PERSONALquarterly 2/2017 - page 22

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PERSONALquarterly 02/17
SCHWERPUNKT
_VIRTUELLE KOOPERATION
B
ei Arbeiten in einem Team spielt eine angemessene
Informationsweitergabe eine wichtige Rolle. Ab-
sprachen, Konventionen und andere Informationen
müssen mit dem Team oder mit einzelnen Teammit-
gliedern kommuniziert werden, um den Projekterfolg nicht zu
gefährden.
Auch in der Softwareentwicklung ist ein adäquater Informa-
tionsfluss wesentlich, um das Projekt erfolgreich zu beenden
(Klünder et al., 2016). Nicht kommunizierte Anforderungen
oder Kundenwünsche führen oftmals dazu, dass dem finalen
Softwareprodukt wichtige Funktionen fehlen. Das Projekt
kann aber nur dann erfolgreich abgeschlossen werden, wenn
der Kunde mit dem Endprodukt zufrieden ist.
Vor allem in global verteilten Teams stellt die Informations-
weitergabe eine besondere Schwierigkeit dar (Stapel & Schnei-
der, 2012; Kauffeld et al., 2016). Muss über Ländergrenzen
hinweg kommuniziert werden, kommen neben den häufig
auftretenden Schwierigkeiten wie bspw. der Terminfindung,
Absprachen sowie unterschiedlichen Vorstellungen und Inter-
pretationen der Kundenwünsche auch die sprachliche Barriere,
die Zeitverschiebung und ausbleibende Meetings erschwerend
hinzu. In global verteilten Teams ist es jedoch umso wichtiger,
dass der Informationsaustausch sichergestellt ist, da es an-
sonsten nahezu unmöglich ist, den Überblick zu behalten und
sicherzustellen, dass beide Parteien das gleiche Verständnis
haben und an einem Strang ziehen. Zudem sind kurzfristige
Absprachen oft nur schwer möglich, weshalb eine gut funkti-
onierende Regelkommunikation unabdingbar ist (vgl. Stapel
et al., 2011).
Seit mehreren Jahren beschäftigt sich das Fachgebiet Soft-
ware Engineering an der Leibniz Universität Hannover mit In-
formationsflüssen in der Softwareentwicklung. Es wurde eine
Methode entwickelt, um Informationsflüsse zu erheben, zu vi-
sualisieren und schließlich zu analysieren und zu verbessern.
Diese Methode wurde in mehreren Teams und Unternehmen
angewendet, um kritische Punkte und Schwachstellen in der
Kommunikation zu finden (Stapel, 2011) und im DFG-Projekt
Team-FLOW in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Arbeits- und
Organisationspsychologie an der TU Braunschweig weiterent-
wickelt. Bspw. sind Dokumente, die zwar geschrieben, aber
Informationsfluss in verteilten
Softwareprojekten – eine Einzelfallstudie
Von
Jil Klünder
und
Prof. Dr. Kurt Schneider
(Leibniz Universität Hannover)
nicht gelesen werden, ebenso problematisch wie ein unterbro-
chener Informationsfluss, der oftmals lange Zeit unentdeckt
bleibt. Ein Aufdecken dieser Stellen kann die Zusammenarbeit
und damit auch den Projekterfolg positiv beeinflussen und
Schwierigkeiten vorbeugen.
In diesem Beitrag wenden wir die sogenannte FLOW-Me-
thode auf ein mittelständisches Softwareunternehmen an, in
dem Mitarbeiter aus Deutschland und Spanien gemeinsam an
unterschiedlich großen Softwareprojekten arbeiten. Dabei liegt
das Hauptaugenmerk auf der Kommunikation zwischen den
Projektbeteiligten aus beiden Ländern.
Informationsflussanalyse in der Softwareentwicklung
Im Rahmen des Forschungsprojekts Info-FLOW beschäftigte
sich das Fachgebiet Software Engineering mit den Eigenschaf-
ten, der Modellierung, der Analyse und der Optimierung von
Informationsflüssen in der Softwareentwicklung.
Aggregatzustände von Informationsflüssen. Grundlegend
für FLOW ist die Unterscheidung zwischen festen und flüssigen
Informationsspeichern, die entweder langfristig abrufbar, wie-
derholt aufrufbar und für Dritte, d.h. Außenstehende mit Do-
mänenwissen, verständlich sind (fest) oder mindestens eine
dieser Eigenschaften nicht erfüllen (flüssig) (Stapel, 2012).
Beispiele für feste Informationsflüsse und Informations-
speicher sind Dokumente sowohl in Papierform als auch
elektronisch, Quellcode und Audioaufnahmen. Flüssige Infor-
mationsspeicher sind bspw. Personen, Notizzettel und White-
board-Notizen. E-Mails lassen sich nicht eindeutig einer der
beiden Formen zuordnen. In diesem Fall hängt es davon ab, ob
es sich um eine informelle E-Mail, die nach dem Lesen gelöscht
wird (flüssig), oder um eine E-Mail, die nach dem Lesen archi-
viert wird (fest), handelt.
Erhebung der Daten. Für die Untersuchung der Informa-
tionsflüsse in Teams und Unternehmen werden zunächst
Interviews mit im Vorfeld als geeignet befundenen Projekt-
beteiligten geführt (Stapel, 2012). Üblicherweise sind dies
der Projektleiter, ein bis zwei Teammitglieder und weitere
Beteiligte mit übergeordneten oder speziellen Aufgaben. Die
Befragten werden gebeten, von ihrer täglichen Arbeit, Kernauf-
gaben und der Zusammenarbeit mit anderen Teammitgliedern
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