Immobilienwirtschaft 12/2017 1/2018 - page 40

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHTSPRECHUNGSÄNDERUNG
mündlich eine gegenüber dem ursprüng-
lich schriftlichen Mietvertrag niedrigere
Miete vereinbaren. Zum anderen be-
zweckt die Schriftform aber auch generell
den Schutz der Parteien vor Übereilung.
Der Gesetzgeber unterstellt, dass die Par-
teien anlässlich eines schriftlichen Ver-
tragsschlusses ihre langfristige Bindung
wohl überlegen.
Zwar wurden von der Rechtspre-
chung die Anforderungen an die Ein-
haltung der Schriftform über die Jahre
bereits deutlich gesenkt, gleichwohl
sind diese noch immer schwer zu erfül-
len. Dies liegt vor allem daran, dass die
Mietvertragsparteien unter Schriftform
etwas anderes verstehen als die Gerichte.
Letztere stellen auf die strengen Vorgaben
des § 126 BGB ab.
Danach müssen alle wesentlichen In-
halte in einer einheitlichen von den Par-
teien eigenhändig zu unterschreibenden
Urkunde enthalten sein.
Hierzu gehört, dass insbesondere die
Parteien, der Mietgegenstand, die Lauf-
zeit und dieMiete eindeutig geregelt sein
müssen.
Soweit wesentliche Vertragsinhalte in
Anlagen ausgelagert werden, müssen
diese beigefügt werden und der Miet-
vertrag auf sie verweisen.
Bei Vertragsschluss an verschiedenen
Orten muss das Original des Mietver-
trags die jeweils andere Partei auch
physisch erreichen. Ein Vertragsschluss
per E-Mail, Fax oder per Briefwechsel
scheidet damit aus.
Auch jede wesentliche Änderung des
Mietvertrags erfordert einen schrift-
lichen Nachtrag, der eindeutig auf den
ursprünglichen Mietvertrag verweist
und klar regeln muss, welche Punkte
geändert werden und welche fortbe-
stehen sollen. Schon eine formwidrige
Änderung führt zur jederzeitigen Künd-
barkeit des Mietvertrags.
D
ie Entscheidung ist brisant. Denn die
Mehrheit der langlaufendenMietver-
träge ist formwidrig. Deshalb besteht
latent das Risiko einer vorzeitigen Kündi-
gung. Bisher bestand Schutz dagegen in
Form von Schriftformheilungsklauseln.
Dieser Schutz entfällt nunmehr. Dies war
den Karlsruher Richtern bei ihrer Ent-
scheidung sehr wohl bewusst.
Die Entscheidung trifft neben den
Vertragsparteien vor allem eine Ziel-
gruppe: Investoren von großen Gewerbe-
objekten, die beim Kauf entsprechender
Immobilien fest mit den Mieteinnahmen
gerechnet haben.
DIE GESETZLICHE REGELUNG
Das Ziel ist,
Gewerbeobjekte langfristig zu vermieten.
Denn sowohl Mieter als auch Vermieter
benötigen Planungssicherheit: Zuschüs-
se zu Ausbaukosten müssen amortisiert,
Standorte langfristig gesichert werden.
Zudem setzen typische Wertsicherungs-
klauseln Laufzeiten von mindestens zehn
Jahren voraus.
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 550
BGB) sind feste Laufzeiten von mehr als
einem Jahr aber nur wirksam, wenn der
Mietvertrag schriftlich geschlossen wird.
Wird die Schriftformnicht gewahrt, ist der
Mietvertrag gleichwohl wirksam, gilt aber
als auf unbestimmte Zeit geschlossen und
kann daher jederzeit unter Beachtung der
ordentlichen Fristen gekündigt werden.
SINN: KÄUFERSCHUTZ
Der Schutz des Ge-
setzgebers dient vor allem dem Erwerber
einer vermieteten Immobilie.
Dieser tritt kraft Gesetzes in beste-
hende Mietverträge ein. Er soll daher die
Möglichkeit haben, sich aus einem schrift-
lichen Mietvertrag über alle wesentlichen
Vertragsbedingungen informieren zu
können. An mündliche Vereinbarungen
soll er nicht dauerhaft gebunden sein. So
wird der Erwerber insbesondere davor
geschützt, dass die Mietvertragsparteien
Langfristige Gewerbemietverträge:
BGH erleichtert Kündigungen
Der Bundesgerichtshof
(BGH) hat eine für die
Immobilienbranche weit-
reichende Entscheidung ge-
troffen (Az.: XII ZR 114/16).
Danach sind so genannte
Schriftformheilungsklauseln
generell unwirksam. Mit
Konsequenzen für die Ver-
tragsparteien.
SCHRIFTFORMVERLETZUNGEN
IN DER PRAXIS
Schriftformverletzungen liegen
etwa vor, wenn die Parteien nicht
klar bezeichnet werden, notwen-
dige Unterschriften fehlen, die
Laufzeit widersprüchlich geregelt
oder der Mietgegenstand nicht
eindeutig beschrieben ist. Teil-
weise fehlen Anlagen, sind nicht
zuzuordnen oder enthalten nicht
die Aussagen, die ihnen nach dem
Mietvertrag zukommen sollen.
Besonders häufig wird die
Schriftform aber anlässlich von
Änderungen des Mietvertrags
verletzt. Hauptgrund ist, dass die
beteiligten Personen die formalen
Anforderungen an eine Änderung
eines Mietvertrags nicht kennen
und für eine Anpassung, z.B. der
Miete, keinen Rechtsanwalt hinzu-
ziehen. Auch sind sich die Parteien
häufig einer Änderung gar nicht
bewusst, weil sie die Inhalte des
Mietvertrags nicht präsent haben.
HINTERGRUND
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