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2-01.2019
Ungeachtet der Wohnungsnot liegen in zentralen Lagen Flächen brach. Das sei ungenutztes
Potenzial, klagt die Opposition im Bundestag. Die Immobilien- und Bauwirtschaft stimmt teil-
weise ein – verweist jedoch darauf, dass es mit der Reaktivierung nicht so einfach sei.
aufgenommen werdenmüssten. „Vor dem
Kauf einer Brachfläche rechnen wir also
sehr genau, ob trotz Zusatzkosten bezahl-
barer Wohnraum entstehen kann“, erklärt
Sprecherin Katja Kargert.
Ein Baulückenkataster
ist aktuell in Deutschland
nicht geplant
Die Altlastenproblematik betrifft die
Bundesregierung über die Verwaltung
und Vermarktung ihrer eigenen Liegen-
schaften. Die Bundesanstalt für Immobi-
lienaufgaben hat den Angaben zufolge in
den vergangenen fünf Jahren 31,5 Millio-
nen Euro für ein entsprechendes Altlas
tenprogramm aufgewendet, die meisten
Gelder flossen nach Sachsen-Anhalt. Die
Bundeswehr wiederum hat in einem eige-
nen Altlastenprogramm für Sanierungs-
maßnahmen auf den von ihr genutzten
Liegenschaften etwa 31 Millionen Euro
in dieser Zeit ausgegeben.
Zugegeben, diese Kosten belasteten,
bekennt der Chef der CG Gruppe, Chri-
stoph Gröner. Allerdings würden digitale
Prozesse und moderne Fertigungstech-
niken dazu beitragen, Brachflächen
erschließungen trotzdem profitabel zu
gestalten. Gröner betrachtet das Aufspü-
ren solcher Grundstücke und deren Re-
vitalisierung hin zu urbanen Quartieren
als Kernaufgaben seines Unternehmens.
Lohnenswert findet der Firmenchef solche
Verdichtungsmöglichkeiten darüber hi-
naus aus einem weiteren Grund: Bei Bra-
chen handele es sich häufig um Areale in
bis dahin weniger attraktiven Lagen. „Mit
unseren Projekt- und Quartiersentwick-
lungen schaffenwir oft die entscheidenden
Impulse für eine soziale Aufwertung und
Entwicklung ganzer Stadtteile“, ist Gröner
überzeugt.
etwa hatte es nach dem Niedergang der
Porzellanindustrie nicht nur mit Bevöl-
kerungsschwund und einer Explosion
der Arbeitslosenzahlen, sondern auchmit
demLeerstand riesiger Produktionsareale
zu tun. Der Stadt gelang es, Werksgelände
mit einemPorzellan-Museum, Dienstleis
tungszentren und einer Ausstellungs-
und Konzerthalle zu revitalisieren – was
zugleich das kulturelle Leben anfächerte
und damit zu einer besseren Aufenthalts-
qualität in der Kernstadt beitrug.
Die Bundesregierung plant nicht, ein
bundesweites Leerstandskataster einzu-
führen. Teile der Immobilienwirtschaft
sehen dies kritisch. „Ein bundesweites
Baulücken- und Leerstandskataster
könnte ein hilfreiches Instrument sein
und zur Schaffung von mehr Wohnraum
beitragen“, erklärt der Bundesverband
Freier Immobilien- und Wohnungs
unternehmen (BFW). Damit ein Kataster
nutzbar werde, sei es jedoch wichtig, dass
dann auch Taten in Form von Bebauungs-
plänen folgten. Hier sind Kommunen
unterschiedlich aufgestellt – darauf weist
auch der Wohnungswirtschaftsverband
GdW hin. Die Nutzung von Brachflä-
chen-Potenzial hänge in großem Maße
davon ab, wie aktiv die Kommunen dieses
Thema betreiben. Beide Verbände sehen
die Wiedernutzung von Brachflächen
grundsätzlich als eine der Kernmaßnah-
men in einemBündel von mit politischen
Forderungen verbundenen Maßnahmen,
damit mehr Wohnungen gebaut werden
können.
Mit dem Erfassen und Bereitstellen
von Brachland indes sind zwar die ersten
Hürden genommen – aber noch längst
nicht alle. Brachflächen eigneten sich – je
nach vorheriger Nutzung – zwar oft sehr
gut für den Wohnungsbau, erklärt etwa
der Projektentwickler Bonava. Doch na-
türlich entstünden für die Entwicklung
des Grundstücks Mehrkosten für Sanie-
rung und Abriss, die in die Kalkulation
erfassen. So können etwa Gemeinden in
Nordrhein-Westfalen über die Landes
initiative „Flächenpool NRW“ Unterstüt-
zung bei der Neu- und Wiedernutzung
von innerstädtischen Brachen erhalten.
Im Bundesamt für Bau-, Stadt- und
Raumforschung (BBSR) läuft bis Ende
2019 ein Forschungsprojekt zum Einsatz
von so genannten Innenentwicklungs-
managern. Hier soll erprobt werden, wie
solche Experten dazu beitragen können,
Baulandreserven schneller zu aktivieren.
Vielen Gemeinden mangele es schlicht
an Ressourcen für ein aktives Flächenma-
nagement, das Grundstückseigentümer
und Investoren systematisch einbezieht,
beschrieb BBSR-Direktor Harald Herr-
mann zum Projektstart eine weitere He-
rausforderung in den Planungsbehörden.
Das Land Bayern wiederum zeichne-
te schon vor mehr als zehn Jahren Orte
im Umbruch aus, die nach Lösungen für
ihre innerstädtischen Lücken suchten, die
sich teilweise infolge massiver wirtschaft-
licher Umwälzungen ergaben. Die Klein-
stadt Selb an der tschechischen Grenze
«
Kristina Pezzei, Berlin
63.000
Laut Untersuchungen könnten
mehr als 63.000 Hektar Fläche
in Deutschland problemlos für
den Wohnungsbau aufbereitet
werden. Die Bundesregierung
nennt keine genauen Zahlen,
sondern verweist auf Umfragen.
Demnach sahen Kommunen ein
Innenentwicklungspotenzial von
120.000 bis 165.000 Hektar,
44 Prozent davon waren Brachen.