Immobilienwirtschaft 12/2017 1/2018 - page 30

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
HINTERGRUND
Milieuschutzes sicherzustellen. Der Senat
hat dies in mehreren Fällen getan.
Indes drohenGerichtsentscheidungen
diese Praxis zu beschneiden: Gerade stellte
das Landgericht Berlin klar, das Vorkaufs-
recht dürfe nicht ausgeübt werden, wenn
ein Grundstück im Gebiet eines Bebau-
ungsplans liegt und das betreffendeObjekt
den Festsetzungen des Plans entspricht.
Der Senat will dagegen vorgehen.
Was Förderinstrumente betrifft, so hat
Lompscher denMietzuschuss für Bedürf-
tige erhöht und eine generelleMietreform
bei den Sozialwohnungen angekündigt.
Auch beim Neubau ändert sich ei-
niges: In einer Kooperationsvereinbarung
mit den landeseigenen Gesellschaften hat
der Senat festgelegt, dass bei Projektenmit
Baustart nach dem1. Juli 2017mindestens
die Hälfte derWohnungenmietpreis- und
belegungsgebunden vergeben werden
muss. Private sollen über eine „Koope-
rative Baulandentwicklung“ in die Pflicht
genommen werden und bei Neubauten 30
Prozent als Sozialwohnungen ausweisen.
Das Modell greift allerdings nur dort,
wo Bebauungspläne aufgestellt werden. Es
gilt nicht in Gebieten, in denen Baurecht
für Bauvorhaben im „unbeplanten Innen-
bereich“ nach Baunutzungsplan besteht.
Entstanden sind nach Zahlen des Lan-
desamts für Statistik in den vergangenen
drei Jahren gerade einmal gut 400 Sozial-
wohnungen – bei 30.000 fertiggestellten
Wohnungen insgesamt.
FALSCHE PRIORITÄTEN?
Jüngsten Berech-
nungen zufolge braucht Berlinmindestens
194.000 Wohnungen bis 2030. Zwischen
Januar und September 2017 wurden tat-
sächlich gut fünf Prozent mehr Neubauge-
nehmigungen erteilt als imVorjahreszeit-
raum. Doch nicht nur Vertreter der freien
Bauwirtschaft beklagenmangelndes Enga-
gement und falsche Prioritätensetzungen
bei der Senatorin. Die landeseigenen Ge-
sellschaften beschwerten sich über feh-
I
n keiner anderen deutschen Großstadt
sind dieWohnungspreise in den vergan-
genen Jahren so stark gestiegen wie in
Berlin, und nirgends polarisiert die Frage
nach demUmgang damit sowie dort. Aus-
gerechnet hier trat die linke Stadtentwick-
lungssenatorin, Katrin Lompscher an. Das
Entsetzen auf Entwicklerseite war groß,
genauso groß, wie die Erwartungshaltung
auf Mieter- und Verbraucherschutzseite.
Was ist geblieben nach einem guten Jahr
linker Wohnungspolitik in Berlin?
„Investoren haben sich offenbar die
Kauflaune nicht verderben lassen“, meint
der Immobilienexperte am Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW),
Claus Michelsen. Sein Kollege Ralph Hen-
ger vomeher arbeitgebernahen Institut der
DeutschenWirtschaft zieht demgegenüber
eine eher gemischte Bilanz: „Mit immer
neuen Reglementierungen werden falsche
Schwerpunkte gesetzt“, so der Ökonom.
Zentrales Anliegen ist für die Stadt-
planerin Lompscher die Verbesserung
der Situation der Mieter in einer Stadt,
in der die Eigentumsquote deutlich unter
dem Bundesdurchschnitt liegt, während
die Zahl der Niedrigverdiener regelmäßig
Spitzenwerte erreicht.
MIETER IM FOKUS
Die Senatorin nahm die
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaf-
ten in die Pflicht. Sie dürfen die Mieten
jährlich nur noch um zwei Prozent erhö-
hen, die Modernisierungsumlage ist auf
sechs Prozent jährlich abgesenkt worden.
Ebenfalls zum Schutz vonMietern hat
die Landesregierung die Zahl der Milieu-
schutzgebiete erheblich ausgeweitet. Da-
rin können Bezirke mit diversen Instru-
menten auf den Erhalt einer sozialen Mi-
schung in demViertel hinwirken. So wird
etwa dieUmwandlung vonMiet- in Eigen-
tumswohnungen genehmigungspflichtig.
Außerdem können Bezirke beim Verkauf
eines Objekts innerhalb von zwei Monaten
in den Kaufvertrag eintreten, umZiele des
Berlin: Stillstand in der Wohnungspolitik
Seit einem guten Jahr setzt
in Berlin eine linke Stadt-
entwicklungssenatorin kon-
sequent auf Mieter- und
Bestandsschutz. Die private
Bauwirtschaft sieht ihre Be-
fürchtungen bestätigt. Auf-
einander zubewegt haben
sich beide Seiten kaum.
Foto: hanohiki/shutterstock.com
Die Wohnungswirtschaft in
Berlin beklagt eine bisweilen
extrem feindselige Atmo-
sphäre für Bauwillige.
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