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PERSONALquarterly 02/17
SCHWERPUNKT
_VIRTUELLE KOOPERATION
Arbeitsdichte verhindert Segmentierung und fördert Selbst-
gefährdung (Ducki/Nguyen, 2016). Generell sind für mobil
Arbeitende verständnisvolle Vorgesetzte und Kollegen, eine
qualitativ hochwertige technische Ausstattung und komfor-
table Reisebedingungen wichtig. Abbildung 2 zeigt die wich-
tigsten Ressourcen und Belastungen der Vor-Ort-Arbeit.
Zusammengefasst sind mobil Arbeitende multiplen Verdich-
tungs- und Entgrenzungsgefahren ausgesetzt, sie neigen auf-
grund ihrer Autonomie zur interessierten Selbstgefährdung
und sind häufig nur unzureichend in das betriebliche Gesamt-
geschehen integriert. Gleichzeitig sind Freiheit und Unabhän-
gigkeit die Hauptbeweggründe, warum sie ihren Beruf gewählt
haben. Insgesamt bestehen für diese Beschäftigtengruppe ho-
he Anforderungen an die Selbststeuerung, sowohl hinsichtlich
der zu erledigenden Arbeitsaufgabe als auch bei eigenverant-
wortlicher Regelung der Reisetätigkeit (Brandt, 2010).
Konsequenzen für ein strategisches Personalmanagement
Mobile Arbeit wird von den Betroffenen nicht konsistent er-
lebt, sondern stellt für die meisten Lust und Last zugleich
dar (Kesselring/Vogl, 2010). Diese Ambivalenz verweist auf
ein Grundproblem arbeitspolitischer Gestaltung, da Regulie-
rungen schnell als restriktive Regelungen und Eingriffe in die
persönliche Autonomie empfunden werden können, gleich-
zeitig zeigen die Studien aber auch, dass die Personalarbeit
Maßnahmen ergreifen muss. Regulierungen müssen daher
diese Ambivalenz aufgreifen und Rahmenbedingungen schaf-
fen, in denen eine größtmögliche Autonomie der Betroffenen
gewährleistet bleibt (ebd.). Grundsätzlich geht es darum, die
Rahmenbedingungen für mobile Arbeits- und Lebensformen
so zu gestalten, dass Mobilität möglichst behinderungsfrei und
gesundheitsgerecht erfolgen kann und der soziale Kontakt und
die Bindungsfähigkeit beruflich mobiler Erwerbspersonen be-
trieblich und persönlich aufrechterhalten werden können.
Individuelle und betriebliche Maßnahmen
Da mobil Arbeitende allein und selbstbestimmt arbeiten, müs-
sen sie ein hohes Maß an Selbstorganisation und Gesundheits-
kompetenz besitzen, die sich nicht nur auf die Gestaltung der
Mobilitätsbedingungen richtet, sondern auch auf die Gestal-
tung der Arbeit vor Ort. Sie müssen selbst in der Lage sein,
Gesundheitsgefahren frühzeitig zu erkennen und gegebenen-
falls auch zu beheben, Pausen eigenverantwortlich realisie-
ren, Arbeits- und Schutzmittel gesundheitsbewusst einsetzen.
Da mobil Beschäftigte in besonderer Weise von interessierter
Selbstgefährdung und Präsentismus betroffen sind, werden
Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz angeregt. Neben
der Vermittlung von Fähigkeiten in Bezug auf einen gesun-
den Lebensstil sollte ein Schwerpunkt in der Stärkung der
Selbstaufmerksamkeit für Überforderungssituationen liegen
(Lüdemann, 2015).
Es werden verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der
Selbststeuerungsfähigkeiten insbesondere zur Stressbewälti-
gung, Planung und Organisation der Arbeit, Umgang mit Emo-
tionen im Kundenkontakt, Kooperation mit Kolleginnen und
Kollegen sowie Umgang mit neuen Technologien als wichtige
individuumsbezogene Maßnahmen genannt (Bretschneider-
Hagemes, 2011; Strobel/Lehnig, 2003). Außerdem sollten die
Besonderheiten virtueller Kommunikation vermittelt werden.
Mobil Beschäftigte müssen über die Vor- und Nachteile ver-
schiedener Kommunikationskanäle und Medien informiert
sein, um anlassbezogen die richtige Auswahl treffen zu kön-
nen: Welches Gespräch muss mit Kollegen und Vorgesetzten
face to face geführt werden, welche Themen können über
E-Mail, welche über Videokanäle transportiert werden? Und
zuletzt müssen Grundlagen ergonomischer Arbeitsplatzgestal-
tung vermittelt und auf die konkreten Vor-Ort-Bedingungen
übertragen werden.
Mobil Arbeitende können durch flexible Arbeitszeiten, Min-
destpräsenzzeiten im Unternehmen sowie Mitsprachemög-
lichkeiten unterstützt werden (Paridon, 2012). Eine besondere
Bedeutung kommt den Führungskräften zu. Führung mobil
Arbeitender erfolgt ergebnisorientiert. Hierbei ist es beson-
ders wichtig, die Bedingungen so zu gestalten, dass mobil Be-
schäftigte die vereinbarten Ziele auch tatsächlich erreichen
können, d.h. Arbeitsvorgaben sollten klar definiert werden
und ein realistisches Ausmaß nicht überschreiten. Insbeson-
dere bei schwer vorausplanbaren Aufgaben sind hinreichende
Zeitpuffer einzubauen. Außerdem wird besonders bei mobiler
Arbeit hervorgehoben, dass eine möglichst große Mitsprache
und Partizipation der Beschäftigten für die Vermeidung nega-
tiver Folgen wichtig ist. Besondere Mobilitätsleistungen sollten
in Mitarbeitergesprächen anerkannt werden (z.B. Kesselring/
Vogl, 2010). Damit VertrauenauchunterMobilitätsbedingungen
entstehen kann, bedarf es regelmäßiger Face-to-Face-Kontakte,
wöchentlicher Mindestpräsenzen (zwei Tage pro Woche) für
den Führungskontakt und den kollegialen Austausch. Regel-
mäßige Präsenzzeiten im Unternehmen garantieren zudem
einen guten Informationsfluss. Auch Führungskräfte müssen
Medienkompetenz besitzen, um themenbezogen das passende
Kommunikationsmedium auszuwählen. Schließlich ist eine
ausdrückliche familienfreundliche Unternehmenskultur hilf-
reich (z.B. Brandt, 2010; Bretschneider-Hagemes, 2011; Hup-
feld/Brodersen/Herdegen, 2013; Kremer/Janneck, 2013).
Mobil Arbeitende benötigen für die Phasen ihrer Anwesen-
heit imUnternehmen Arbeitsplätze, an denen sie konzentrierte
Ruhearbeit ausführen, aber auch Besprechungen zum Zwecke
des Informationsaustauschs und der Abstimmung stattfinden
können. Die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten ist Aus-
druck von Wertschätzung und Bindungswillen vonseiten des
Unternehmens. Wer sich immer erst einen Raum suchen muss
und andere dann bei der Ausübung ihrer Arbeit stört oder