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PERSONALquarterly 02/16
SCHWERPUNKT
_KOMPETENZENTWICKLUNG
handwerksbetrieb mit ca. 190 Beschäftigten. Die Arbeitsschwer-
punkte liegen imBereich der Elektrotechnik, der Abwicklung von
Großprojekten und in der Entwicklung eigener Produktlinien.
Die Betriebskultur zeichnet sich durch eine hohe Wertschätzung
gegenüber den eigenen Beschäftigten aus, Lernen und Wissens-
vermittlung spielt gerade in Bezug auf die große Anzahl von
Auszubildenden eine wichtige Rolle. Gegenwärtig macht sich der
demografische Wandel in der betrieblichen Altersstruktur stark
bemerkbar, viele erfahrene Mitarbeiter und damit deren Kom-
petenzen werden in den nächsten Jahren ausscheiden. Daher
sollten Lerntandems als Kompetenzentwicklungsmaßnahmen
angestoßen werden, um die Erfahrung der Mitarbeiter auf jün-
gere Mitarbeiter zu übertragen, aber auch um ältere Mitarbei-
ter an neue Arbeitsweisen heranzuführen. Der Betrieb hatte in
der Vergangenheit bereits ähnliche Ansätze erfolgreich mit der
Gruppe der Auszubildenden erprobt und wünschte sich nun eine
Übertragung auf andere, erfahrenere Personalgruppen.
Im Rahmen der angestoßenen Maßnahme wurden insgesamt
fünf Tandems aus jeweils zwei Beschäftigten gegründet. Diese
können in „Lerntandems“ (N = 2) und „Karrieretandems“ (N =
3) unterschieden werden. Lerntandems befassen sich primär
mit der Übertragung von technischem Fachwissen und -kom-
petenzen von einem erfahrenen („Wissensgeber“) zu einem
weniger erfahrenen Beschäftigten („Wissensnehmer“). Diese
Rollen können jedoch je nach Wissensinhalt wechseln: Da z.T.
neue Technologien eingesetzt und verbaut werden, die auch von
älteren Mitarbeitern beherrscht werden müssen, ist ein Wis-
senstransfer ebenso von Jung nach Alt mit eingeschlossen (z.B.
Umgang mit Soft- und Hardware). In den Lerntandems können
so auch ältere Arbeitnehmer ihr Wissen aktualisieren und an-
reichern, jüngere Mitarbeiter haben die Möglichkeit, neues Wis-
sen aus dem außerberuflichen Umfeld und/oder der Ausbildung
einzubringen und ebenfalls ihr Know-how zu vermitteln (vgl.
Frerichs, 2014). Karrieretandems weisen einen etwas breiteren
Fokus auf, da neben notwendigen Fachkompetenzen auch über-
fachliches Wissen wie z.B. Führungs- und Organisationskompe-
tenzen entwickelt werden sollen. Der Wissensnehmer soll durch
die Paarung mit einem erfahrenenWissensgeber individuell und
konsequent gefördert und in einen ihm bis dahin unbekannten
Arbeitsbereich (z. B. Baustellenleitung) eingeführt werden. Für
alle Tandems wurde das zu übertragende Wissen dabei vorab – in
Anlehnung an die Kompetenzmodelle – so konkret wie möglich
beschrieben und nach Gelegenheiten im Arbeitsablauf gesucht,
welche die Möglichkeit der Wissensübertragung boten. Dazu galt
es, neben arbeitsorganisatorischen Abläufen (z. B. Einteilung auf
der gleichen Baustelle) auch andere Dinge zu beachten. So wur-
den vorab eine Vielzahl an Gesprächen mit den Führungskräf-
ten, Projektleitern, dem Betriebsrat aber auch mit Beschäftigten
und Kollegen geführt, um auf der einen Seite für die Maßnahme
zu werben, zum anderen aber auch, um im Verlauf möglichen
auftretenden Problemen (Kostendruck, Personalfestschreibung)
vorzubeugen. Die Tandems sollen zunächst über einen Zeitraum
von sechs Monaten bestehen und dann ein evaluativer Zwi-
schenschritt erfolgen. Die Entwicklungsschritte der einzelnen
Tandems sollen mithilfe des Kompetenz-Navi festgehalten und
dokumentiert werden, um so die Effekte der Kompetenzentwick-
lungsmaßnahme zu überprüfen.
Abschließend ist festzuhalten, dass das Tandemmodell für
den Handwerksbetrieb eine sehr passfähige Kompetenzent-
wicklungsmaßnahme ist, die an Vorerfahrungen und die be-
triebliche Lernkultur im Handwerk („Meistermodell“ bzw.
„Lernen im Prozess der Arbeit“) anknüpft. Zudemwurde durch
das partizipative Vorgehen bei der Initiierung der Kompetenz-
entwicklungsmaßnahme die unternehmensspezifische Wert-
schätzungskultur gut berücksichtigt.
Fazit: Betriebskultur bestimmt Kompetenzentwicklung
Kompetenzentwicklung findet in allen Unternehmen statt, aller-
dings oft unsystematisch. Durch branchenspezifische und bran-
chenübergreifende Veränderungen der Arbeitswelt kommt einer
strategischen Ausrichtung des Kompetenzmanagements jedoch
eine zentrale Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit von Un-
ternehmen zu. Die aus Sicht von Experten relevanten Trends
spiegeln sich auf Unternehmensebene in Kompetenzlücken wi-
der. Branchentrends sollten daher im Sinne eines strategischen
Kompetenzmanagements berücksichtigt werden. Kompetenzmo-
delle tragen dem Rechnung und stellen die Basis dar, auf der
das Kompetenzmanagement aufbaut. Die mit dem Erstellungs-
prozess verbundene Arbeit lohnt sich. Denn wie sich gezeigt
hat, ergeben sich aus Trends oft Kompetenzanforderungen, auf
die Unternehmen frühzeitig reagieren können, um die Wettbe-
werbsfähigkeit zu stärken. Neben der Erstellung von Kompetenz-
modellen besteht für systematische Kompetenzentwicklung die
Notwendigkeit, Kompetenzen effizient und möglichst ökonomisch
zu erfassen. Kompetenzdiagnose-Tools wie das Kompetenz-Navi
erfüllen diese Anforderungen und ermöglichen es Unternehmen
außerdem, unternehmensspezifische Anpassungen zu machen.
Ein webbasiertes Tool nutzt zudem die Vorteile der zunehmenden
Digitalisierung. Das Kompetenz-Navi trägt in Kombination mit
den Kompetenzmodellen zur Integration verschiedener Perso-
nalinstrumente und -prozesse bei, was für das Kompetenzma-
nagement zentral ist (vgl. Grote/Kauffeld/Frieling, 2012). Mit
einer IT-Lösung, die viele praxisorientierte Funktionen (z. B.
Automatisierung der Auswertung, Vergleich von beliebigen
Kompetenzprofilen, Übersicht für das Gesamtunternehmen oder
Organisationseinheiten) für verschiedenste Anwendungen be-
reitstellt, wird Kompetenzmanagement auch Unternehmen ohne
große Vorerfahrung leichter zugänglich gemacht.
Die abgeleiteten Kompetenzentwicklungsmaßnahmen
sollten dabei immer auf die Betriebskultur abgestimmt werden,
damit konkrete Maßnahmen als passfähig erlebt und erfolg-
reich umgesetzt werden. Gerade arbeitsintegrierte Maßnah-