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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird dadurch ausge-
wogener und gleichberechtigter. Eine gute Entwicklung. Fast wie
in der Bundesliga oder der Premier League werden die Gehälter
und Ablösesummen für Fachkräfte in großen Schritten erhöht
(„Manchester United war gestern. In der Bauwirtschaft werden
Sie zum Star“).
Manche nennen das bereits „War for Talents“. Immer mehr
Unternehmen verbinden sich deshalb engermit denHochschulen
und Universitäten und machen so frühzeitig auf sich aufmerk-
sam. Aber nur Werbefilme werden es nicht richten. Vorhersagen
gehen davon aus, dass bis 2030 etwa sechs Millionen Babyboo-
mer inDeutschland aus demErwerbsleben scheidenwerden. Das
Durchschnittsalter auf den Baustellen liegt heute bereits bei über
50 Jahren. Als wenn die Flügelzange von BayernMünchen in drei
Jahren immer noch von Robbery besetzt wäre.
Aber die Bayern können ihre Mannschaft deutlich einfacher
verjüngen. Pro Jahr verabschieden sich 16.000 Baufachkräfte in
den Ruhestand, aber nur 11.000 rücken nach. Macht eine Lücke
von 5.000 Arbeitsplätzen pro Jahr. Befeuert wird der demogra-
fisch bedingte Fachkräftemangel durch die anhaltend gute Auf-
tragslage. In diesem Jahr müssen die 830.000 Baufacharbeiter
rund 25 Prozent mehr Aufträge bewältigen.
Die Unternehmen haben jeweils unterschiedliche Strategien
zur Mitarbeiterakquisition entwickelt. Investoren, Projektent-
wickler und Makler werben ihre Projektleiter mit höheren Ge-
hältern und Firmenwagen bei den Architekturbüros ab. Dadurch
E
ine Zeit, in der intelligente Roboter einen Großteil der Ar-
beit für sich beanspruchen und die Mehrheit der Mensch-
heit von körperlichen und geistigen Anstrengungen befreien,
wird nicht so schnell kommen, wie es einige Zukunftsforscher
ankündigen. Noch befinden wir uns in den anstrengenden Nie-
derungen eines arbeitsreichen Lebens. Seit den 2000er Jahren
wächst die Arbeit und sinkt die Arbeitslosigkeit. Kontinuierlich
steigt die Zahl der Erwerbstätigen inDeutschland, zurzeit sind es
45 Millionen. Was für ein Unterschied zu den Zeiten mit hoher
Sockelarbeitslosigkeit seit den 70er Jahren. Durch Wohnungs-
mangel und Infrastrukturförderung läuft die Bauwirtschaft heiß,
400Milliarden Euro Jahresumsatz in 2017 sind rekordverdächtig
(276 Milliarden Euro in 2008).
Aber wer macht eigentlich die Arbeit? Nach demZusammen-
bruch des ruinösen und großteils betrügerischen GU-Systems
ist die deutsche Bauwirtschaft kleinteiliger und internationaler
geworden. Die Großkartelle wurden aufgebrochen und die Bran-
che wurde trotz heftigenWiderstandes geöffnet. Hochtief, Züblin,
Strabag, Porr, BAMhabenmittlerweile spanische, österreichische
oder niederländische Muttergesellschaften. Der Mittelstand ist
überwiegend deutsch, die Arbeiter auf den Baustellen kommen
aber bereits seit Jahren mehrheitlich aus Kroatien, Rumänien,
Polen oder Tschechien.
Im Baubereich ist in Deutschland nahezu flächendeckend
Vollbeschäftigung erreicht. Die Unternehmen sind längst zu
Bewerbern um die Nachwuchstalente geworden. Das Verhältnis
Raumdeckung
Foto: Dirk Weiß