Füh-
rung von MBE-Führung signifikant unterscheidet (p < .01), der
Unterschied zwischen transformationaler und transaktionaler
CR-Führung jedoch nur deskriptiv ist (p = .14). Damit wird
unsere Annahme, dass die Bereitschaft, auch am Feierabend
verfügbar zu sein, unter transformationaler Führung höher ist
als unter transaktionaler Führung, partiell (für transaktionale
MBE-Führung) bestätigt.
Zusammenfassung und Implikationen für das Personalma-
nagement
Das Führungsverhalten hat weitreichende Einflussmöglich-
keiten auf Erleben und Verhalten von Beschäftigten. Bislang
ungeklärt ist die Frage, welche Rolle die Führungskraft dabei
einnimmt, die wahrgenommene Erreichbarkeitserwartung
als eine Form von Integration von Arbeit und Privatleben
zu verändern. In unserer Studie zeigte sich, dass transakti-
onale CR-Führung im Vergleich zu transformationaler Füh-
rung (und transaktionaler MBE-Führung) den Eindruck von
Beschäftigten verstärkt, erreichbar sein zu müssen. Obwohl
in unserem Experiment die Führungskraft keinerlei Hinweise
gab oder Anspielungen auf erwartete Erreichbarkeit machte,
berichteten die Personen stärker als unter den anderen Bedin-
gungen, dass diese Führungskraft von ihnen erwarte, auch
nach Ende der Arbeitszeit für berufliche Angelegenheiten er-
reichbar sein zu müssen. Transaktionale CR-Führung scheint
die Wahrnehmung von Beschäftigten zu beeinflussen, dass
von ihnen mehr Integration als Segmentation von Arbeit und
Privatleben erwartet wird. Möglicherweise ist der starke Fokus
auf Zielerreichung, Aufgabenerledigung und entsprechende
Belohnung, der durch die ökonomische Ausrichtung der Aus-
tauschbeziehung zwischen Führungskraft und Beschäftigten
untermauert wird (Bass, 1985), ausschlaggebend dafür, dass
der Eindruck entsteht, Arbeit sei wichtiger als Erholung bzw.
die Erledigung von wichtigen Aufgaben außerhalb der Arbeits-
zeit habe Priorität über einer klaren Segmentierung von Arbeit
und Privatleben.
Bezüglich der Bereitschaft, erreichbar zu sein, weisen die
Ergebnisse darauf hin, dass Personen, die die Ansprache der
transformationalen Führungskraft gesehen hatten, eine hö-
here Bereitschaft berichteten, auch während des Feierabends
1 Zur Überprüfung von Unterschieden wurde der F-Test verwendet, der testet, ob sich die untersuchten
Stichproben hinsichtlich ihrer Varianz unterscheiden; p-Werte kleiner als 0.05/0.01 zeigen einen
statistisch signifikanten Unterschied auf dem 5%-/1%-Niveau an. Die Effektstärke stellt die Größe
eines statistischen Effekts dar und verdeutlicht die praktische Relevanz von statistisch signifikanten
Ergebnissen. Ein Effekt um .01 gilt als klein, .06 als mittel und .14 als groß.