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2-01.2019
Im Wohnungsbereich werden die Portfolien knapp. Immobilienbestandshalter müssen
deshalb bestehende Konzepte überprüfen und neue Wege gehen. Die Branche befindet
sich im Umbruch. Wie begegnen die Player den Herausforderungen?
überhang von rund 48.000 Wohnungen
aufgebaut. Als Gründe werden unter an-
derem stark verlängerte Planungs- und
Genehmigungsprozesse, die Verknappung
von Bauland sowie die stark gestiegenen
Investitionskosten genannt. Damit ver-
längert sich der gesamte Projektentwick-
lungsprozess.
Wegen des Preisanstiegs
wird das organische
Wachstum für die Firmen
immer wichtiger
Zusammenfassend lässt sich also fest-
stellen, dass vor dem Hintergrund des
gegenwärtigen Preisanstiegs in vielen
Regionen das organische Wachstum für
Wohnimmobilienbestandshalter wich-
tiger wird. Am Beispiel von Branchen-
größen wie Vonovia oder TAG zeigt sich,
dass auch etablierte Bestandshalter ihre
Geschäftsmodelle auf die Anforderungen
ausgerichtet haben. Gleichzeitig positio-
nieren sich Offene Immobilienfonds wie
Union Investment oder ZBI in diesem
Segment. Auch Pensionskassen, Versor-
gungswerke oder Versicherungen, die
lange eher Bestände reduziert haben, en-
gagieren sich stärker.
Während Wohnimmobilienbestands-
halter diese Marktteilnehmer zunehmend
als Kundengruppe ansprechen, um Ver-
kaufsgewinne auf einem hohen Markt-
niveau zu generieren, verbünden sich
kapitalstarke Investoren verstärkt mit
Projektentwicklern, die gleichermaßen
ihre Geschäftsmodelle auf die neuen Rah-
menbedingungen ausgerichtet haben. Mit
längerer Haltedauer entwickeln sie sich
zu Bestandshaltern aus der zweiten Reihe
und bauen mit Projektentwicklungen für
den Eigenbestand eine Substanz auf.
Über die steigende Bedeutung von Pro-
jektentwicklern als Bestandshalter in der
zweiten Reihe gibt die jährliche Projekt-
entwicklerstudie des Immobilienanalysten
Bulwiengesa Auskunft.
Neben Trading Developments – also Im-
mobilien-Projektentwicklungen für den
Verkauf – werden in der Studie auch In-
vestor-Development-Projekte ausgewie-
sen, das heißt Entwicklungen für den Ei-
genbestand. In der letzten Untersuchung
wurden für die zehn größten deutschen
Projektentwickler Investor-Development-
Projekte mit einem Volumen von rund
17.800.000 Quadratmetern erfasst – eine
Steigerung von rund 20 Prozent gegenüber
demVorjahr. Der Anteil des Investor-De-
velopment-Volumens beträgt mittlerweile
rund 40 Prozent amGesamtvolumen. Ent-
wicklungen für den Eigenbestand werden
wichtiger.
Hinzu kommt, dass sich auch für Pro-
jektentwickler die Rahmenbedingungen
in den letzten Jahren deutlich geändert ha-
ben: Früher lagen die größten Herausfor-
derungen imVertrieb. Heute gestaltet sich
vor allem der Erwerb von geeigneten Ob-
jekten oder Baugrundstücken schwierig.
Dies wirkt sich auf den gesamten Zyklus
von Projektentwicklungen aus. Wenn ein
Projektentwickler auf dem aktuell oftmals
hohen Preisniveau ein Grundstück ohne
Baurecht kauft, kann es bis zu fünf Jah-
re dauern, bis erste Wohnungen verkauft
werden.
Darüber hinaus sind die politischen
und rechtlichen Vorgaben komplexer ge-
worden. Aus einer aktuellen Studie des
BfWLandesverbands Berlin/Brandenburg
geht hervor, dass die Anzahl der Fertig-
stellungen von neuen Wohnungen hinter
den Erwartungen zurückbleibt. Laut der
Studie stiegen seit dem Jahr 2008 die Ge-
nehmigungszahlen deutlich. Die Anzahl
der Fertigstellungen ist jedoch bislang
nur etwa halb so hoch. So hat sich in den
letzten zehn Jahren ein Genehmigungs-
standshaltern und demWunsch nach der
Realisierung von Skaleneffekten gibt es in-
zwischen eine Entwicklung, die von vielen
Experten vor wenigen Jahren nicht erwar-
tet wurde. Lange galt für Bestandshalter
das Credo „Pure Play“: Man konzentrierte
seine ganzen Kräfte auf das Kerngeschäft.
In einem dynamischen Marktumfeld er-
wies sich die fehlende Diversifizierung
als nachhaltig. Seit einiger Zeit lässt sich
jedoch ein Wandel vom „Pure Play“ zum
„Multi Play“ beobachten. Bestandshalter
setzen neben ihrem Kerngeschäft zuneh-
mend auf die Entwicklung des Eigen
bestands, bauen ihr Verkaufsgeschäft aus
oder expandieren in andere Märkte.
Bestandshalter setzen
neben dem Kerngeschäft
zunehmend auf weitere
Einnahmealternativen
Die Ausdifferenzierung der Geschäfts-
modelle betrifft nicht nur Bestandshalter.
Neue Marktteilnehmer heizen den Wett-
bewerb an. Beim Erwerb von Portfolien
treffen Bestandshalter auf eine kapital-
starke Konkurrenz: Initiatoren Offener
Immobilienfonds wie Union Investment
oder ZBI positionieren sich verstärkt in
diesem Segment. Auch Pensionskassen,
Versorgungswerke oder Versicherungen,
die lange eher Bestände reduziert haben,
lenken wieder mehr Geld in diese Asset-
klasse. Erst kürzlich hat die Allianz unter
anderem in Bochum größere Wohnungs-
bestände von Vonovia gekauft. Diese
Marktteilnehmer konzentrieren sich je-
doch auf den großvolumigen Bereich.
Unterhalb einer Größenordnung von etwa
50 Millionen Euro überlassen sie eher an-
deren Marktteilnehmern die Initiative. In
diese Lücke schlüpfen zunehmend Immo-
bilienhändler,Wohnungsprivatisierer und
Projektentwickler.
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Jörn Reinecke, Magna Real Estate AG, Hamburg