Immobilienwirtschaft 7/2017 - page 31

31
7
-8.2017
reichendes Angebot an Büro-, Einzelhandels- und – im Zuge
des erstarkenden Online-Handels – Logistikflächen. Der neue
Gebietstyp „Urbanes Gebiet“ sieht eine solche Kombination aus
Wohnen, Arbeiten und Versorgen vor. Er ermöglicht, zeitge­
mäße und moderne Quartiere mit kurzen Wegen zu schaffen.
REGULATORISCHE HEMMNISSE ABBAUEN
Das „Urbane Gebiet“
ist jedoch nicht der einzige Ansatzpunkt. Weitere Faktoren
können Büroimmobilien daran hindern, ihrer Funktion als
„Produktionsstätten“ und damit als wichtige Fundamente
der Wertschöpfung und wirtschaftlichen Stärke der Städte
und Gemeinden dauerhaft gerecht zu werden. Neben der
Bevorzugung von Wohnprojekten gegenüber gewerblichen
Flächennutzungen bei der Vergabe von Bauland und -geneh­
migungen sowie langwierigen Genehmigungsverfahren zäh­
len dazu auch erhöhte regulatorische Anforderungen – allen
voran Basel III oder die im Regelwerk enthaltenen Eigen­
kapitalanforderungen der Banken gegenüber Kreditnehmern
und damit Investoren und Entwicklern. Auf Mieterseite
wiederum führt der im Januar 2016 veröffentlichte neue
Rechnungslegungsstandard zur Bilanzierung von Leasing-
Verträgen (IFRS 16) des International Accounting Standards
Board (IASB) zu einschneidenden Änderungen. Mietverträge
betroffener Unternehmen werden zukünftig regelmäßig unter
die Definition eines Leasingvertrags fallen. Damit müssen sie
Mietverbindlichkeiten entsprechend in die Bilanz aufnehmen
– mit möglichen negativen Effekten, was beispielsweise kür­
zere Mietvertragslaufzeiten zur Folge haben kann. Vermieter
müssen zudem die Ende 2016 in Kraft getretene „Verordnung
zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen“ beachten, in
deren Zuge auch die Arbeitsstättenverordnung novelliert wird.
Diese liefert zwar endlich einen rechtlichen Rahmen für Tele­
arbeitsplätze und erleichtert die Vereinbarkeit von Arbeit und
Familie für Erwerbstätige. Allerdings besteht bei der Regelung
noch Verbesserungspotenzial. So dürfen Arbeitgeber etwa nur
Arbeitsräume betreiben, die möglichst ausreichend Tageslicht
erhalten und eine Sichtverbindung nach außen bieten. Moder­
ne und interaktive Bürolösungen werden durch diese Überre­
gulierung des deutschen Gesetzgebers konterkariert.
ENERGETISCHE ALTERNATIVEN INS AUGE FASSEN
Hemmende
Wirkung auf Investitionen und Innovationen haben auch
energetische Anforderungen. Sie verteuern neue und be­
stehende Büroflächen. Ein vom ZIA gemeinsam mit seiner
Task Force Energie beauftragtes Gutachten zur Energieeffizienz
von Immobilien kommt für das Segment der Büroimmobilien
zu dem Ergebnis, dass bei einer weiteren Verschärfung der
Energieeinsparverordnung (EnEV) die Wärmeversorgung
alleine mit einem Gaskessel nicht mehr möglich ist. Fernwärme
und Wärmepumpensysteme können bei Bürobauten lediglich
in Zusammenhang mit einer deutlich verbesserten Gebäude­
hülle den Energieeffizienzstandard KfW 55 erreichen. Jedoch
könnten die Anforderungswerte des KfW-55-Standards durch
den Einsatz von Photovoltaik zur solaren Strombereitstellung
erheblich kosteneffizienter erfüllt werden als mit einer weiteren
Verbesserung von Gebäudehülle oder Anlagentechnik.
Eine weitere Verschärfung der Gebäudestandards ist
folglich weder energie- noch klimapolitisch sinnvoll. Um die
klimaschutzpolitischen Ziele der Bundesregierung zu er­
füllen, sollten alternative Maßnahmen bedacht werden, die
den Prinzipen der Technologieoffenheit und Wirtschaftlich­
keit entsprechen, zum Beispiel die vermehrte Nutzung von
zertifiziertem grünen Strom. Zudem sollten die bestehenden
Bilanzierungsgrenzen für die Energieeffizienz von Gebäuden
erweitert werden, indem neben der gebäudescharfen Bilan­
zierung künftig etwa auch Quartiere und Smart-City-Projekte
zugelassen werden. In diesem Kontext ist es zu begrüßen, dass
steuerliche Hemmnisse bei der Integration erneuerbarer Ener­
gien im Gebäudebereich abgeschafft werden sollen. Insbeson­
dere die Gewerbesteuerinfektion, die entsteht, wenn Vermieter
erneuerbare Energien am Gebäude erzeugen und den Mietern
zur Verfügung stellen, ist derzeit noch ein bedeutender Hemm­
schuh bei der Verbesserung der Ökobilanz.
NACH BEDARF ENTWICKELN
Doch nicht nur die Politik ist
gefragt. Auch Projektentwickler müssen neuen Anforderun­
gen gerecht werden. Weltweit ist beispielsweise ein Trend zur
Nutzungsmischung, etwa Hotel und Einzelhandel, festzustellen.
Auch in Deutschland finden sich Beispiele wie beim Zoofenster
oder im Upper West in Berlin. Hohes Potenzial für solche An­
sätze bieten Städte mit unterdurchschnittlichem Verhältnis von
lokalem Bürowert und Einwohnerzahl. Weitere wichtige Trends
der Branche wie Coworking-Spaces-Konzepte, innovative
Bürokonzepte und die zielgruppenspezifischen Anforderun­
gen der Corporates werden in Zukunft eine gewichtige Rolle
spielen. Erfolgreich werden jene Marktteilnehmer sein, die
frühzeitig die Trends erkennen und umsetzen. Sie profitieren
davon, dass Büroimmobilien als Anlageobjekte nach wie vor
hoch im Kurs stehen und gemessen am Investmentvolumen die
wichtigste Anlageklasse sind. Angesichts der anhaltend eher
positiven Entwicklung und der geringen Fertigstellungen sind
die Zeichen auf Stabilität eingestellt – sofern die Politik Büro­
immobilien im Sinne einer ganzheitlichen Stadtentwicklung im
Diskurs ausreichend berücksichtigt.
„Die Lösung liegt in einer ganzheitlichen Stadtentwicklung. Sie muss alle Nutzungsarten
berücksichtigen, die urbanes Leben erfordert. Dazu gehören auch Büroflächen.“
«
1...,21,22,23,24,25,26,27,28,29,30 32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,...76
Powered by FlippingBook