Immobilienwirtschaft 7/2017 - page 30

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
BÜROMARKT
Die für das aktuelle Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft 2017 von Bul
wiengesa ermittelten Zahlen sind alarmierend: Der Leerstand bei Büroflächen in den
sieben größten deutschen Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg,
Köln, München und Stuttgart hat sich um etwa 80 Basispunkte auf fünf Prozent redu­
ziert. Der mit Abstand deutlichste Rückgang von Angebotsflächen wurde in München
(minus 130 Basispunkte auf 2,5 Prozent), Stuttgart (minus 80 Basispunkte auf 2,9
Prozent) und Berlin (minus 70 Basispunkte auf 3,1 Prozent) erfasst. Das entspricht
laut Frühjahrsgutachten einer faktischen Vollvermietung in den drei Top-Standorten.
Die Neubaufertigstellungszahlen beruhigen nur auf den ersten Blick. Zwar lagen
sie zuletzt leicht über dem Zehn-Jahres-Mittelwert. Gleichzeitig verkleinerte sich das
Angebot 2016 jedoch relativ stark um so genannte Büroflächenabgänge. Gemeint sind
abgerissene oder umgenutzte Flächen. Innerhalb der A-Standorte wurde die Zahl der
Flächen im Jahr 2016 um 667.000 Quadratmeter reduziert, das entspricht etwa drei
Viertel aller neugebauten Flächen in diesen Städten. Insgesamt kamen somit effektiv
lediglich 225.000 Quadratmeter Bürofläche bestandserhöhend hinzu. In Frankfurt
und Köln sank das Büroflächenangebot sogar im Jahresverlauf, da die Flächenabgänge
nicht durch den Neubau kompensiert werden konnten.
VERKNAPPUNG DURCH GANZHEITLICHEN ANSATZ AUFHALTEN
Die absehbare, teilweise
bereits reale Konsequenz ist ein Ungleichgewicht in den Städten, denn das Schwinden
von Büroflächen erfährt derzeit kaum gesellschaftliche oder stadtplanerische Wür­
digung. Im Fokus steht vielmehr der Mangel an Wohnraum – getrieben durch den
fortwährenden Zuzug insbesondere in die Großstädte. Dass die Menschen hier nicht
nur leben (im Sinne von wohnen), sondern auch arbeiten und sich versorgen müssen,
wird in der Baupolitik allzu oft ausgeblendet. Dabei ist jeder dritte Erwerbstätige in
Deutschland in einem Büro tätig. In Summe gibt es über 14 Millionen Bürobeschäf­
tigte (Stand 30. Juni 2015). Mehr als ein Fünftel von ihnen arbeitet in den sieben
größten deutschen Städten – Tendenz steigend. Laut Frühjahrsgutachten belief sich
das Bürobeschäftigtenwachstum 2016 hier auf 2,26 Prozent, für 2017 wird ein Plus
von 1,97 Prozent erwartet. Die Lösung liegt in einer ganzheitlichen Stadtentwicklung.
Sie muss alle Nutzungsarten berücksichtigen, die urbanes Leben erfordert. Zwei­
felsohne gehört dazu neuer und bezahlbarer Wohnraum, aber eben auch ein aus­
Knapp, knapper, Büroflächen
Andreas Wende, Vorsitzender
des ZIA-Ausschusses Büro
„Dass die Menschen in
deutschen Großstädten
nicht nur wohnen, son-
dern auch arbeiten und
sich versorgen müssen,
wird in der Baupolitik
allzu oft ausgeblendet.“
Obwohl sich in deutschen Metropolen Büroflächen drama-
tisch verknappen, bestimmt weiterhin der Wohnungsmangel
die politische Agenda. Das ist durchaus richtig, darf jedoch
nicht dazu führen, den Büromangel zu ignorieren.
Kommentar
Andreas Wende
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