Immobilienwirtschaft 12/2017 1/2018 - page 29

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finanzierer, dass sich die Geschichte wie-
derholt. Neben Standortqualität, tech-
nischem Zustand, Vermietungsniveau,
Mietvertragslaufzeiten undMieterbonität
einer Immobilie sind für dieWiderstands-
fähigkeit von durch Fremdkapital finan-
zierten Investments in Abschwungspha-
sen des Immobilienzyklus zwei Faktoren
mitentscheidend: der Deckungsgrad des
Cashflows aus der Immobilie im Verhält-
nis zum Schuldendienst und die Höhe
des Eigenkapitaleinsatzes. Solange der
Schuldendienst aus den Mieteinnahmen
bedient werden kann und eine ausrei-
chende Eigenkapitalausstattung verbleibt,
ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das
Immobilieninvestment durch die nächste
Krise durchkommt.
Immobilieninvestoren und -finanzie-
rer haben aus den Exzessen der Vorkri-
senjahre gelernt. ImVergleich zum letzten
Immobilienzyklus sind die Kreditausläufe,
die derzeit praktiziert werden, wesentlich
moderater. Immobilienfinanzierungen
in Deutschland überschreiten selten die
60-Prozent-Loan-to-Value-Marke – also
das Verhältnis von Kreditbetrag zum
Marktwert der Immobilie. Wenn sie das
tun, hört der Kreditappetit der Banken in
der Regel bei einem Loan-to-Value von
75 Prozent auf. Da bleibt ausreichend
Eigenkapitalpuffer, um die Gefahr von
Kreditausfällen geringer als beim letzten
Abschwung zu halten. Damals waren
Loan-to-Values von 85 Prozent und mehr
keine Seltenheit.
Die geldpolitisch induzierten histo-
rischen Tiefzinsstände zusammenmit den
niedrigen Kreditmargen in Deutschland
bescheren der hiesigen Immobilienwirt-
schaft außerordentlich günstige Kredit-
aufnahmebedingungen für alle gängigen
Zeithorizonte, die bei einer Vielzahl von
Immobilienkäufen auch genutzt werden.
Ein Kurswechsel der äußerst expansiven
Geldpolitik im Euroraum könnte An-
passungsprozesse auslösen, die auf dem
Immobilienmarkt für Turbulenzen sor-
gen könnten. Seit Beginn des erweiterten
Programms der EZB kauft diese monat-
lich Anleihen für 60 Milliarden Euro ein,
neuerdings auch Unternehmensanleihen.
Bis Jahresende 2017 wird die EZB voraus-
sichtlich 2,3 Billionen Euro an Anleihen
gekauft haben. Die daraus resultierende
Verzerrung auf den Eurokreditmärkten
ist enorm und ohne Präzedenzfall. Un-
klar ist, wann und inwelchemAusmaß der
Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm
eingeläutet wird.
ZINSNIVEAU BRINGT UNSICHERHEIT
Die
resultierenden Effekte für die Höhe und
Geschwindigkeit des zu erwartenden
Zinsanstiegswerfen große Schatten anUn-
sicherheit für die künftige Ausgestaltung
der Zinslandschaft der Eurozone voraus.
Die Unsicherheit wiegt umso schwerer, da
weder die EZB noch die Marktteilnehmer
über Erfahrungswerte verfügen, welche
Auswirkungen eine wie auch immer ge-
staltete Drosselung der beispiellosen An-
leiheankäufe auf die Kreditmärkte und auf
die Zinskurve haben kann.
Laufende Kredite sind durch Fest-
zinsvereinbarungen oder durch Zinssi-
cherungsinstrumente gegen steigende
Zinsen bis zur Fälligkeit geschützt. Aber
Neufinanzierungen oder Refinanzie-
rungen von auslaufenden Krediten, die
in einem steigenden Zinsumfeld stattfin-
den, werden Investoren vor Herausfor-
derungen stellen. Eine geldpolitisch in-
duzierte Veränderung der Zinslandschaft
im Euroraum, die auch eine Änderung
der Euroanleiherenditen verursachen
könnte, ist nicht nur für die Immobili-
enfinanzierung relevant, sondern auch
für die Renditespanne zwischen Anlei-
hen und Immobilien, aus der sich die
relative Attraktivität zwischen diesen
Anlageklassen ableitet.
SUMMARY
»
Kein anderes europäisches Land
verfügt über die Vielzahl und Vielfalt an Gewerbeimmobilienfinanzierern wie Deutschland, für
Investoren sind die Finanzierungsbedingungen hierzulande außerordentlich günstig.
»
Trotz Niedrigmargen
sind deutsche Immobilienbanken solide
und profitabel unterwegs.
»
Finanzierungsrisiken
bleiben natürlich dennoch nicht aus, sie sind integraler Bestandteil des Geschäfts. Aber Immobili-
eninvestoren und -finanzierer haben aus den Vorkrisenjahren gelernt.
»
Eine Unsicherheit
gibt es durch das möglicherweise steigende Zinsniveau.
«
Roberto Carrera, München
Deutsche Immobilien-
finanzierer sind höchst
aktiv im Markt unterwegs
– und trotz niedriger
Margen durchaus solide
und profitabel.
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