PERSONALquarterly 4/2018 - page 50

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 04/18
A
gilität – schnell und flexibel auf Anforderung des
Marktes zu reagieren – lautet heutzutage die He-
rausforderung. Viele Wege führen bekanntlich nach
Rom: Der vielleicht prominenteste Weg zur Agili-
tät ist das Prinzip der geteilten Führung. Dabei überlässt die
Führungskraft die Verantwortung für und die Kontrolle der
Aufgabenerledigung soweit wie möglich und sinnvoll ihren
Mitarbeitern. Auf der einen Seite profitieren Mitarbeiter durch
dieses „Empowerment“ von einem reichhaltigeren, bedeut-
sameren Tätigkeitsportfolio und auf der anderen Seite die Füh-
rungskraft, die entlastet wird und sich auf ihre Kernaufgaben
fokussieren kann. So stellten sich bei der U.S.-amerikanischen
Veterans Health Administration, einem staatlichen Gesund-
heitsdienstleister mit Kliniken und ambulanten Einrichtungen,
nach der Einführung von Teamstrukturen mit relativ kleinen,
interdisziplinären Teams nach dem Vorbild geteilter Führung
auch durchaus Erfolge im Sinne einer schnelleren und fle-
xibleren Reaktion auf Patientenbedürfnisse ein. Allerdings
zeigte sich auch eine große Varianz zwischen Teams in der
Steigerung der Servicequalität, was auf eine dementsprechend
große Varianz in der Umsetzung der Initiative seitens der Füh-
rungskräfte hindeutet. Greg L. Stewart und Kollegen gingen
auf Basis früherer Forschung davon aus, dass die Umstellung
auf geteilte Führung von manchen Führungskräften als Be-
drohung ihrer beruflichen Identität und ihres Status verstan-
den werden könnte, und zwar insbesondere von solchen, die
sich durch ihren beruflichen Hintergrund hinsichtlich Fach-
kenntnis, Status und Macht deutlich von ihren Mitarbeitern
abheben. In einer quasiexperimentellen Längsschnittstudie
zeigte sich dann auch, dass nach der Einführung der neuen
Teamstrukturen die Servicequalität der von Ärzten (also ei-
ner Profession mit hohem Status und elitärem Selbstverständ-
nis) geführten Teams signifikant geringer stieg als die der
von Krankenpflegern oder Arztassistenten geführten Teams.
Qualitative Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitern
ergaben, dass Führungskräfte mit hohem Status häufiger zu
kontraproduktiven Verhaltensweisen zur Absicherung ihres
Empowerment ist nicht
jedes Chefs Sache
Greg L. Stewart
(U.S. Department of Veterans Affairs (VA),
University of Iowa),
Stacy L. Astrove
(VA, John Carroll Univer-
sity),
Cody J. Reeves
(VA, Brigham Young University),
Eean R.
Crawford
&
Samantha L. Solimeo
(VA, University of Iowa):
Those with the most find it hardest to share: Exploring leader
resistance to the implementation of team-based empower-
ment. Academy of Management Journal, 60(6), 2266-2293.
Status gegenüber ihren Mitarbeitern neigten, statt die neue
Rolle im Sinne einer besseren Patientenversorgung anzuneh-
men; zudem waren sie weniger erfolgreich darin, eine Balance
zwischen zu wenig (Verweigerung, „business as usual“) und
zu viel Delegation zu finden. Übermäßige Delegation wurde
genauso wie zu wenig Delegation als Belastung empfunden,
da in diesem Fall die „alten“ Machtverhältnisse genutzt wur-
den, um unliebsame Tätigkeiten zu vermeiden. Auch wenn das
elitäre Selbstverständnis ärztlicher Berufe recht einzigartig
sein mag, dürften ähnliche Probleme auch in anderen Kontex-
ten bei der Implementierung geteilter Führung auftreten. Der
sprichwörtliche Flaschenhals scheint die berufliche Identität
von Führungskräften zu sein, weshalb geteilte Führung eine
bewusste Auseinandersetzung von Führungskräften mit dem
Wandel ihrer beruflichen Identität erfordert. Führungskräfte
können darin bspw. mithilfe von kreuzfunktionalen Trainings
unterstützt werden, die das Bewusstsein für die Abgrenzung
der eigenen Fähigkeiten von denen der Mitarbeiter schärfen,
um Befürchtungen, diese könnten unter geteilter Führung re-
dundant werden, zu zerstreuen. Zudem sollten Anreizsysteme
um teambasierte Komponenten ergänzt und statushohe „In-
novation Champions“ unter den Führungskräften identifiziert
werden, die als positive Rollenvorbilder bei einer sukzessiven
Implementierung geteilter Führung vorangehen können.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs
, Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
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