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          02/16  PERSONALquarterly
        
        
          O
        
        
          pen Organization“ ist eine konsequente Weiterent-
        
        
          wicklung der Überlegungen zur „Open Innovation“
        
        
          (Chesbrough, 2003). Vor allem am Markt agierende
        
        
          Unternehmen, aber zunehmend auch alle Organisati-
        
        
          onen müssen sich auf gestiegene Flexibilitätsanforderungen ein-
        
        
          stellen. Die Quellen dieser Zunahme sind vielfältig und reichen
        
        
          von Globalisierungsprozessen, veränderten wirtschaftlichen
        
        
          und politischen Rahmenbedingungen bis zum Wertewandel und
        
        
          Individualisierungsprozessen. Innovation scheint eine Antwort
        
        
          auf die resultierenden Herausforderungen zu sein. Und als we-
        
        
          sentliches Mittel, um Innovation zu fördern, wird nicht zuletzt
        
        
          eine möglichst offene Gestaltung von Innovationsprozessen ge-
        
        
          fordert – zum Beispiel durch die frühzeitige Einbeziehung aller
        
        
          relevanten (vor- und nachgelagerten) Gruppen entlang des Le-
        
        
          benszyklus eines Produkts (Pfeiffer et al., 2012), durch bereichs-
        
        
          übergreifende und unternehmensübergreifende Kollaboration,
        
        
          durch die Einbeziehung der Kunden etc. bis hin zu Open-Source-
        
        
          Entwicklungen und zur Nutzung der „Crowd“. Geht man davon
        
        
          aus, dass eine solche Öffnung von Innovationsprozessen nicht
        
        
          isoliert in einem Teilbereich der Organisation stattfinden kann,
        
        
          sondern letztlich – spätestens über die Kultur
        
        
          1
        
        
          vermittelt – die
        
        
          ganze Organisation betrifft, ist der Schritt zur „Offenen Organisa-
        
        
          tion“ bereits getan. Open Organization geht also davon aus, dass
        
        
          die Öffnung von Innovationsprozessen letztlich auch einer anders
        
        
          aufgestellten Gesamtorganisation bedarf. Innovation ist nicht un-
        
        
          abhängig von Organisationsstruktur und -kultur gestaltbar.
        
        
          Wir führen im Folgenden zunächst anhand einiger Beiträge
        
        
          zur Diskussion um die Offene Organisation aus, welches „Ideal-
        
        
          bild“ eines offenen Unternehmens aktuell gezeichnet wird und
        
        
          welche weitreichenden Konsequenzen dies für die gesamte
        
        
          Organisationsstruktur und -kultur hat. In der Folge entwickeln
        
        
          wir auf der Basis unseres laufenden Forschungs- und Gestal-
        
        
          tungsprojekts „Rakoon“
        
        
          2
        
        
          eine Typologie von Unternehmens-
        
        
          öffnung im Sinne der Offenen Organisation und weisen auf
        
        
          Offene Organisation:
        
        
          Anforderungen, Strategien, Kompetenzen
        
        
          Von
        
        
          
            Dr. Stephanie Porschen-Hueck
          
        
        
          und
        
        
          
            Dr. Norbert Huchler
          
        
        
          (ISF München e.V.)
        
        
          das Spannungsfeld zwischen Stabilität und Flexibilität hin, in
        
        
          dem sich Öffnungsstrategien bewegen. Wir leiten drei Typen
        
        
          von Kompetenzen ab, die in derartigen Öffnungssituationen
        
        
          erforderlich sind, und zeigen, zwischen welchen Polen deren
        
        
          Ausprägungen angesiedelt sind. Schließlich entwerfen wir ein
        
        
          in der Praxis erprobtes Konzept zum „Management“ dieser
        
        
          Kompetenzen sowie eine Reihe von Maßnahmen, die geeig-
        
        
          net sind, damit produktiv umzugehen. Abschließend halten
        
        
          wir fest, dass offene Organisation ohne eine Vertrauenskultur
        
        
          nicht möglich ist, und gehen näher auf diese „Vertrauensfrage“
        
        
          und ihre Konsequenzen ein.
        
        
          
            Von der Open Innovation zur Open Organization
          
        
        
          Der Öffnung der Organisation nach innen und außen kommt
        
        
          insbesondere für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit
        
        
          der Unternehmen zunehmend Bedeutung zu: So ist zum Bei-
        
        
          spiel ohne intensive und weitreichende Kooperation und Kom-
        
        
          munikation sowie bereichsübergreifenden Wissensaustausch
        
        
          keine Kreativität, Resilienz und ausreichende Achtsamkeit
        
        
          der Organisation gegenüber Anforderungen aus der Umwelt
        
        
          zu erwarten. Ohne eine entsprechend offene Beteiligungs- und
        
        
          Führungskultur wird keine Initiative, Kreativität und Leiden-
        
        
          schaft der Mitarbeiter, mit den wachsenden Herausforderun-
        
        
          gen umzugehen, abzurufen sein. Dies erfordert ein Umden-
        
        
          ken bezüglich der gesamten Unternehmensorganisation. Es
        
        
          zeichnet sich ein neues Idealbild ab: eine Arbeit in Communi-
        
        
          ties statt in Hierarchien, eine Orientierung an gemeinsamen
        
        
          Zielen und weniger an ökonomischen Abhängigkeiten, ein
        
        
          größerer Stellenwert geteilter Normen und gemeinsamer Be-
        
        
          strebungen gegenüber Vorschriften durch Vorgesetzte. Intrin-
        
        
          sische Anreize durch die Identifikation mit der Arbeit gelten
        
        
          hier als genauso wichtig wie die monetäre Vergütung der Tä-
        
        
          tigkeit (vgl. Foster, 2014; Whitehurst, 2015). Dieses Idealbild
        
        
          wird nicht nur für die „Generation Y“ gezeichnet. Die kom-
        
        
          plexen Anforderungen erfordern ein „Management Y“ (vgl.
        
        
          die Menschenbilder „X“ vs. „Y“ nach Mc Gregor, 1960) für alle
        
        
          Mitarbeiter, zu dem beispielsweise partizipative Strukturen,
        
        
          souveräne Haltungen, Lösungsoffenheit, eine Erfinderkultur,
        
        
          die gemeinsame Belebung der Organisation sowie Vertrauen
        
        
          gehören (Brandes et al., 2014).
        
        
          1 Mit dem Fokus auf eine real „gelebte“ Kultur, die sowohl das Management als auch das Arbeitshan-
        
        
          deln der Beschäftigten umfasst, subsumieren wir hierunter für diesen Beitrag die Unternehmens-/
        
        
          Organisationskultur, die Führungskultur und die Arbeitskultur vor Ort.
        
        
          2 Die hier präsentierten Überlegungen und Ergebnisse beruhen auf Forschungsarbeiten in dem Projekt
        
        
          „Rakoon – Fortschritt durch offene Kollaboration in offenen Organisationen – Lebensphasenadäquates
        
        
          Kompetenzmanagementsystem“. Das Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung
        
        
          und Forschung (Förderschwerpunkt „Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel“) und des Eu-
        
        
          ropäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert. Betreut wird das Projekt vom Projektträger
        
        
          im DLR „Arbeitsgestaltungen und Dienstleistungen“. Die Projektlaufzeit ist von 12/2013 bis 02/2017.
        
        
          Siehe Projekthomepage