Immobilienwirtschaft 12/2017 1/2018 - page 22

22
INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
PORTRÄT
toriker in die Lehre bei der Volksfürsorge
und ließ sich von einem Mitarbeiter mit
Realschulabschluss zeigen, wie man das
am besten tut.
Zeichen von Bescheidenheit? Eigent-
lich nicht. Spricht eher für eine gewisse
Offenheit, fehlende Berührungsängste
und seine Fähigkeit zu erkennen, dass sein
bester Lehrer durchaus einer ohne Hoch-
schulabschluss sein kann. Menschen, von
denen er etwas lernen, von denen er profi-
tieren kann, respektiert er. Auf Doktortitel
kommt es da nicht an. Seine Eltern leben
es vor, dieses lebenslange Lernen. Und
sein Vorbild: Arnold Schwarzenegger. Ein
Mann, der alles aufsaugt, der verschiedene
Leben in einem vereint.
Auf der Gegenseite steht seine Unge-
duld gegenüber denjenigen, die das Wei-
terlernen nicht so schätzen, die Work-
Life-Balance wollen. Diese Attitüde, sol-
cheMenschen versteht er nicht. Er hat eine
fast schon autistische Ehrlichkeit. „Jeder
merkt sofort, ob ich ihn mag. Das ist ein
großer Vorteil und zugleich ein großer
Nachteil.“ Gegenüber Taxifahrern, die ihn
nicht ordentlich behandeln, wird er sehr
unfreundlich. Wennman ihn imFlugzeug
auf einen anderen Platz setzt, kann er auch
schon mal ausrasten. Und zornig werden
wie ein bockiges Kind.
APROPOS KIND
Wie war er so als Kind?
Darüber muss er nachdenken. Aufgrund
dieser Frage lernt er über sich selbst,
Glück für mich (siehe oben). Und kommt
zum Schluss, er habe sich seither kaum
verändert. Natürlich, seine politischen
Ansichten. Aber richtig kindlich sei er
nie gewesen. „Mein Kinderzimmer war
damals schon ein Büro“, sagt er.
Kinder faszinieren ihn, sie zeigen un-
verblümt ihre Emotionen und sind lern-
willig. Bei Erwachsenen beobachtet er oft
einen Erstarrungsprozess. Auch wenn er
sich an Kindliches in seiner Kinderzeit
kaum erinnert: Heute (Wissen aufsau-
I
ch habe ihn schon vor 15 Jahren ein-
mal porträtiert. Trotz spannender, oft
zitierter Vita – er war unter anderem
wissenschaftlicher Assistent an der Frei-
en Universität Berlin, Autor einer viel
beachteten Hitlerbiografie, Cheflektor
im Ullstein-Propyläen-Verlag, Leiter des
Immobilienressorts bei der „Welt“ –, be-
sonders positiv kam er seinerzeit nicht
rüber. Damals schrieb ich, Rainer Zitel-
mann sei nicht unbedingt derMensch, mit
dem man gerne ein Bier trinke. Sagte das
jemand über mich, würde mir das schon
etwas ausmachen.
Zitelmann scheint das Gemochtwer-
den nicht so wichtig zu sein. Er goutierte
mein Porträt, denn – das verstand ich 15
Jahre später – er pflegt sein Ecken-und-
Kanten-Image. Das „Doktor Doktor“ auf
den Titeln seiner Bücher gehört dazu. Und
seine Rebellion als 17/18-Jähriger, die er
genauso wenig verschweigt wie seinen
Haschischkonsum oder seine frühere Al-
koholismus-Phase. Deren Überwindung
zeigt seine Willenskraft. Nonkonformis-
mus ist Teil seiner Marke. Sein Selbstver-
Treiber und Getriebener
Umstritten, polarisierend,
höchstprofessionell. Der
Super-Selbst-Vermarkter
Rainer Zitelmann
hat die
PR-Szene in der Immobilien-
wirtschaft geprägt wie kein
anderer. Inzwischen hat er
sein Unternehmen verkauft.
Anlass für ein Porträt.
marktungs-Programm. Darum gründete
er als schwerreicher Investor eine Modell-
agentur. Darum beschäftigt er sich inten-
siv mit Bodybuilding. Zitelmann sagt:
„Wenn alle meine Meinung hätten, hätte
ich sie sicher nicht mehr.“ Aha. Eigentlich
durchsichtig. ProgrammAntimainstream.
Aber es ist mehr, er hat gute Gründe dafür.
Und – der Typ (er ist wirklich einer) ist
nicht dumm. Überdurchschnittlicher IQ.
Schulte schon als 14-Jähriger Studenten an
der Hochschule in Dieburg. Sein Leben
ist Akquise. Autoren, Projektentwickler,
Kunden, Frauen. Er siegt oft, kann aber
auch mit Niederlagen umgehen. Denn
verliert er etwas, akquiriert er wieder.
VON LINKS NACH RECHTS
Mit elf Jahren
startete Zitelmann sein erstes Zeitungs-
projekt. Es folgten Schülerzeitschriften,
die vonAnfang an professionell hergestellt
waren, da er von linken Buchhändlern
unterstützt wurde. Seine Eltern förderten
ihn. Seine Freunde warenmeist älter als er,
schauten oft zu ihm auf. Er gründete mit
13 eine Rote Zelle an seiner Schule, konn-
te sich lange auslassen über die Schriften
von Mao. Der Schwenk von links nach
rechts kam eher allmählich. Er las Freud
und Wilhelm Reich. Später beschäftigte
er sich mit den Faschismustheorien der
Linken. Die überzeugten ihn nicht. Zu
den Rechten – heute bezeichnet er sich als
Nationalliberalen – kamer unter anderem
deshalb, weil die Linken ihre Multikulti-
Attitüde gegen die einfachen Leute rich-
teten, sagt er.
Als ich Rainer Zitelmann gegenüber-
sitze, ist die Atmosphäre entspannt. Er
wirkt sympathisch, bescheiden. Einziger
Schönheitsfehler: Er propagiert seine
Bescheidenheit. Macht das fest an einer
Phase im Leben, in der er einmal mehr
beschloss, alles Bisherige über denHaufen
zu werfen und reich zu werden. Er wollte
verkaufen. Das liebte er. Doch das konnte
er nicht. So ging er als promovierter His
Rainer Zitelmann:
Das meist plakatierte „Dr. Dr.“
vor seinem Namen hat einen
Grund. Ausdruck von Geltungs-
sucht ist es nicht.
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...76
Powered by FlippingBook