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02/17 PERSONALquarterly
selbst gestört wird, wird jede Gelegenheit zur „Flucht“ oder
Abwesenheit nutzen. Realisierte Raumkonzepte sind damit
immer auch Bindungsinstrumente (Koroma/Hyrkkänen/Var-
tiainen, 2014).
Für mobil Arbeitende werden übereinstimmend in den
verschiedenen Studien die Schaffung größtmöglicher Vorher-
sehbarkeit, Beeinflussbarkeit und Kontrollierbarkeit durch
Partizipation und die Gewährung von Entscheidungs- und Zeit-
spielräumen als wichtigste Maßnahmen benannt. Partizipation
und Einflussnahme beziehen sich auf die Ausgestaltung der
konkreten Mobilitätsbedingungen (Zeitpunkte, Dauer, Häufig-
keit der Reisen, Routenplanungen, Hotelbuchungen, Flexibi-
lität in Bezug auf nicht vorhersehbare Vor-Ort-Ereignisse mit
Entscheidungsnotwendigkeiten), aber auch auf die Gestaltung
der Arbeitszeit (täglich, wöchentlich, aber auch z.B. flexible
Urlaubsregelungen) und des Arbeitsorts.
Der Erhalt von Handlungs- und Zeitspielräumen ist für be-
rufsbedingt Mobile in doppelter Weise wichtig: Sie sind zum
einen der Grund, warum sich Beschäftigte überhaupt für eine
mobile Arbeitsform entscheiden und bewusst mobilitätsbe-
dingte Belastungen in Kauf nehmen. Werden diese Freiheits-
grade genommen, ergibt sich ein genereller Sinnverlust mit
deutlichen Wechselambitionen, z.B. vom Außen- in den In-
nendienst (Bretschneider-Hagemes, 2011; Lüdemann, 2015;
Strobel/Lehnig, 2003). Die Befunde von Borg und Kristensen
(1999) zeigen darüber hinaus, dass auch bei Außendienstmitar-
beitern Zeitspielräume positive Wirkungen entfalten können.
Wenn Kundengespräche nicht unter Zeitdruck erfolgen, wer-
den sie zu einer Quelle von Wohlbefinden. Müssen sie jedoch
unter Zeitdruck abgebrochen werden, werden sie als potenziell
konfliktreicher und damit belastender erlebt.
Eine betriebsärztliche Betreuung mobil Beschäftigter sollte
ebenfalls engmaschig erfolgen, um möglichst frühzeitig ge-
sundheitliche Verschlechterungen zu identifizieren.
Fortbildung mobil Beschäftigter kann durch Blended Lear-
ning und Online-Seminare realisiert werden. Auch Ad-hoc-
Kontakte zu Fachexperten des Gesundheitsschutzes können
im konkreten Einzelfall hilfreich sein.
Quelle: in Anlehnung an Hupfeld et al., 2013, S.19; siehe auch Crawford et al., 2011
Abb. 2:
Ressourcen und Belastungen von Vor-Ort-Arbeit
Ebene
Ressourcen
Belastungen
Arbeitsverhältnis
• Unabhängigkeit, Freiheit
• ergebnisorientierte Vergütung > Präsentismus
Aufgabe
• hohe Gestaltungs- und Handlungsspielräume
• hohe Eigenverantwortung
• Aufgabenvielfalt und Abwechslung
• Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten
• zeitliche und räumliche Flexibilität
• qualitativ hochwertige technische Ausstattung (schnelle
und sichere Standleitungen, Groupware, Datenbrillen etc.)
• Termin- und Zeitdruck
• Arbeitsintensivierung
• Informationsdefizite
• häufige Störungen und Unterbrechungen
• erhöhter Koordinationsaufwand
• unzuverlässige oder fehlerhafte (Informations- und Kommunikations-)Technik
• unzureichende Fortbildungsmöglichkeiten
betrieblich
• Planbarkeit z.B. von Kundenterminen
• Vorhersehbarkeit
• „kontrollfreie“ Arbeitszone
• mangelnde Einbindung in betriebliche Entscheidungsprozesse
• geringere Beförderungschancen
• Kontrolle durch Tracking mittels mobiler Endgeräte
• unzureichender Arbeits- und Gesundheitsschutz
• unzureichende arbeitsmedizinische Betreuung
sozioemotional
• verständnisvolle Vorgesetzte und Kollegen
• konfliktreiche Kundenkontakte (vor allem unter Zeitdruck)
• fehlende soziale Unterstützung, Isolation
• keine festen Bindungen
• Work-Family-Konflikte
mobilitätsbedingt
• komfortable Reisebedingungen wie z.B. gute Innenraum-
ausstattung von Autos, 1.-Klasse-Reisemöglichkeiten
• Bewegungsmangel
• unzureichende ergonomische Bedingungen vor Ort
• schlechte Ergonomie der Innenräume von Verkehrsmitteln
• Planungsunsicherheit durch wechselndes Verkehrsaufkommen
• höhere Unfallrisiken
• unzureichende Verkehrsinfrastrukturen
personal
• Fähigkeiten zur Segmentierung, zum Abschalten und zur
Trennung von Arbeit und Freizeit
• Selbstgefährdung, insbes. erschwerte Trennung von Arbeit und Freizeit