Immobilienwirtschaft 7/2017 - page 34

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
PFLEGEIMMOBILIEN
ergänzen. Je weiter der demographische
Wandel fortschreitet, desto wichtiger wird
es, mehr als ein Standbein zu etablieren.
Weder Neubauten noch Bestandsobjekte
können den Bedarf an stationären Pflege-
plätzen langfristig allein decken.
Der Neubau von Pflegeheimen stößt
zudem auf Hindernisse: Die Grund-
stückskosten steigen, Grundstücke in gu-
ten Lagen sind kaum noch zu bekommen
und hart umkämpft. Der Bau selbst wird
ebenfalls stetig teurer, während Mieten
und Refinanzierungssätze stagnieren.
Dadurch wird es immer schwieriger,
Neubauprojekte zu realisieren. Gelingt
es dennoch, muss der Betreiber qualifi-
ziertes Personal finden und den Standort
etablieren – je weiter ein Pflegeheim an
der Peripherie liegt, desto länger kann das
dauern. Dieses Problem gibt es bei der
Sanierung von Bestandsbauten nicht. Es
ist bereits ein eingespieltes Team vor Ort
und das Pflegeheim bei potenziellen Be-
wohnern bekannt. Außerdem liegen viele
Bestandsobjekte deutlich zentraler als das
noch verfügbare Bauland und profitieren
von ihrer Lage.
DIE LÖSUNG MUSS ZWEIGLEISIG SEIN
Insbe-
sondere muss die Politik dazu beitragen,
Sanierung und Neubau von Pflegeheimen
zu fördern. Das bedeutet einerseits, nicht
jede verschärfte Auflage für Neubauten
innerhalb kurzer Fristen auch zur Um-
baupflicht für Bestandsheime zu machen
und so die Investition in dieses Segment
unattraktiv werden zu lassen. Anderer-
seits benötigt der Neubau Starthilfe von
Seiten der öffentlichen Hand. Das bedeu-
tet entweder höhere Refinanzierungssätze,
Baukostenzuschüsse – zumindest bei Pro-
jekten an Standorten, an denen ein Pfle-
geplatzmangel herrscht – oder Steuersub-
ventionen. Eine Alternative ist auch eine
Kombination dieser Maßnahmen.
«
Jens Nagel, Berlin
D
en Neubau von Pflegeheimen zu for-
cieren, hätte mehrere Vorteile. Die
baulichen Ansprüche ebenso wie die
technischen Möglichkeiten entwickeln
sich ständig weiter. Ein neues Gebäude
kann nach modernen Maßstäben er-
richtet werden, während Bestandsbauten
aufwändig nachgerüstet werden müssten,
umdenselben Anforderungen zu entspre-
chen. Zudem kann ein Neubauprojekt bei
der Planung von Anfang an breiter auf-
gestellt werden. Ein erfolgversprechendes
Konzept ist die Kombinationmehrerer Be-
treuungseinrichtungen in einemGebäude,
die die Infrastruktur gemeinsam nutzen
können – eine Kindertagesstätte und ein
Pflegeheim können beispielsweise von
derselben Küche versorgt werden. Dass
die Pflegekräfte ihre eigenenKinder gleich
am Arbeitsplatz unterbringen können, ist
zudem in Zeiten des Personalmangels ein
wertvolles Argument.
Dennoch kann der Neubau allein die
Angebotslücke nicht schließen. Vorhan-
dene Bestandsbauten müssen saniert und
erweitert werden, um zusätzliche Pflege-
plätze bereitzustellen und zu erhalten. Die
Nachfrage nach etablierten Pflegeheimen
in zentralen Lagen ist hoch. Deshalb wäre
es falsch, dieses Segment zu vernachlässi-
gen. Neubau und Sanierung müssen sich
Der Neubau reicht bei Weitem nicht
Aufgrund des demographi­
schen Wandels müssten in
Deutschland mindestens
12.000 neue Pflegeplätze pro
Jahr entstehen. Im Jahr 2016
sind zwar 25 Prozent mehr
Pflegeheimplätze gebaut
worden als im Jahr zuvor –
aber mit 9.000 immer noch
viel zu wenig. Deshalb ist
auch die Sanierung wichtig.
Jens Nagel,
Geschäftsführer
der auf Sozial­
immobilien
spezialisierten
Hemsö GmbH
aus Berlin
AUTOR
Foto: Michael Bamberger
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