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6.2016
Mietrecht
– Aktuelle Urteile
Entscheidungsfall zulasten des Vermie-
ters. Die Anwendung der so genannten
„Unklarheitenregelung“ setzt voraus, dass
nachAusschöpfung der bestehendenAus-
legungsmöglichkeiten noch ein unbeheb-
barer Zweifel verbleibt.
Nach Ansicht des BGH ist die Klausel
nicht eindeutig. Sie kann zum einen da-
hingehend ausgelegt werden, dass der
Mieter auch eine Grundsteuererhöhung
infolge der Bebauung des Grundstücks
und der deshalb erfolgten Änderung des
Grundsteuermessbetrags zu tragen hat.
Bei dieser Auslegung kann der Vermieter
den Mehrbetrag von 45.310,63 Euro auf
dieMieter umlegen. Denkbar ist aber auch
die Auslegung, dass der Vermieter die
für das bebaute Grundstück festgesetzte
FAKTEN:
Im Jahr 2007 schloss der Grund-
stückseigentümer mit einem Warenhaus-
konzern einen Mietvertrag über Laden-
räume in einem noch zu errichtenden
Gebäude. Der Mietvertrag enthielt die
im Leitsatz wiedergegebene Klausel. Für
das Jahr 2009 hat die Stadt die Grund-
steuer auf 16.029,24 Euro festgesetzt.
Bemessungsgrundlage war das unbe-
baute Grundstück. Im Folgejahr erließ
die Stadt einen Grundsteuerbescheid für
das bebaute Grundstück über 66.998,14
Euro. Der BGH hatte zu entscheiden, ob
die Differenz aufgrund der vertraglichen
Regelung vom Mieter zu tragen ist.
Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel
bei der Auslegung Allgemeiner Geschäfts-
bedingen zulasten des Verwenders, im
Urteil des Monats:
Zur Auslegung des Begriffs „Grundsteuererhöhung“
Die in einem Mietvertrag über Gewerberäume enthaltene AGB-Klausel „Die Grundsteuer zahlt die Vermieterin. Erhöhungen
gegenüber der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer tragen die Mieter“ ist hinsichtlich der durch die Vermiet-
barkeit des bebauten Grundstücks bedingten Grundsteuererhöhung nicht eindeutig und daher zulasten des Verwenders
auszulegen.
BGH, Urteil v. 17.02.2016, XII ZR 183/13
FAKTEN:
EinMietvertrag über gewerblich genutzte Räume enthält eine Formularklausel
zur Kündigung. Daneben befindet sich die handschriftliche Eintragung „5 Jahre und 5
Jahre Option“. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob das Mietverhältnis gem. § 550 BGB
vor Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden kann. Wird ein Mietvertrag mit einer
längeren Laufzeit als einem Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für
unbestimmte Zeit. Ein solcher Mietvertrag kann gem. § 550 BGB zumAblauf des ersten
Mietjahres gekündigt werden. Das Erfordernis der Schriftform gilt für alle wesentlichen
Vertragsbedingungen. Vorliegend ist der Vertrag in diesem Punkt unklar, weil nicht
eindeutig feststeht, ob ein unbefristetes oder ein auf fünf Jahre befristetesMietverhältnis
vereinbart wurde. Der BGH ist der Auffassung, ein objektiv unklarer Vertrag sei nicht
in der nach § 550 BGB geforderten Schriftform geschlossen.
FAZIT:
Die Änderung eines Formularvertrags durch maschinen- oder handschriftliche
Zusätze genügt jedenfalls dann nicht, wenn die Änderung eine zentrale Frage betrifft.
Erforderlich ist vielmehr, dass alle anderslautenden Formularklauseln gestrichenwerden.
SCHRIFTFORM FORMULARVERTRAG
Was gilt bei handschriftlichen
Zusätzen?
Wird ein langfristiger Formularmiet-
vertrag durch einen maschinen- oder
handschriftlichen Zusatz oder auf-
grund mündlicher Vereinbarung abge-
ändert, so müssen alle entgegenste-
henden Formularklauseln gestrichen
werden. Anderenfalls ist die gesetz-
liche Schriftform nicht gewahrt.
KGBerlin,Urteilv.21.01.2016,8U164/15,GE2016S.392
Grundsteuer (hier: 66.998,14 Euro) tragen
muss und dass lediglich die weiteren Steu-
ererhöhungen zulasten desMieters gehen.
Nach dieser Auslegung ist die im Jahr 2010
erfolgte Festsetzung nicht als „Erhöhung“
im Sinne der Vertragsregelung zu bewer-
ten. Für diese Auslegung spricht, dass
in der Klausel von der auf das „Objekt“
erhobenen Grundsteuer die Rede ist; der
Begriff des „Objekts“ kann sich aber nur
auf das Mietobjekt, also auf das bebaute
Grundstück beziehen.
FAZIT:
Vorsicht Vermieter: Bei dieser
Sach- und Rechtslage gilt die dem Mieter
günstigere Regelung. Folgerichtig hat der
BGH die Klage des Vermieters abgewie-
sen.
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Präsentiert von:
Hubert Blank
Richter am Landgericht
Mannheim
Mietrecht