PERSONALquarterly 4/2018 - page 51

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04/18 PERSONALquarterly
V
iele Unternehmen möchten den Austausch unter
ihren Mitarbeitern gezielt fördern, um die Zusam-
menarbeit am Arbeitsplatz zu stärken und Syner-
gieeffekte zu nutzen. Dazu setzen Unternehmen
zunehmend auf offen gestaltete Großraumbüros. Traditionell
gestaltete Büroräume gelten als altmodisch. Es gibt bisher
jedoch kaum empirische Forschung dazu, ob offene Büroar-
chitekturen tatsächlich die Interaktionsmuster der Mitarbei-
ter verändern und mehr Kollaboration entsteht. Die Forscher
Bernstein und Turban sind in zwei interventionsbasierten
Feldstudien dieser Frage nachgegangen. Dazu haben sie zwei
große US-amerikanische Unternehmen begleitet, die sich in
einer Umstellungsphase befanden und offene Großraumbüros
einführten („war on walls“). Um die Interaktionsmuster der
Mitarbeiter präzise erfassen zu können, wurden diese für die
Dauer von mehreren Wochen vor und nach dem Umzug in die
neuen Büroräume mit tragbaren Sensoren ausgestattet. Ein
Infrarotsensor erfasste, wem die Person zugewandt war. Mi-
krofone zeichneten auf, ob gesprochen wurde (aber nicht, was
inhaltlich gesagt wurde). Ein Beschleunigungsmesser erfasste
Körperbewegungen sowie die Körperhaltung und per Bluetooth
wurde ermittelt, wo sich die jeweilige Person im Raum aufhielt.
Zusätzlich wurden der E-Mail-Verkehr und der Austausch über
Instant Messaging ausgewertet. Es zeigte sich, dass durch die
Umstellung auf offene Großraumbüros die Face-to-Face-Inter-
aktion in beiden Unternehmen um ca. 70% abnahm. Gleichzei-
tig stieg die elektronische Kommunikation signifikant an. Statt
des persönlichen Austauschs wurde das Gegenteil erreicht:
Die Mitarbeiter suchten nach Möglichkeiten, sich zurückzuzie-
hen. Weniger räumliche Grenzen führen laut den Autoren zu
einem Mangel an Privatsphäre, den die Mitarbeiter z. B. durch
Noise-Cancelling-Kopfhörer versuchten zu kompensieren. Die
Studie verdeutlicht, dass die Einführung einer Open-Office-Ar-
chitektur das Verhalten am Arbeitsplatz beeinflusst. Trotz der
direkten Messung im Unternehmen besteht die Möglichkeit,
dass andere Faktoren, neben der Änderung des Bürodesigns,
die Ergebnisse erklären können. Auch die Übertragung der
Ergebnisse auf den deutschen Kontext ist zu diskutieren.
Besprochen von
Dr. Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-,
Organisations- und Sozialpsychologie, Universität Hamburg
Großraumbüros verringern
direkten Austausch
E. S. Bernstein
&
S. Turban
(Harvard University): The impact of
the „open“ workspace on human collaboration. Philosophical
Transactions of the Royal Society B, 2018, Vol. 373, pp. 369-
383.
I
n Zeiten des Fachkräftemangels müssen Unternehmen
Strategien entwickeln, mit denen sie den Herausforde-
rungen effektiv begegnen können, um ihre zukünftige
Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. Und qualifi-
zierte Fachkräfte sind ein Schlüsselfaktor, um Wachstum und
Wohlstand zu sichern. Unternehmen müssen sich daher zum
einen mehr als bisher mit der Frage auseinandersetzen, wie
vorhandene Fachkräfte stärker an das Unternehmen gebunden
werden können. Zum anderen ist es wertvoll für Unternehmen,
Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie die Anzahl von Bewer-
bern möglichst kostengünstig erhöht werden kann. Genau hier
setzt die vorliegende Studie an und untersucht, wie Informati-
onen über die Anzahl bereits abgeschickter Bewerbungen auf
eine ausgeschriebene Stelle das Bewerbungsverhalten poten-
zieller Kandidaten beeinflusst.
Die Wissenschaftlerin nutzte die Daten eines groß angelegten
Feldexperiments mit über zwei Millionen Beobachtungen,
welches auf der beliebten Business-Networking-Website
Linkedin durchgeführt wurde. In der Kontrollgruppe sahen die
Arbeitssuchenden jeweils die von ihnen aufgerufene Stellenan-
zeige. In der zufällig ausgewählten Versuchsgruppe sahen die
Arbeitssuchenden zusätzlich auch die Anzahl der Personen, die
sich bereits auf diese Stelle beworben hatten.
Die Resultate zeigen, dass das Hinzufügen von Informatio-
nen über das Handeln anderer die Wahrscheinlichkeit um 3,5%
erhöhte, dass sich eine Person auch tatsächlich auf die von ihr
aufgerufene Stellenanzeige bewarb. Im Kontext von Linkedin
bedeutete dies eine potenzielle Steigerung von ca. 250 mehr ab-
geschlossenen Bewerbungen pro Tag. Interessanterweise führte
die zusätzliche Information über das Handeln anderer jedoch
nicht zu einer intensiveren Jobsuche der Personen in der Ver-
suchsgruppe, in beiden Gruppen schauten Arbeitssuchende sich
im Schnitt 3,8 Stellenanzeigen an. Die Forscherin zieht aus den
Resultaten den Schluss, dass das Hinzufügen von Informati-
onen über die Anzahl bereits abgeschickter Bewerbungen zu
einer Stellenausschreibung einen kostengünstigen und leicht
umsetzbaren Weg darstellt, den Bewerberpool zu vergrößern.
Besprochen von
Katharina Laske
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
Welche Rolle spielen Infor­
mationen über das Handeln
anderer bei Bewerbungen?
Laura K. Gee
(Tufts University, Medford): The More You Know:
Information Effects on Job Application Rates in a Large Field
Experiment. Management Science, forthcoming
1...,41,42,43,44,45,46,47,48,49,50 52,53,54,55,56,57,58,59,60
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