IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 46

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHT
Vater hätte nicht zusammen mit seinen
Bevollmächtigten an der Versammlung
teilnehmen dürfen. Allerdings dürfen
sich die Eigentümer durch einen Bevoll-
mächtigten vertreten lassen, sofern diese
Möglichkeit in der Teilungserklärung oder
durch eine andere Vereinbarung zwischen
den Eigentümern nicht beschränkt wor-
den ist. Im vorliegenden Fall gab es keine
Einschränkung des Rechts zur Bevoll-
mächtigung in der Teilungserklärung oder
in einer anderen Vereinbarung. Der Vater
durfte daher imGrundsatz einenVertreter
zur Versammlung schicken. Der Verstoß
gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit
ergibt sich jedoch daraus, dass der Vater
neben seinen Vertretern selbst an der Ver-
sammlung teilgenommen hat. Das Gebot
FAKTEN:
In einer Eigentümerversamm-
lung erschienen Vater und seine zwei
Söhne sowie die Ehefrau des Vaters. Der
Vater trat als Verwalter und Versamm-
lungsleiter auf, seine Ehefrau und sein
anderer Sohn als seine bevollmächtigten
Vertreter für seine beiden Eigentumsein-
heiten. Der zweite Sohn und Eigentümer
verließ die Versammlung noch vor der
Abstimmung über den ersten Beschluss.
Er hatte sämtliche in der Versammlung
gefassten Beschlüsse angefochten. Im
Wesentlichen rügt er die Verletzung des
Gebots der Nichtöffentlichkeit. Seine Kla-
ge hatte Erfolg.
Die Beschlüsse waren wegen eines Ver-
stoßes gegen das Gebot der Nichtöffent-
lichkeit für ungültig zu erklären. Der
Urteil des Monats:
Bevollmächtigung und Teilnahmerecht in der Eigentümerversammlung
Ein Eigentümer, der sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt, darf nicht selbst an der Eigentümerversammlung
teilnehmen. Nimmt er gleichwohl teil, wird sein Bevollmächtigter zum grundsätzlich nicht teilnahmeberechtigten Dritten.
LG Karlsruhe, Urteil v. 21.07.2015, 11 S 118/14
FAKTEN:
Die Eigentümer hatten vorliegend die Vermietung eines Gemeinschaftsraums
im Keller beschlossen. Das Mietverhältnis sollte auf 20 Jahre befristet sein. Dieser Be-
schluss wurde von einem Eigentümer angefochten. Er ist der Auffassung, der Beschluss
sei nichtig, da er angesichts der erheblichenMietdauer tatsächlich die Begründung eines
Sondernutzungsrechts darstelle. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Bei der
Vermietung des Gemeinschaftsraums im Keller handelte es sich um eine Gebrauchs-
regelung im Sinne von § 15 Abs. 2 WEG, die mit Mehrheit beschlossen werden konnte.
Die Eigentümer haben jedenfalls die Beschlusskompetenz, soweit nicht eine Vereinba-
rung entgegensteht und ihnen kein Nachteil erwächst, gemeinschaftliche Räume auch
langfristig zu vermieten.
FAZIT:
Es entspricht herrschender Meinung, dass auch die langfristige Vermietung von
Gemeinschaftseigentumordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann. Dies ist jeden-
falls stets dann der Fall, wenn die Eigentümer infolge der Vermietung keinen Nachteil
erleiden. Der Gebrauchsentzug selbst stellt regelmäßig insoweit keinen Nachteil dar,
weil ihm die Mieteinnahmen gegenüberstehen.
GEMEINSCHAFTSEIGENTUM
Auch langfristige Vermietung
kann beschlossen werden
Auch ein Beschluss über die langfris-
tige Vermietung von Gemeinschafts-
eigentum kann ordnungsmäßiger
Verwaltung entsprechen. Hierin liegt
keine Begründung eines Sondernut-
zungsrechts.
LG Hamburg, Urteil v. 28.10.2015, 318 S 9/15
der Nichtöffentlichkeit der Versammlung
soll sicherstellen, dass die Eigentümer ihre
Meinungsunterschiede unter sich austra-
gen, und trägt damit auch den Gedanken
eines Gebots der Waffengleichheit in sich.
FAZIT:
Stets hat der Verwalter im Rahmen
der Eigentümerversammlung zu prüfen,
ob neben dem Eigentümer noch ein Ver-
treter des Wohnungseigentümers anwe-
send ist. Dies ist oftmals dann der Fall,
wenn ein Eigentümer mehrere Einheiten
besitzt. Dies verleiht ihm aber nicht das
Recht, Vertreter für seine weiteren Ein-
heiten zu entsenden und selbst an der Ver-
sammlung teilzunehmen. Nimmt er selbst
an der Versammlung teil, so sind seine
Vertreter nicht mehr teilnahmeberechtigt.
Präsentiert von:
Rechtsanwalt Alexander C. Blankenstein
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht, Düsseldorf
Wohnungs-
eigentumsrecht
Wohnungseigentumsrecht
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