PERSONALquarterly 2/2017 - page 26

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PERSONALquarterly 02/17
SCHWERPUNKT
_VIRTUELLE KOOPERATION
in den Prozess wird dieses Risiko reduziert und durch das
schriftliche Dokumentieren der Informationen minimiert.
Ergebnisse
Die Einzelfallstudie verdeutlichte die kritische Stelle bei der die
Ländergrenzen überschreitenden Kommunikation, der in dem
hier vorgestellten Unternehmen eine besondere Bedeutung
beigemessen wird. Bereits nach einem FLOW-Interview wurde
deutlich, dass die Kommunikation zwischen Deutschland und
Spanien eine besondere Herausforderung und dadurch auch
ein Risiko für den Projekterfolg darstellt.
In der agilen Softwareentwicklung ist der Einsatz eines
On-Site-Customers nicht selten. Dieser steht den Entwicklern
jederzeit im Idealfall persönlich für Rückfragen oder bei Klä-
rungsbedarf zur Verfügung, ist aber in jedem Fall telefonisch
erreichbar. Wenngleich oftmals nicht alle agilen Praktiken um-
gesetzt werden, so finden sich doch einige wesentliche agile
Praktiken im Prozess wieder.
Die Arbeit mit Beratern ist mit der Idee des in der agilen Soft-
wareentwicklung häufig anzutreffenden On-Site-Customers
vergleichbar. Die Berater stehen für Rückfragen der Entwickler
zur Verfügung, haben Entscheidungsbefugnis und stehen in
einem sehr engen Austausch mit den externen Kunden. Da-
durch können sie die Kundenanforderungen an die Entwickler
weitergeben und die Wünsche der Kunden vor den Entwicklern
vertreten.
Ein weiteres agiles Artefakt, das in dem Unternehmen ver-
wendet wird, sind die Story-Cards im Ticketsystem. Diese
spiegeln die Kundenanforderungen wider und werden nach
Priorität von den Entwicklern implementiert. Verfasst werden
die Story-Cards in der agilen Softwareentwicklung üblicher-
weise vom Kunden oder dessen ständigem Vertreter. Auch in
diesem Beispiel werden die Story-Cards vomOn-Site-Customer,
also den Beratern, verfasst und von der Qualitätssicherung und
den Entwicklern überarbeitet und verfeinert. Die Story-Cards
finden sich im Ticketsystem wieder und sind darüber für die
Qualitätssicherung und die Entwickler einsehbar. Die Story-
Cards stellen eine kurzlebige, da Veränderungen unterzogene
feste Dokumentation der Kundenanforderungen dar und geben
die Inhalte des Anforderungskatalogs wieder. Im Gegensatz zu
den Story-Cards wird der Anforderungskatalog jedoch nicht
so häufig verändert und angepasst; die Informationen sind
langfristiger abrufbar.
In der länderübergreifenden Kommunikation spielen die
Berater ebenfalls eine wichtige Rolle. Da länderübergreifende
Kommunikation stets eine kritische Stelle im Informations-
fluss darstellt, muss diese Stelle besonders beobachtet werden,
um Informationsverlust zu vermeiden. Eine Möglichkeit bie-
tet eine regelmäßige Kommunikation zwischen beiden Teams
und eine engmaschige Überprüfung der Kundenzufriedenheit
– wie es in dem Fallbeispiel gegeben ist. Dadurch kann sicher-
gestellt werden, dass alle relevanten Informationen über die
Ländergrenze hinweg transportiert und verbreitet werden. Au-
ßerdem ist es empfehlenswert, in beiden Ländern mindestens
einen Mitarbeiter einzustellen, der die jeweils andere Sprache
spricht, sodass nicht nur auf Englisch als Unternehmensspra-
che zurückgegriffen werden muss. In dem hier präsentierten
Unternehmen wurde die sprachliche Barriere bspw. durch ei-
ne fließend spanisch sprechende Mitarbeiterin im deutschen
Beraterteam reduziert. Sie kann sicherstellen, dass keine fal-
schen Informationen aufgrund von sprachlichen Missverständ-
nissen transportiert werden.
Folgerungen
Je nach Unternehmenskontext und Situation sind nicht immer
die gleichen Herangehensweisen zielführend. Die hier ange-
wandte Praktik des On-Site-Customers stellt oftmals in der
Umsetzung eine Herausforderung dar, da zusätzliche Ressour-
cen (wie hier die Berater) bereitgestellt werden müssen und
die verstärkte Kommunikation zwischen On-Site-Customer
und Kunde einen erhöhten Aufwand darstellt. Die Praktik
führt aber auch zu vielen Vorteilen, wenn Lösungen mit dem
Kunden erarbeitet werden sollen, ein erfolgreicher Projektab-
schluss mit zufriedenem Kunden im Fokus steht und sprach-
liche Barrieren zu überwinden sind. Darüber hinaus hilft sie,
Missverständnissen entgegenzuwirken und dadurch falscher
Implementierung vorzubeugen.
Länderübergreifende Kommunikation kann durch einen On-
Site-Customer zwar nicht verhindert werden, da die Länder-
grenze entweder zwischen Kunde und On-Site-Customer oder
zwischen On-Site-Customer und Entwickler bestehen bliebe,
aber sie wird merklich erleichtert. Kunden haben zumeist nur
ein begrenztes Zeitkontingent, in dem sie für Rückfragen und
Gespräche zur Verfügung stehen. Daher werden kommunika-
tionsstarke und fachlich versierte Berater, die auch im weite-
ren Verlauf Lösungen mit den Kunden konkretisieren können,
benötigt. Die Anforderungen können von den Beratern präzi-
siert und in der Landessprache der Entwickler ausformuliert
werden, sodass sie von den Entwicklern umgesetzt werden
können.
Diese Maßnahmen lassen sich sicherlich nicht in jedem Un-
ternehmen realisieren. Wichtig ist jedoch die Steigerung des
Bewusstseins über mögliche Schwierigkeiten bei der länder­
übergreifenden Kommunikation und die stetige Beobachtung
des Austauschs.
In Bezug auf die länderübergreifende Kommunikation muss
abgewogen werden, welche Gespräche protokolliert werden
sollen und bei welchen Informationen das Vorliegen in flüs-
siger Form ausreicht oder sogar Vorteile hat, weil flüssige Infor-
mationen schneller fließen. Die langfristige Verfügbarkeit von
Informationen über Dokumentationen sicherzustellen, kostet
Zeit. Werden die dokumentierten Informationen von weiteren
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