PERSONALquarterly 4/2018 - page 56

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_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 04/18
Altersgerecht arbeiten
Schon in jungen Jahren entdeckte Professor Frerich Frerichs, heute an der Universität
Vechta, das Alter für sich: als arbeitsmarktorientiertes Lehr- und Forschungsthema.
Ruth Lemmer,
Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg
S
eine Geburtsregion trägt Frerich Frerichs im Namen.
Denn der weist ihn als Ostfriesen aus. Die Provinz
Ostfriesland zwang unter napoleonisch-niederlän-
discher Besatzung ihren Bürgern Nachnamen auf,
was etliche Familien so lösten, dass sie an den Rufnamen ein
s hängten. Offensichtlich auch die Familie Frerichs in Aurich,
in die der heutige Fachgebietsleiter Altern und Arbeit im Ins­
titut für Gerontologie der Universität Vechta 1959 hineinge-
boren wurde. Der Hochschullehrer entdeckte das Thema Alter
bereits direkt nach dem Abitur, als er seinen Zivildienst im
Alten- und Seniorenheim in Aurich ableistete. Während er
anschließend Soziologie und Psychologie an der Freien Uni-
versität Berlin studierte, wurde ihm sein Ziel bald klar: Die
Altersforschung hatte es ihm angetan.
Frerichs wurde 1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ins­
titut für Angewandte Gerontologie in Berlin, wechselte 1991 zur
Forschungsgesellschaft für Gerontologie nach Dortmund und
verband so seine Hauptinteressen zum einen in der Weiter-
bildung von Gerontologen und zum anderen in wissenschaft-
lichen Studien rund um ältere Menschen. 1997 promovierte
Frerich Frerichs an der Universität Dortmund mit dem Thema
Frühverrentungspolitik zum Dr. phil. – und schon damals prä-
ferierte der Jungwissenschaftler „Ansätze zu einer Beschäf-
tigungspolitik, die ältere Arbeitnehmer integrieren, statt sie
früh aufs Altenteil zu schicken“.
Wirtschaftskraft von Senioren untersucht
Seinem Forschungsgegenstand blieb er in unterschiedlichen
Stationen und Variationen nahe: erst als Wissenschaftlicher
Abteilungsleiter „Demografischer Wandel und Arbeitswelt“ am
Institut für Gerontologie der Forschungsgesellschaft für Geron-
tologie in Dortmund, dann als Wissenschaftlicher Geschäfts-
führer dieses Instituts und parallel als Wissenschaftlicher
Leiter der Geschäftsstelle Seniorenwirtschaft der Forschungs-
gesellschaft für Gerontologie. In Kooperation mit dem Institut
für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen und finanziell geför-
dert durch das Land Nordrhein-Westfalen untersuchten die For-
scher die Wirtschaftskraft der Senioren. „Wir konnten positive
Akzente besonders in den Bereichen Wohnen und Tourismus
herausarbeiten“, erinnert sich der Wissenschaftler.
Doch in erster Linie gehört seine wissenschaftliche Neugier
nicht dem älteren Konsumenten. Vielmehr bewegt es ihn, dass
„Menschen ab einem gewissen Alter im Wohlfahrtsstaat und
auf dem Arbeitsmarkt eher Manövriermasse und je nach wirt-
schaftlicher Lage eine mehr oder weniger umworbene Klientel
sind“. Und das nicht nur in Deutschland und obwohl die al-
ternde Gesellschaft in den modernen Industriestaaten längst
keine leere Drohung mehr ist. In seiner Habilitationsschrift
untersuchte Frerich Frerichs den demografischen Wandel und
die Arbeitsmarktpolitik für ältere Arbeitnehmer und Arbeit-
nehmerinnen in Großbritannien, Japan und Deutschland im
Wohlfahrtsstaatsvergleich. Von der Technischen Universität
Dortmund erhielt er 2008 die Venia legendi in Sozialer Ge-
rontologie. Einige seiner Erkenntnisse von damals rufen auch
heute noch nach Handlungsempfehlungen: Ältere Aktive auf
dem Arbeitsmarkt in Großbritannien sind überproportional in
prekären Verhältnissen beschäftigt, Ältere in Japan arbeiten
deutlich länger als in Deutschland – etwa in Dependancen, in
denen die Leistungsreduktion einkalkuliert wird. Deutschland
wiederum hat sich noch nicht gänzlich von der Frühverren-
tungsmaxime verabschiedet.
Gerontologen interdisziplinär ausbilden
Als Hochschullehrer an der Uni Vechta bildet der 59-Jährige
Studierende der Gerontologie aus, die sich interdisziplinär
mit dem Alter beschäftigen wollen. Psychologie, Ökonomie,
Arbeitswissenschaft und Gesundheitsmanagement haben
Anteile am einzigen universitären Bachelor in Gerontologie.
Das Masterstudium Gerontologie entwickelt sich aus den For-
schungssträngen Soziologie, Ökonomie und Psychologie – und
setzt auf Handlungsorientierung und Transferwissen. Als Di-
rektor des Instituts für Gerontologie der Uni Vechta prägte Pro-
fessor Frerichs die Richtung sowohl des Studiums als auch der
Forschung zwischen 2011 und 2013 und erneut zwischen 2016
und 2018 stark mit. Für die Absolventen, so der Hochschul-
lehrer, entwickle sich das Berufsfeld gerade erst. Doch er ist
zuversichtlich. Denn die Arbeitsfelder in Kommunen und bei
Trägern sozialer Einrichtungen, zum Beispiel im Quartiersma-
nagement und in Pflegestützpunkten, müssen in den nächsten
Jahren ausgebaut werden.
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