IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 36

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
Privatheit hier und Öffentlichkeit dort führt zu konzentrierter
Geborgenheit diesseits und dicht bevölkerten öffentlichen Räu-
men jenseits der Mauern.
Die moderne, autogerechte Stadt mit ihrer Trennung von
Wohnen, Arbeiten und Freizeit führt dagegen zu einem enormen
Verlust von Aufenthalts- und Lebensqualität. In der Medina von
Marrakesch fällt es leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen,
Nachbarn kennen sich. So könnte eine menschengerechte Stadt
aussehen. Doch ein Besuch im Viertel der Gerber reißt mich aus
meinen orientalisch-romantischen Träumen. Ich stehe mitten in
einer bestialisch stinkenden Vorhölle. Taubenkotsäurebäder ma-
chen die Häute weich. Die Arbeit hier ist hart und macht krank.
Was veranlasst Menschen, ihr Leben in so elenden Verhältnissen
zu verbringen? Das Länderinformationsportal hilft mir weiter:
„Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Marokko bei über 50 Pro-
zent. Arbeitslosenhilfe gibt es nicht. Aber auch für die, die Arbeit
haben, ist die Lage oft schwierig. Millionen Marokkaner können
von ihrer Arbeit nicht leben.“
4.000 TAXIFAHRER GIBT ES IN MARRAKESCH
Ich lerne Hannah
kennen. Sie ist eine von nur zwei Taxifahrerinnen und arbeitet
ausschließlich für Touristen. Einheimische Frauen fahren kein
Taxi und Kerle steigen hier in kein Auto mit einer Frau am Steu-
er. Imehemaligen Industriegebiet sindmittlerweile geschlossene
Designerläden zu besichtigen. Im April 2011 starben bei einem
Terroranschlag auf ein Café am Djemaa el Fna 17 Menschen.
N
ach fünf Stunden Flug finde ich mich in den dichten Gassen
der Medina, der historischen Altstadt vonMarrakesch, wie-
der. Plötzlich Tausendundeine Nacht. Die überwältigende
Dichte der fremden, lebensgegerbten Gesichter, eine schier end-
lose Zahl winziger Läden, einer neben demanderen, angefüllt mit
lokalemKunsthandwerk, Teppichen, Keramik, Holzschnitzereien
und Schmuck, bilden ein eng geknüpftes Abbild menschlichen
Miteinanders. In dem Strom der Passanten gelange ich zumDje-
maa el Fna, demweltberühmten Marktplatz der Marktplätze, ein
„Meisterwerk des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“,
voller Gaukler, Musiker, Geschichtenerzähler, Schlangenbe-
schwörer, Affenbesitzer, Kartenlegerinnen, Tätowiererinnen,
Händler, Bettler, Einheimischer und Touristen. Heute wie vor
hundert Jahren.
So abwechslungsreich bevölkert wünschen sich nordeuropä-
ische Planer ihre Städte! Ein Guide führt uns durch ein Gewirr
winziger, lärmender, vor Menschen wogender Gassen zu einer
stahlbewehrten, jahrhundertealtenHolztür. Auf der anderen Seite
heißen uns kühler Limonengeruch und die schöne Binta willkom-
men. Plötzlich diese Ruhe. Sie zeigt uns das winzige Anwesen um
drei jeweils zweigeschossige Höfe, alle Fenster sind nach innen
gerichtet, die fruchtigen Bananenbäume und das Plätschern der
Brunnen lassen uns sofort entspannen. Kein Wunder, dass die
Städte um das Mittelmeer mit ihren engen, dicht bevölkerten
Fußgängergassen und nach außen geschlossenen Atriumhäusern
erklärtes Vorbild vieler Stadtplaner sind. Die klare Trennung von
Die ideale Stadt
Foto: Dirk Weiß
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