Immobilienwirtschaft 12/2018 - page 19

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2-01.2019
Foto: V-Michael-Kirsten
Leipzig Charta 2.0 – Auf dem Weg
zu einer europäischen Stadtpolitik
D
eutschland hat von der Leipzig Charta in besonderer Weise profitiert – nicht nur,
weil diese unter deutscher Ratspräsidentschaft geschrieben wurde, sondern auch,
weil sie die nationale Stadtentwicklungspolitik mitbegründete. Heute stehen die
Städte und Gemeinden Europas allerdings vor veränderten technischen, sozialen und
wirtschaftlichen Herausforderungen; die Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung
sind andere als noch vor gut elf Jahren. Damit ist einUpdate des Leitdokuments notwen-
dig geworden. Dies erkannte bereits die Vorgängerregierung. Schon die damalige Baumi-
nisterin Barbara Hendricks kündigte an, dass die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in
der zweiten Jahreshälfte 2020 genutzt werden solle, um eine Fortschreibung der Leipzig
Charta zu erarbeiten. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung auf EU-Ebene.
Europa ist Vielfalt –wozu brauchenwir dann die Einigung auf gemeinsame Leitlinien
einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik? Seit 2007 hat sich viel getan. Auf globaler
Ebene bilden die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen von 2015 und das Pariser
Klimaschutzabkommen aus dem Jahr 2016 wichtige Zielsetzungen. Vor allem aber der
Pakt von Amsterdam mit seiner EU-Städteagenda hat die städtische Dimension von
Politik seit 2016 auf europäischer Ebene wesentlich stärker in den Fokus gerückt.
UNTERSCHIEDLICHE EINKOMMEN
Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008
und 2009 haben sich die Einkommens- und Vermögensunterschiede zwischen den Bür-
gern in den EU-Mitgliedstaaten dauerhaft verschoben. Eine Folge davon ist der verstärkte
Ruf nach einer gerechten Wohn- und Bodenpolitik in den Großstädten. Erhöhte EU-
Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden, Verpflichtungen zur Verminderung des
CO₂-Ausstoßes, „Dieselgate“ und innerstädtische Fahrverbote bestimmen heute die
urbaneMobilitätspolitik. Nicht zuletzt stellt die Zuwanderung die Kommunen vor große
Integrationsaufgaben. Überlagert wird dies durch zwei Megatrends: den demographi-
schen Wandel und die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche, die beide
tiefgreifende städtische und räumliche Transformationsprozesse auslösen.
Nachhaltige Stadtentwicklung kann heute nicht mehr nur innerhalb der Stadtgren-
zen gedacht werden. Denn neue Lösungsmodelle für eine nachhaltige Mobilität und
Energieversorgung reichen weit in die stadtregionale Ebene hinein. Umso mehr muss
eine neue Leipzig Charta mit der überörtlichen, ausgleichsorientierten Raumentwick-
lungspolitik verschränkt werden, wie sie in der Territorialen Agenda der EU formuliert
ist. Wie die Leipzig Charta soll auch sie nun aktualisiert werden.
CHANCE FÜR DEUTSCHE EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT
Angesichts dieser Bandbreite anThe-
men ist die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ein günstiger Zeitpunkt, um erneut in den
Dialog zu treten. Wenn sich die Minister 2020 auf gemeinsame Leitlinien der nachhal-
tigen Stadt- und Raumentwicklung einigen, müssen sie dies jedoch unter einer Prämisse
tun: Es reicht nicht aus, einen gut formulierten „Papiertiger“ zu verabschieden. Vielmehr
muss dieses Mal auch die Weiterführung des Paktes von Amsterdam mitgedacht wer-
den. Ziel dabei sollte sein, EU-Fachpolitiken so zu gestalten, dass sie eine nachhaltige
Entwicklung konstruktiv unterstützen. Gleichzeitig gilt es, die Ein- oder Weiterführung
nationaler Stadt- und Raumentwicklungspolitiken zu forcieren. Nur mit diesen opera-
tiven Komponenten kann eine wirkungsvolle Umsetzung der neuen Leipzig Charta und
der überarbeiteten Territorialen Agenda gewährleistet werden.
Es reicht nicht, einen gut formulierten Pa-
piertiger zu verabschieden, so Jonas Scholze.
Fortschreibung steht an
Im Jahr 2007 haben die für
Stadtentwicklung zuständigen
Minis
ter aller EU-Mitglied-
staaten die „Leipzig Charta
zur nachhaltigen europä-
ischen Stadt“ verabschiedet.
Die Charta ist in ihren we-
sentlichen Punkten bis heute
gültig und führte in der Praxis
zu wichtigen Erfolgen. Nun
steht eine Fortschreibung an.
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Jonas Scholze, Leiter EU-Büro des Deutschen Verbandes
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