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02/16 PERSONALquarterly
tenz, Create- und Playkompetenz sowie die Frameworkkompetenz
– im Folgenden als „OO-Kompetenzen“ abgekürzt – werden bei
Offenen Organisationen bzw. zunehmender Unplanbarkeit und
erhöhtem Innovationsbedarf immer relevanter. Es handelt sich
um eher „informelle“ Kompetenzen, die sich in der Praxis am Ar-
beitsgegenstand zeigen. In den „klassischen“ Fachkompetenzen
und den typischen Sozial- und Methodenkompetenzen werden
sie nicht ausreichend abgebildet. Die Herausforderung für ihre
Produktivität liegt in der Ausbalancierung zwischen extremen
Polen, wie sie mit Nähe und Distanz, schöpferischem Akt und
Chaos sowie Plan und Planlosigkeit beschrieben werden können.
In den Abbildungen 2 bis 4 sind diese OO-Kompetenzen mit ihren
verschiedenen Eigenschaften und Ausprägungen systematisch
aufgelistet.
Entwicklung und Förderung der OO-Kompetenzen
Für die Unterstützung ihrer Genese lassen sich je nach
OO-Kompetenz unterschiedliche Anforderungen an förderli-
che Bedingungen in der Arbeit formulieren. Zudem existie-
ren Bedingungen, die die Ausbildung erfahrungsgeleiteter
OO-Kompetenzen insgesamt befördern.
• So können Unternehmen mit Blick auf die Carekompetenz
Gelegenheits- und Verbindlichkeitsstrukturen schaffen, in
denen eine Beziehung zum Unternehmen, zu den Kolle-
gInnen und zum Arbeitsgegenstand ermöglicht, erlebt und
gestärkt sowie Involvement und Bindung der Mitarbeiter
durch „achtsame“ Partizipation erreicht werden kann.
• Mit Blick auf die Create-/Playkompetenz hat sich bewährt,
die Tätigkeit selbst – ohne Rücksicht auf die formale Qualifi-
kation – zu bewerten, Innovationen als Prozess „von unten“
zu fördern sowie Gestaltungsfreiräume (zeitlich und inhalt-
lich) einzuräumen.
• Für die Frameworkkompetenz können Unternehmen einen
ganzheitlichen Zugang zum Arbeitsgegenstand ermögli-
chen, d.h. vor allem Raum für selbststrukturierte Arbeit (vs.
Controlling-Logik) zugestehen, aber auch Orientierungs-
möglichkeiten geben.
• Für alle drei erfahrungsbasierten OO-Kompetenzen ist es
dementsprechend zuträglich, das Engagement der Mitar-
beiter durch attraktive Rahmenbedingungen/Gelegenheits-
strukturen mit ausreichend Informationen, Ressourcen und
Arbeitsmitteln zu fördern, eine Öffnung durch intensive Par-
tizipationsmöglichkeiten in Entscheidungs- und Gestaltungs-
prozessen einzuräumen und zugleich begleitend (coachend,
dienend) zu führen, eine maßvolle (nicht übermäßige) Forma-
lisierung (Planung, Kontrolle, Dokumentation) zu betreiben
und darüber hinaus Grenzziehungen – vor allem mit Blick auf
Überforderung und Überbeanspruchung – zu antizipieren.
2 Create-/Playkompetenz
Potenziale
Defizite
Die Create-/Playkompetenz ist mit einer künstlerischen und spiele-
rischen Bezugnahme auf den Arbeitsgegenstand verbunden: Offen-
heit für Unbekanntes, Sensibilität für neue Möglichkeiten sowie ein
produktiver Umgang mit Unberechenbarkeit, z.B. auch Irritationen,
Krisen und Störungen.
Neben dem Aushalten der Offenheit von Neuem, der Öffnung für neue
Impulse und dem Setzen von neuen Impulsen steht diese Kernkompe-
tenz der Innovationsarbeit in engem Zusammenhang mit einer ausge-
prägten Lernbereitschaft sowie der Fähigkeit zu situativer Aneignung.
Der spielerische Zugang steht auch für die Vertiefung in die Situation
und Materie und eine gewisse „zweckhafte Absichtslosigkeit“.
Mit der Create-/Playkompetenz ist aber auch ein persönlicher
Ausdruck in Arbeitsweise und/oder Werk verbunden. Insgesamt
gehen hier Arbeitsästhetik, Gefühl für den Arbeitsgegenstand und
persönlicher Ausdruck Hand in Hand.
Schöpferischer Akt und vertiefendes Aus-
probieren
• Impuls, Initiative
• neuer Lösungsraum, Schaffung von (neuen)
Optionen
• explorativ-entdeckendes Vorgehen, prozess-
haftes Entwickeln
• Gespür für immanente Entwicklungslogik
• sinnliche Wahrnehmung und Imaginationen
des Verwendungskontexts
• hoher Anspruch an zeitliche und
qualitative Ressourcen
• aus quantitativ und effizienzorien-
tierter Perspektive schwierig – wenn
wenig Zugeständnis an Spielraum und
„anderes Denken und Handeln“ von
Seiten der Organisation
• Gefahr der Selbstintensivierung und
-ausbeutung etc.
Chaos
• Initiative/Impulse
• Geschwindigkeit
• Aufbruch, Anregung zu neuen Perspektiven
• Veränderung (kreatives Chaos), zweckhafte
Zwecklosigkeit, geregelte Unberechenbarkeit
• Durchblick verlieren
• keine Anschlussfähigkeit (für andere)
• Beliebigkeit, zwecklose Zwecklosig-
keit, ungeregelte Unberechenbarkeit
• Interpretation von „Spielraum“ als
Auszeit
Die Create-/Playkompetenz kann als „Innovations-Kernkompetenz“ bezeichnet werden, bei der eine Gratwanderung zwischen schöpferischem Akt als singu-
lärer Variation (in der Pfadabhängigkeit verharren) und beliebigem sowie ergebnislosem kreativem Chaos austariert werden muss.
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 3:
Kompetenzen in und für die Offene Organisation