Immobilienwirtschaft 12/2017 1/2018 - page 28

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
IMMOBILIENFINANZIERUNG
haben. Zum anderen können deutsche
Immobilienbanken auf sehr günstige Re-
finanzierungsquellen wie den Pfandbrief
zurückgreifen. Wer zudem im Passivge-
schäft aktiv ist, wird auch Spar- und Sicht­
einlagen als günstige Refinanzierungs-
quelle für Immobilienkredite nutzen.
Drittens werden die Fixkosten, die mit
der Kreditvergabeplattform einhergehen,
über hohe Kreditvolumina abgefedert.
Ein Risiko aus ungezügelter Kreditver-
gabe ist ebenfalls nicht zu erkennen. Deut-
sche Immobilienbanken sind nachwie vor
wählerisch und finanzieren maßgeblich
Core- und Core-Plus-Immobilien in den
Top-7-Städten. Die fragmentierte Markt-
struktur Deutschlands sorgt zusätzlich für
Risikostreuungseffekte bei der Kreditver-
gabe im Heimatmarkt.
Finanzierungsrisiken bleiben na-
türlich nicht aus. Sie sind ein integraler
Bestandteil des Geschäfts. Historisch be-
trachtet erwirtschaften Immobilienfinan-
zierer gute Erträge während der ersten
zwei Drittel des Immobilienzyklus und
büßen einen Teil der Krediterträge infolge
vonAbschreibungen auf Problemfinanzie-
rungen im letztenDrittel des Immobilien-
zyklus ein. Die Herausforderung besteht
also darin, durch maßvolle Kreditverga-
bepraktiken im Allgemeinen und über
die Ausgestaltung der Covenantstruktur
im Besonderen die Finanzierungsrisiken
weitestgehend abzumildern, um den
Abschreibungsbedarf zu minimieren. Je
höher der Abschreibungsbedarf der Im-
mobilienfinanzierer in einer Abschwungs-
phase, desto geringer fällt die Bereitschaft
zur Neukreditvergabe aus. Ohne Zugang
zu Fremdkapital versiegt ein wesentlicher
Treibstoff des Immobilienanlagemotors,
wie dies in den Jahren 2008 und 2009 der
Fall war. Die Transaktionsgeschwindigkeit
sinkt, Anlagevolumina werden rückläufig
und Immobilienpreise fallen. Es liegt also
weder im Interesse der Immobilieninves­
toren noch im Interesse der Immobilien I
n der Immobilienfinanzierung ist in
Deutschland eine Vielzahl von Vertre-
tern aller Bankengattungen tätig. Ein
Blick in die Bilanz der zehn führenden
Immobilienbanken verrät, dass sie ge-
meinsam um die 62 Milliarden Euro an
Neukreditvolumen für die Finanzierung
von Immobilien im Jahre 2016 ausgereicht
haben, über die Hälfte davon in Deutsch-
land. Es ist davon auszugehen, dass es
auch 2017 ähnlich hohe Neukreditausrei-
chungen für Immobilienfinanzierungen
geben wird. Allein die Übernahme des
OfficeFirst-Immobilienportfolios durch
Finanzinvestor Blackstone, die zu 3,3
Milliarden Euro im März abgeschlossen
wurde, soll durch einen Kredit über zwei
Milliarden Euro refinanziert werden.
GROSSE VIELFALT AN FINANZIERERN
Für
Immobilieninvestoren, die Fremdkapital-
finanzierung bei ihrer Investmentstrategie
nutzen, herrschen hierzulande außeror-
dentlich günstige Finanzierungsbedin-
gungen. Kein anderes europäisches Land
verfügt über die hiesige Vielzahl und Viel-
falt an Gewerbeimmobilienfinanzierern,
die mit großem Finanzierungsappetit zu
moderaten Margen unterwegs sind. Do-
minieren immer noch maßgeblich Ban-
ken dieses Feld, runden seit einigen Jahren
auch alternative Kreditgeber wie Versiche-
rungen, Pensionskassen und Debt-Fonds
das Angebot für Gewerbeimmobilien ab.
Die Vermutung, es drohe das Risiko
eines erbarmungslosen Verdrängungs-
wettbewerbs zwischen Immobilienfinan-
zierern, liegt nahe. Aber sie entspricht
nicht der Realität. Deutsche Immobilien-
banken haben ihre jeweilige Nische ge-
funden und sind trotz Niedrigmargen so-
lide und profitabel unterwegs. Zum einen
verfügen sie über vergleichsweise niedrige
Kapitalkosten. Deutsche Immobilien wer-
den als sicher eingestuft, weil Kredite auf
deutsche Immobilien historisch gesehen
vergleichsweise geringe Ausfälle erlitten
Finanzierungsrisiken in Anbetracht
restriktiver Beleihungspolitik?
Gegenwärtig gibt es alles
andere als eine Kreditver-
knappung bei der Finanzie-
rung von Gewerbeimmobili-
en in Deutschland. Trotzdem
wird geklagt über Margen-
druck und ein niedriges Mar-
genniveau im europäischen
Vergleich. Und obwohl auch
die regulatorische Belastung
zunimmt, sind deutsche
Immobilienfinanzierer höchst
aktiv – insbesondere im Hei-
matmarkt.
Roberto
Carrera
ist European
Head of Finan-
cing bei LaSalle
Investment
Management
AUTOR
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