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          PERSONALquarterly  02/16
        
        
          
            SCHWERPUNKT
          
        
        
          _KOMPETENZENTWICKLUNG
        
        
          ABSTRACT
        
        
          
            Forschungsfrage:
          
        
        
          Welche Kompetenzen werden bei der Öffnung von Unternehmen rele-
        
        
          vant und wie lassen sie sich in flexiblen Organisationen „managen“?
        
        
          
            Methodik:
          
        
        
          In empirischer qualitativer Forschung (ExpertInneninterviews mit Betriebsfallstu-
        
        
          dien) wurden Anforderungen an eine offene Organisation und erfahrungsbasierte Kompe-
        
        
          tenzen ermittelt.
        
        
          
            Praktische Implikationen:
          
        
        
          Flexibilisierungsanforderungen im Innovationswettbewerb führen
        
        
          zu offeneren Organisationsstrukturen, zu deren Umgang Mitarbeiter und Führungskräfte be-
        
        
          sondere Kompetenzen benötigen: die Care-, Create-/Play- und Frameworkkompetenz.
        
        
          Noch einen Schritt weiter geht Foster in der aktuellen
        
        
          Veröffentlichung „The Open Organization“ (Foster, 2014). Er
        
        
          beschreibt die Offene Organisation anhand von acht Regeln
        
        
          folgendermaßen: „As we begin to explore this new era, we find
        
        
          eight functional rules of an Open Organization: (1) it has a
        
        
          written Charter or Governance; (2) open participation amongst
        
        
          members; (3) self-management; (4) best practices are explicitly
        
        
          defined; (5) absolute respect for skills and knowledge; (6) pu-
        
        
          blic ownership of knowledge; (7) diversity, and (8) affirmative
        
        
          or positive environment“ (Foster 2014, S. 16).
        
        
          Ähnliche Leitlinien werden bei Whitehurst – CEO eines Unter-
        
        
          nehmens für Open-Source-Software – aufgestellt (Whitehurst,
        
        
          2015). Ihm zufolge konkurrieren Individuen in erster Linie,
        
        
          um einen Unterschied zu machen, und nicht, um in der Orga-
        
        
          nisationspyramide aufzusteigen. Die Entlohnung wird besser
        
        
          vom kollegialen Umfeld und nicht von Vorgesetzten bestimmt.
        
        
          Experimente und eine schnelle Prototypentwicklung werden
        
        
          zu Schlüsselkompetenzen. Communities, die eine gemeinsame
        
        
          Leidenschaft trägt, werden zu grundlegenden Organisations-
        
        
          bausteinen. Die Strategieplanung des Unternehmens basiert
        
        
          auf einem dynamischen unternehmensweiten Austausch.
        
        
          Veränderungen starten oft in unerwarteten Bereichen und
        
        
          werden „aufgerollt“, nicht „ausgerollt“. Kontrolle wird allein
        
        
          über Transparenz und Peer-Feedback erzeugt. Und die orga-
        
        
          nisationalen Grenzen werden brüchig. Jeder fängt an, wie ein
        
        
          Unternehmer zu denken, und wird genauso zur Rechenschaft
        
        
          gezogen. Entscheidungen werden so nah wie möglich am Ort
        
        
          des Geschehens getroffen und Verpflichtungen sollten auf frei-
        
        
          williger Basis fußen. Und schließlich wird das Warumwichtiger
        
        
          werden als das Was (Hamel in Whitehurst, 2014, S. xiii, xiv).
        
        
          Obwohl sowohl Foster als auch Whitehurst aus der Praxis
        
        
          berichten, geschieht dies doch in erster Linie mit Empfehlungs-
        
        
          charakter aus der Managementperspektive. Aber was bedeutet
        
        
          Offene Organisation für die reale Praxis verschiedener Unter-
        
        
          nehmensbranchen und -formen, die gegenüber einem progres-
        
        
          siven Open-Source-Unternehmen (wie bei Whitehurst, 2015)
        
        
          in der Regel weitaus geschlossener agieren? Wie spiegelt sich
        
        
          die Offene Organisation auf der Ebene der Organisationsstruk-
        
        
          turen, Managementprozesse und Kompetenzen – und letztlich
        
        
          der Unternehmenskultur als übergeordnetem Rahmen – wider?
        
        
          Fest steht, dass Offenheit zunächst nicht nur Optionenviel-
        
        
          falt bedeutet, sondern zugleich auch erhöhte Unsicherheit und
        
        
          Ungewissheit. Um diese zu bearbeiten, bedarf es neuer Anpas-
        
        
          sungsleistungen – sowohl strukturell (Arbeitsprozesse) wie
        
        
          auch personell (Kompetenzen). Grundvoraussetzung für beides
        
        
          ist eine passende kulturelle Rahmung.
        
        
          
            Betriebsfallstudien und Typologien zur Offenen Organisation
          
        
        
          Was eine offene Organisation ist und worin ihre Probleme und
        
        
          Herausforderungen liegen, welche Kompetenzen dafür beson-
        
        
          ders benötigt werden und wie man damit umgehen kann, haben
        
        
          wir anhand von drei Betriebsfallstudien in Unternehmen ver-
        
        
          schiedener Größen, Strukturen und Branchen (Maschinenbau,
        
        
          Software, Kreativwirtschaft) beleuchtet. Die Betriebsfallstudi-
        
        
          en beruhen vor allem auf qualitativen Interviews mit Experten
        
        
          „ihrer eigenen Tätigkeit“ sowohl auf der Vorgesetztenebene
        
        
          (z.T. Geschäftsführung, Leitung Entwicklungsbereich, z.T.
        
        
          Personalentwicklung, Projektleiter) als auch Mitarbeitern aus
        
        
          dem operativen Entwicklungskontext in den Unternehmen
        
        
          aus den unterschiedlichen Branchen. In die Betriebsfallstudi-
        
        
          en flossen auch die Auswertung betrieblicher Unterlagen und
        
        
          Rückmeldungen aus Feedbackworkshops ein. Auf Basis dieser
        
        
          qualitativen Forschung wurden empirisch-konzeptuelle Typo-
        
        
          logien nach den Prinzipien der Sättigung und Kontrastierung –
        
        
          insbesondere mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen
        
        
          Offenheit und Geschlossenheit bzw. Flexibilität und Stabilität
        
        
          – entwickelt, die im Folgenden näher erläutert werden.
        
        
          
            Anforderungen und Strategien der Öffnung
          
        
        
          Der Umgang mit Offenheit ist eine wichtige Gestaltungsauf-
        
        
          gabe für Unternehmen – auf der strukturellen wie auch auf
        
        
          der kulturellen Ebene. Für diese Aufgabe sind die Unterneh-
        
        
          men aktuell jedoch kaum vorbereitet. In der Praxis reichen
        
        
          die Formen der Öffnung von Organisationen momentan von
        
        
          top-down geplanten strategischen Entscheidungen bis hin zu
        
        
          kaum reflektierten Anpassungsprozessen. Häufig handelt es
        
        
          sich um isolierte singuläre Reaktionen auf externe und inter-
        
        
          ne Veränderungen, deren Gestalt- bzw. Beeinflussbarkeit eher
        
        
          gering eingeschätzt wird. Ganzheitliche Organisationsverän-
        
        
          derungen sind kaum zu beobachten.