PERSONALquarterly 2/2016 - page 9

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O
pen Organization“ ist eine konsequente Weiterent-
wicklung der Überlegungen zur „Open Innovation“
(Chesbrough, 2003). Vor allem am Markt agierende
Unternehmen, aber zunehmend auch alle Organisati-
onen müssen sich auf gestiegene Flexibilitätsanforderungen ein-
stellen. Die Quellen dieser Zunahme sind vielfältig und reichen
von Globalisierungsprozessen, veränderten wirtschaftlichen
und politischen Rahmenbedingungen bis zum Wertewandel und
Individualisierungsprozessen. Innovation scheint eine Antwort
auf die resultierenden Herausforderungen zu sein. Und als we-
sentliches Mittel, um Innovation zu fördern, wird nicht zuletzt
eine möglichst offene Gestaltung von Innovationsprozessen ge-
fordert – zum Beispiel durch die frühzeitige Einbeziehung aller
relevanten (vor- und nachgelagerten) Gruppen entlang des Le-
benszyklus eines Produkts (Pfeiffer et al., 2012), durch bereichs-
übergreifende und unternehmensübergreifende Kollaboration,
durch die Einbeziehung der Kunden etc. bis hin zu Open-Source-
Entwicklungen und zur Nutzung der „Crowd“. Geht man davon
aus, dass eine solche Öffnung von Innovationsprozessen nicht
isoliert in einem Teilbereich der Organisation stattfinden kann,
sondern letztlich – spätestens über die Kultur
1
vermittelt – die
ganze Organisation betrifft, ist der Schritt zur „Offenen Organisa-
tion“ bereits getan. Open Organization geht also davon aus, dass
die Öffnung von Innovationsprozessen letztlich auch einer anders
aufgestellten Gesamtorganisation bedarf. Innovation ist nicht un-
abhängig von Organisationsstruktur und -kultur gestaltbar.
Wir führen im Folgenden zunächst anhand einiger Beiträge
zur Diskussion um die Offene Organisation aus, welches „Ideal-
bild“ eines offenen Unternehmens aktuell gezeichnet wird und
welche weitreichenden Konsequenzen dies für die gesamte
Organisationsstruktur und -kultur hat. In der Folge entwickeln
wir auf der Basis unseres laufenden Forschungs- und Gestal-
tungsprojekts „Rakoon“
2
eine Typologie von Unternehmens-
öffnung im Sinne der Offenen Organisation und weisen auf
Offene Organisation:
Anforderungen, Strategien, Kompetenzen
Von
Dr. Stephanie Porschen-Hueck
und
Dr. Norbert Huchler
(ISF München e.V.)
das Spannungsfeld zwischen Stabilität und Flexibilität hin, in
dem sich Öffnungsstrategien bewegen. Wir leiten drei Typen
von Kompetenzen ab, die in derartigen Öffnungssituationen
erforderlich sind, und zeigen, zwischen welchen Polen deren
Ausprägungen angesiedelt sind. Schließlich entwerfen wir ein
in der Praxis erprobtes Konzept zum „Management“ dieser
Kompetenzen sowie eine Reihe von Maßnahmen, die geeig-
net sind, damit produktiv umzugehen. Abschließend halten
wir fest, dass offene Organisation ohne eine Vertrauenskultur
nicht möglich ist, und gehen näher auf diese „Vertrauensfrage“
und ihre Konsequenzen ein.
Von der Open Innovation zur Open Organization
Der Öffnung der Organisation nach innen und außen kommt
insbesondere für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen zunehmend Bedeutung zu: So ist zum Bei-
spiel ohne intensive und weitreichende Kooperation und Kom-
munikation sowie bereichsübergreifenden Wissensaustausch
keine Kreativität, Resilienz und ausreichende Achtsamkeit
der Organisation gegenüber Anforderungen aus der Umwelt
zu erwarten. Ohne eine entsprechend offene Beteiligungs- und
Führungskultur wird keine Initiative, Kreativität und Leiden-
schaft der Mitarbeiter, mit den wachsenden Herausforderun-
gen umzugehen, abzurufen sein. Dies erfordert ein Umden-
ken bezüglich der gesamten Unternehmensorganisation. Es
zeichnet sich ein neues Idealbild ab: eine Arbeit in Communi-
ties statt in Hierarchien, eine Orientierung an gemeinsamen
Zielen und weniger an ökonomischen Abhängigkeiten, ein
größerer Stellenwert geteilter Normen und gemeinsamer Be-
strebungen gegenüber Vorschriften durch Vorgesetzte. Intrin-
sische Anreize durch die Identifikation mit der Arbeit gelten
hier als genauso wichtig wie die monetäre Vergütung der Tä-
tigkeit (vgl. Foster, 2014; Whitehurst, 2015). Dieses Idealbild
wird nicht nur für die „Generation Y“ gezeichnet. Die kom-
plexen Anforderungen erfordern ein „Management Y“ (vgl.
die Menschenbilder „X“ vs. „Y“ nach Mc Gregor, 1960) für alle
Mitarbeiter, zu dem beispielsweise partizipative Strukturen,
souveräne Haltungen, Lösungsoffenheit, eine Erfinderkultur,
die gemeinsame Belebung der Organisation sowie Vertrauen
gehören (Brandes et al., 2014).
1 Mit dem Fokus auf eine real „gelebte“ Kultur, die sowohl das Management als auch das Arbeitshan-
deln der Beschäftigten umfasst, subsumieren wir hierunter für diesen Beitrag die Unternehmens-/
Organisationskultur, die Führungskultur und die Arbeitskultur vor Ort.
2 Die hier präsentierten Überlegungen und Ergebnisse beruhen auf Forschungsarbeiten in dem Projekt
„Rakoon – Fortschritt durch offene Kollaboration in offenen Organisationen – Lebensphasenadäquates
Kompetenzmanagementsystem“. Das Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung (Förderschwerpunkt „Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel“) und des Eu-
ropäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert. Betreut wird das Projekt vom Projektträger
im DLR „Arbeitsgestaltungen und Dienstleistungen“. Die Projektlaufzeit ist von 12/2013 bis 02/2017.
Siehe Projekthomepage
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